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cosmetic dentistry - beauty & science No.3, 2017

dem ständigen Ertasten der Störstelle (mit Lippe oder Zunge) die Filterschwellen herabgesetzt werden und sich die Missempfindung verstärkt bzw. neuronal ein- programmiert. Ähnlich wie das Gehör zur Vermeidung einer Reizüberflutung viele Störgeräusche und Grund- rauschen herausfiltert, so werden auch die meisten Empfindungen im Mund normalerweise ausgeblen- det. Das stomatognathe System ist ein extrem fein kalibriertes, nerval gesteuertes, kybernetisches System mit hochempfindlichen Sensoren, die allerdings nor- malerweise nicht auf jeden Reiz ansprechen. So wird es zum Beispiel nicht wahrgenommen, ob eine Wan- gentasche größer ist als die andere. Genau solches sind aber typische Angaben von Patienten mit der beschriebenen Störung. Im Bereich der Ästhetik findet der gleiche Prozess statt. Die Aufmerksamkeit wird auf ansonsten uner- hebliche Details fixiert, eine feste Zwangsvorstellung etabliert, eine Zufriedenheit nie erreicht. Dies kann sich z.B. in einem übersteigerten Perfektions- und Symmetriebedürfnis manifestieren oder im Wunsch, dass sich eine Restauration überhaupt nicht mehr von dem natürlichen Vorbild unterscheiden darf. Allgemeine psychische Störungen und Belastungen Statistiken belegen, dass psychische Erkrankungen verhältnismäßig häufig auftreten. Andererseits ist dieser Bereich in unserer Gesellschaft stark stigmati- siert und tabuisiert. Die Häufigkeit der Angaben psy- chischer Störungen auf den zahnärztlichen Anam- nesebögen steht nicht in Verhältnis zum tatsächlichen Vorkommen. Gerade Zwangsstörungen oder sogar die für die Zahnmedizin relevante Bulimie werden von den Patienten gewollt oder ungewollt unterschlagen. Wenig erscheint den Menschen heute als so beschä- mend, wie psychisch für nicht normal gehalten zu werden. Hier sind starke Verdrängungsmechanismen am Werke. Hinzu kommt, dass der psychische Ge- sundheitszustand normalerweise auf Anamnese- bögen in der Zahnarztpraxis nur mit einer einzigen Frage unter vielen anderen abgehandelt wird. Es er- scheint daher als sinnvoll, beim Verdacht auf eine psy- chische Störung eine zusätzliche umfassende Anam- nese in dieser Richtung zu erheben. Unabhängig von Erkrankungen der Psyche sind die Menschen in der heutigen Gesellschaft einer Vielzahl von psychischen Belastungen ausgesetzt. Deren Natur kann gesund- heitlicher, privater, familiärer, beruflicher, finanzieller, gesellschaftlicher u.v.a.m. Art sein. Vor allem Stress stellt einen gewichtigen Belastungsfaktor dar. Auch diese Belastungen werden von Patienten einem Zahn- arzt, der neben seiner Rolle als Arzt auch als Handwer- ker wahrgenommen wird, üblicherweise nicht ohne Weiteres anvertraut, zumindest nicht zu Beginn und ohne Nachfrage. Die sicherere Annahme für einen Zahnarzt ist leider diejenige, dass der unbekannte, normal erscheinende Patient möglicherweise eine psychische Belastung oder Problematik mit sich bringt und nicht diejenige, dass er sicher normal sein wird. Um sich dies zu vergegenwärtigen und nicht aus dem Blick zu verlieren, empfiehlt es sich, die Liste der Fra- gen im Anhang (siehe QR-Code) als interne Checkliste durchzugehen, wenn sich Patienten auffällig verhal- ten. Dies ist kein Anamnesebogen, der einem Patien- ten vorgelegt werden könnte, ohne ihn danach sehr wahrscheinlich zu verlieren. Einige der Fragen können aber für eine Spezialanamnese verwendet werden, wenn der Patient eine Behandlung wünscht und sich der psychischen Komponente bewusst ist. Sinnvoll ist sicher auch, einen Psychologen, Psychotherapeuten oder ähnlichen Spezialisten im eigenen Netzwerk zur Verfügung zu haben, um Patienten erforderlichenfalls professionelle Hilfe empfehlen zu können. Die erste Voraussetzung für die Möglichkeit einer Therapie oder Änderung des Zustandes ist die eige- ne Einsicht des Patienten, dass etwas nicht in Ord- nung ist. Wenn dies bei einem wahrscheinlich oder offensichtlich gestörten Patienten nicht der Fall ist, ist von prothetischen zahnärztlichen Maßnahmen abzuraten. Das Ziel dieses Beitrages ist es, gegenüber den Risi- ken zu sensibilisieren, die allein im psychischen Set-up des Patienten begründet liegen und nichts mit der eigenen zahnärztlichen Kompetenz zu tun haben. Denn wenn so ein Misserfolg dann einmal eingetreten ist, so verbleiben dennoch immer Zwei- fel, ob man es nicht doch hätte besser machen kön- nen, und es ist zumeist mit massivem Ärger, Frust und persönlicher Unzufriedenheit verbunden. Daher ist es auf jeden Fall besser, solche Problempatienten bereits zu Beginn zu identifizieren und von einer Behandlung Abstand zu nehmen._ Kontakt Dr. med. dent. Jan Hajtó Ästhetische Zahnheilkunde München Gemeinschaftspraxis Dr. med. dent. Jan Hajtó, Zahnarzt Dr. medic. stom. Costin Marinescu D.D.S. (USA), Zahnarzt Brienner Straße 7 80333 München Tel.: 089 2423991-0 Fax: 089 20070528 hajto@smile-art.de www.smile-art.de Infos zum Autor Fragebogen Psychologie Spezial | cosmetic dentistry 3 2017 35

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