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Dental Tribune German Edition

Continuing Education Düsseldorf/2014Seite 34 today n Eine abwechslungsreiche Ernäh- rung in Gesellschaft ist wesentlicher Bestandteil einer guten Lebens- qualität, die gerade für Patienten im höheren Alter nicht hoch genug ein- geschätzt werden kann. Bei Prothe- senträgern ist die problemlose Kau- fähigkeitnichtselteneingeschränkt; vor allem die Versorgung des zahn- losen Unterkiefers stellt hohe An- forderungen an die prothetische Planung und Umsetzung. In vielen Fällen kann eine implantatgetra- gene Versorgung die Kaufähigkeit der Betroffenen optimieren. Die Versorgung von Patienten in höherem Lebensalter mit Implanta- ten wirft sowohl beim Betroffenen als auch beim Behandler noch viele Fragenauf:Bestehenspeziellealters- bedingte Risiken? Ist mit dem glei- chen Implantationserfolg zu rechnen wie bei jüngeren Patienten? Lohnt sich der Aufwand noch? Wie ist die Einnahme verschiedener Arzneimit- tel in der Behandlungsplanung zu berücksichtigen? Im Zuge dieser Übersicht sollen die physiologischen Veränderungen des Knochens im Alterungsprozess und die daraus resultierenden An- forderungen an den Implantologen dargestellt werden. Weiterhin wird dem Einfluss häufig verordneter Me- dikamente auf den Knochenumbau und die damit verbundene Osseo- integration Rechnung getragen. Physiologische Veränderung Nach den Daten des Statisti- schen Bundesamtes wird bis zum Jahr 2030 der Anteil der über 67-Jäh- rigen um über 40 Prozent ansteigen. In einer Analyse des künftigen Bedarfs für zahnärztliche Behand- lung ergibt sich, dass sich der Thera- piebedarf entsprechend verändern wird. Ein denkbares Szenario in die- ser Analyse ist, dass eine Mehrheit der künftigen Patienten mit einem großen Teil ihrer eigenen Zähne bei guter Gesundheit alt wird. Diese Patienten werden hohe Anforderun- genaneineästhetischansprechende konservierende und prothetische Versorgung ohne Abstriche in der Kaufunktion stellen. Es wird eine Verschiebung einerseits zugunsten derparodontologischenBehandlung und andererseits zugunsten des fest- sitzenden Zahnersatzes stattfinden; die Notwendigkeit für die Anpas- sung von Totalprothesen wird nach heutigen Daten signifikant zurück- gehen und mehr Patienten in höhe- rem Lebensalter betreffen als heut- zutage (Brecht et al., 2009). Um den besonderen Anforde- rungen älterer Patienten an ein si- cheres und prognostizierbares chi- rurgisches Vorgehen gerecht werden zu können, ist es sinnvoll, sich mit den Herausforderungen der phy- siologischen Alterungsprozesse des Knochenszubefassen.DasKnochen- gewebe des alternden Patienten ist unter anderem aufgrund von verrin- gerter Belastung und veränderter hormoneller Regulation typischen Anpassungsprozessen im Hinblick auf Struktur und Metabolismus unterworfen. Die Umbauvorgänge betreffen zum einen das knöcherne Hartgewebe und die versorgende Vaskularisation zum anderen. Knöchernes Hartgewebe Morphologisch ist der alternde Knochen durch ein vermindertes kortikales Volumen und eine Zu- nahme der spongiösen Trabekula- risierung charakterisiert. Histolo- gisch imponieren typischerweise Osteozyten, die keine sekretorische Funktion mehr aufweisen: biolo- gisch tote Zellen. Nach einer osteozy- tären Lebenszeit von etwa 35 Jahren obliterieren die Kanälchen um die sekretorisch inaktiven Knochen - zellen. Die Folge ist eine zunehmend sklerotische Knochenstruktur, die einer einwirkenden mechanischen Belastung insgesamt weniger (elas - tischen) Widerstand entgegenzu- setzen hat. In endokrinologischen Analy- sen konnte gezeigt werden, dass sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit zunehmendem Alter die Sekretion von Parathormon (PTH) steigt; der steigende PTH-Spiegel hat typischerweise eine verminderte Kalziumresorption aus dem Darm und sinkende Kalzitoninwerte mit konsekutiver Osteopenie oder -ma- lazie zur Folge (Chapuy et al., 1983; Zhang et al., 1999). Da das Skelett das größte Kalziumreservoir des Körpers darstellt, wird die sensible Kalziumhömöostase im Serum in erster Linie über den kurz-, mittel- und langfristigen Knochenmetabo- lismus stabilisiert. Dies beinhaltet eine Freisetzung von benötigtem Kalzium aus dem Knochen inner- halb weniger Minuten bis hin zu einer dauerhaften negativen Kalzi- umbilanz mit Atrophie der knöcher- nen Strukturen, die auch Zähne, Kiefer und Alveolarfortsatz betrifft (Roberts et al., 1992). Eine häufig beobachtete Verän- derung des alternden Organismus ist die Veränderung der Zusammen- setzung der Magensäure, die mit ei- ner Erhöhung des pH-Werts einher- geht. Diese pH-Wert-Verschiebung hat einen hemmenden Effekt auf die intestinale Kalziumresorption. Der im höheren Lebensalter häufig zu messende erhöhte pH-Wert der Ma- gensäure führt zu einer weiteren Reduktion der Kalziumresorption. Eine altersbedingte Einschränkung der Nierenfunktion kann weiterhin die Dichte und Regenerationsfähig- keit des Knochengewebes syste- misch reduzieren: Grundlage dafür ist die eingeschränkte Mineralisa- tionsfähigkeit des Osteoids durch verminderte renale Kalziumauf- nahme. Für diese renale Funktions- einschränkung ist der Einfluss auf den Erfolg dentaler Implantation bereits untersucht: bei Patienten, deren Nierenfunktion gemessen an derKreatininclearanceunter50Pro- zent liegt, ist eine erhöhte Verlust- rate nach Implantation beschrieben (Malluche und Faugere, 1990). Versorgende Vaskularisation Eine Rarefizierung der Gefäß- versorgung, insbesondere nach Zahnverlust, ist ein weiteres typi- sches Merkmal des alternden Kno- chens. Diese Verringerung der Perfusion führt einerseits zu einer erhöhten Infektanfälligkeit des Kno- chens durch eine Einschränkung des Erregerabtransports in Kom - bination mit einer verminderten Bereitstellung von Abwehrzellen; andererseits entsteht durch das ab- nehmende Angebot von Sauerstoff und Nährstoffen eine Reduktion der Knochenapposition. Eine über- mäßige Denudierung des Knochens mit einer weiteren Unterbrechung der periostalen Blutgefäße ist daher zu vermeiden. Regressive Veränderungen der großen und kleinen Speicheldrüsen mit konsekutivem Speichelmangel und Xerostomie und einer Verschie- bung der Speichelqualität hin zu einer mehr muzinösen und viskösen Konsistenz kann negativen Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit der Mukosa und letztlich die Wund - heilung in der Mundhöhle nehmen (van Steenberghe et al., 2000). Trotz dieser vermeintlich un- günstigen Entwicklung der Knochen- physiologie und -morphologie ist in vergleichendenpro-undretrospekti- ven Untersuchungen keine systema- tisch erhöhte Implantatverlustrate bei älteren Patienten beschrieben, sodass das chronologische Alter des Patienten keine Kontraindikation und per se auch keinen Risikofaktor für einen zu erwartenden Implantat- verlust darstellt (McDermott et al., 2003; Renvert et al., 2014). Altersbedingte, physiologische Knochenveränderungen umfassen dieverminderteVitamin-D-Synthese, die eingeschränkte Kalziumresorp- tion, erhöhte Parathormon- bei ver- minderten Kalzitoninspiegeln und eine insgesamt erhöhte Turnover- Rate. Durch Nikotinabusus, wenig körperliche Aktivität, Leber- und Nierenerkrankungen und kalzium- arme Ernährung können diese Ef- fekte verstärkt werden. Um die knöcherne Regeneration zu optimieren, kann vor implanto - logischen Eingriffen eine internis- tische Abklärung und Behandlung von Magen- und Nierenerkrankun- gen und bei Bedarf eine peri - operative Nahrungsergänzung mit Kalzium und Vitamin D sinnvoll sein. Implantologie unter Polymedikation Vom Wissenschaftlichen Institut der AOK wurden die Top Ten der meistverschriebenen Medikamente des Jahres 2010 publiziert, die bis zu 20 Millionen Mal pro Jahr verordnet werden: Unter den zehn am häufigs - ten verordneten Medikamente befin- den sich in erster Linie Analgetika, Blutdrucksenker und Protonenpum- penhemmer. Etwa 30 Prozent dieser Arzneimittel werden zusammen mit 40 Prozent der frei verkäuflichen Medikamente von älteren Patienten eingenommen (Piraino, 1995). In Deutschland nimmt ein Groß- teil der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, typischerweise regel- mäßig und langfristig drei oder mehr Arzneimittel pro Tag ein. Die im höheren Lebensalter charakteris- tische Veränderung der Pharmako- kinetik und -dynamik erschwert die Vorhersehbarkeit der Arzneimittel- wirkung und -nebenwirkung weiter: Bei über 60-Jährigen steigt die Rate der unerwünschten Arzneimittel- wirkungenaufdasDoppelte;werden mehr als sechs Medikamente pa- rallel eingenommen liegt die Wahr- scheinlichkeit für das Auftreten von unerwünschten Wirkungen bei 25 Prozent. Nahezu alle häufig ver- ordneten Arzneimittel sind vor allem an unerwünschten Arzneimittelwir- kungen beteiligt, die in erster Linie ältere Patienten betreffen (Grandt Herausforderungen der Implantatversorgung bei alternden Patienten Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen mit dem allgegenwärtigen Begriff des demografischenWandels macht auch vor der zahnärztlichenVersorgung nicht halt. ÖkonomischerWohlstand und die Möglichkeiten der modernen Medizin beeinflussen die Lebenserwartung von Männern und Frauen positiv.Von Dr.Dr.Susanne Jung,Münster. 1 2 3 5 Abb. 1 und 2: Komplikationslose Implantation von vier interforaminären Implantaten bei einer 74-jährigen Patientin unter langjähriger Steroid- und Betablockermedikation mit fortgeschrittener mandibulärer Atrophie. – Abb. 3: Röntgenbild. DTG1114_34-35_Jung 28.10.14 12:33 Seite 1

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