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cosmetic dentistry - beauty & science No.3, 2017

man in den zahllosen Containern entlang der Stra- ßen finden konnte und die Leute so achtlos weg geworfen hatten. Dass er ein begnadeter Zeichner war, wussten jedoch die Wenigsten. Wann Kurt Wanski mit dem Zeichnen begann, ist nicht wirklich bekannt, wie auch seine Biografie sehr lückenhaft ist. Doch mit Sicherheit war das Zeichnen für ihn eine Arbeit, bei der er Ruhe fand und ganz mit sich allein sein konnte. Es war eine anstrengende Arbeit, darüber war er sich sehr wohl im Klaren. Und dass er zeichnen konnte wie kaum jemand es vermochte, das wusste er auch. Kurt besaß eine außergewöhnliche Gabe, darüber waren wir uns als Künstler von Anfang an einig. Eine solche Gabe war keinem von uns beschieden. Deshalb liebten wir seine Zeichnungen, manche blickten darauf mit Neid. Er, der in früher Jugend als bildungsresistent eingestuft wurde und Hilfs- schulen besuchte, dem ein Zurückgebliebensein in einem kindlichen Stadium attestiert wurde und der sein ganzes Leben in Anstalten, Krankenhäusern und Heimen verbrachte, verfügte über ganz beson- dere bildnerische Fähigkeiten. Vielleicht hätte sein Leben anders verlaufen können mit mehr Zuwendung, ohne die frühe Ausgrenzung und die körperlichen und seelischen Verletzungen, die ihm während der Zeit des nationalsozialisti- schen Systems widerfahren sind. Das alles hat je- doch seine Entwicklung beeinflusst, wie wir es uns kaum vorstellen können. Darüber erzählen wollte und konnte er wohl auch nicht. Kurt Wanskis zeichnerisches Oeuvre wirkt wie eine Gegenreaktion auf das entbehrungsreiche Dasein, das ihm das Schicksal auferlegt hatte. Wie hätte man das auch alles aushalten können ohne die trostspendende Wirkung von Schönheit und Zau- berei, ohne Träume und Wunder, ohne das fantasti- sche Reich einer geheimen inneren Welt. Auf seinen Gängen durch die Stadt sammelte er Zeitschriften, Broschüren und Bücher. Darin fand er eine breite Palette von Bildern, die über Politik, High Society und das laszive Gewerbe informierten. Sie interessierten Kurt besonders, weil in ihnen die Zeit angehalten schien, das hektische Getriebe der Welt in den Abbildungen geradezu erstarrt war. So konnte er ungestört bewundern und untersu- chen, was im normalen Tagesablauf so schnell an ihm vorüberflog und das er doch so besonders liebte. Diese Welt stand plötzlich still, er konnte sie mit in sein Zimmer nehmen, um nach strengen Grund- sätzen auszuwählen, was sich für eine zeichne- rische Ausführung als würdig erwies. Kurt Wanski zeichnete alles, was in sein Herz Einlass fand, und er hatte ein großes Herz. Herz ist nur ein Synonym für Seele, denn was Kurt Wanski zeichnete, wurde von ihm auch beseelt. Tiger bli- cken aus funkelnden Augen, stattliche Löwen zei- gen ihre Männlichkeit. Blaue Elefanten sind zu Kunst Lifestyle | sehen und Flusspferde mit abgrundtiefen, alles Lebendige verschling enden Schlünden. Und dann der Mensch selbst, so facettenreich wie man ihn sich nicht vorstellen kann: Männer und besonders Frauen, die Mutter Gottes mit ihrem Sohn und Engel, die letztlich auch Frauen sind. Daneben die Dinge, die das Leben angenehmer machen: tickende Uhren, rasende Autos, Flugzeuge und Schmuck. Mit dem unbestechlichen und aufmerksamen Blick eines Kindes, der gepaart ist mit der Erfahrung des erwachsenen Mannes, entwirft Kurt Wanski sein eigenes wundervolles Bild von der Welt immer wie- der neu. Diese Welt ist lebendig, denn sie dreht sich vor uns wie nach einem geheimnisvollen Plan. Auch wenn wir geneigt sind, Kurt Wanskis Zeich- nungen Kategorien wie Art Brut oder Outsider Art zuzuordnen, so sagt das wenig über diese Kunst selbst aus. Wanskis Zeichnungen sind ganz indi- viduelle Zeugnisse einer schöpferischen Persön- lichkeit und einzigartige Lehrbeispiele in Sachen Freiheit und Unabhängigkeit künstlerischer Äuße- rung. Wenn sie uns berühren, dann vielleicht weil sie gefüllt sind mit Poesie und Heiterkeit. Aber auch, weil ihre Unmittelbarkeit an etwas erinnert, das wir in uns spüren und das wir schon einmal erlebt zu haben glauben, gleich einem Déjà-vu. Lange bevor Sprache in der uns geläufigen Form existierte, haben wir uns mittels Zeichen und Zeich- nungen verständigt. Kurt Wanski hatte ohne Zwei- fel einen direkten Zugang zu diesem Speicher kul- turellen Unterbewusstseins, zu einem Bild gedächt - nis, das weit in unsere Entwicklungsgeschichte zurückreicht._ Bildergalerie Jürgen Köhler & Prof. Dr. Hans Behrbohm, Ärztlicher Direktor Abb.: „Parkklinik“, farbige Kreide, Fineliner auf Papier, 42,0 x 59,5 cm. cosmetic dentistry 3 2017 47

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