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cosmetic dentistry - beauty & science No.1, 2016

34 cosmetic dentistry 1 2016 | Spezial Diagnostik Face to Face: Vom Lesen in Gesichtern Autor: Prof. Dr. Hans Behrbohm Die Kunst, in Gesichtern zu lesen, war jahrhun- dertelang eine Voraussetzung, um zu einer Dia- gnose zu gelangen. Klinische Erfahrung, aufmerk- sames Fahnden nach flüchtigen Zeichen einer Erkrankung, den Befunden und die Interpretation und Bewertung von Symptomen hatten einen ho- hen Stellenwert. Natürlich auch weil spezialisierte Diagnostik, präzise analytische Verfahren der La- borchemie und die fas­ zinierenden Möglichkeiten der modernen bildgebenden Verfahren nicht zur Verfügung standen bzw. weniger diagnostische Aussagen boten. Heute greift eine ganz andere Mentalität immer mehr Raum, nämlich den Kranken möglichst schnell zur Maximalvariante der Diagnostik zu überweisen, bevor die Möglichkeiten des klini- schen 1 x 1 von Anamnese und klinischer Unter- suchung überhaupt versucht wurden. Das wird teuer und führt nur zufällig zu einer fundierten Diagnose, weil der Arzt nur das findet, was er ge- zielt sucht. Symptomatisch für diese Tendenz ist es, wenn dem Arzt während der Untersuchungssituation vis-à-vis ein Monitor platziert ist, dem er mehr Aufmerksamkeit widmet als der Physiognomik des Kranken selbst. Dass der lange Weg zu dem, was man als klinische Erfahrung bezeichnet, die im günstigsten Fall zu dem sogenannten „diagnosti- schen Blick“ führt, im Turboverfahren durch einen Mausklick in die Datenbänke des Internets abge- kürzt werden kann, ist ein Trugschluss. Nutzen der diagnostischen und therapeutischen Leitlinien der Fachgesellschaften – ja, aber Verzicht auf die Ba- sisanforderungen einer genauen Anamnese und gründlichen klinischen Untersuchung – nein! Ein klinisches Profil kann man sich langfristig nicht runterladen. In diesem Beitrag soll auf ein Gebiet aufmerksam gemacht werden, welches langsam verloren geht, weil es in klinischen Lehrbüchern kaum noch vor- kommt oder während des Studiums und in der Ausbildung wenig vermittelt wird – die ärztliche Physiognomik. Auch heute hat die ärztliche Physiognomik eine Bedeutung in der klinischen Medizin. Sie stellt da- bei gewissermaßen das Irrationale in der Diagnos- tik dar. Das ist weniger Gegensatz als mehr Berei- cherung der Medizin als Wissenschaft, die eben letztlich keine exakte Naturwissenschaft allein sei kann. Bereits der Säugling erfasst intuitiv, was ein fröh­ licher oder finsterer Gesichtsausdruck bedeutet. Dieses Verstehen ohne Wissen bleibt auch später, nachdem deutende Verfahren und analytisches Denken ein Verstehen auf Wissen gründen kön- nen, doch die Grundlage der Persönlichkeitserfas- Abb. 1: Mona Lisa (Leonardo da Vinci, 1452–1519). Abb. 1 Der Ausdruck im Gesicht des Kranken ist recht verschieden; der Arzt muss deshalb seine Auf- merksamkeit darauf richten, damit keine der Krankheitsursachen verborgen bleibt …, mahnte bereits Hippokrates (um 460–377 vor Chr.). dentistry 12016

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