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Die Kombination mechanischer und antibiotischer Maßnahmen bietet ein Konzept mit stabilen Langzeitergebnissen. Von Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernd W. Sigusch.

User Report PERIOTRIBUNE German Edition · Nr. 5/2010 · 5. Mai 201020 Parodontalpathogene Bakterien sind in der Lage, ausgehend vom Zahn- fleischsulkus in die parodontalen Ge- webeeinzudringen.1 Durchdendamit verbundenen Verlust der epithelialen Integrität kann in der Folge die Zahn- fleischtascheentstehenunddieGefahr einer Bakteriämie erhöht sich. In- zwischen ist bekannt, dass vorüberge- hende Bakteriämien beim Menschen nach dem Zähneputzen und nach Anwendung von Zahnseide entstehen können.3,5,19 Zunehmend wird in der Literatur auch über einen möglichen pathogenetischen Zusammenhang zwischen latenten chronischen Ent- zündungen und Störungen des Fett- stoffwechsels bzw. Herz-Kreislauf- Erkrankungen berichtet.2,10,11,21 So gilt inzwischen die Zahnfleischtasche als eine wichtige bakterielle Eintritts- pforte anaerober Bakterien bzw. ver- schiedener lokaler Zytokine in das Herz-Kreislauf-System. Für die des- truktiven Prozesse an den parodonta- len Geweben und am alveolären Kno- chen sind u. a. Agregatibacter actino- mycetemcomitansundPorphyromonas gingivalis verantwortlich (Abb. 1a–b). Es gibt aber zunehmend auch Hin- weise, dass gramnegative orale Bakte- rien in der Ätiologie der Arterioskle- rose eine Rolle spielen.6 Zambon et al. wiesen Porphyromonas gingivalis in arteriosklerotischen Plaques bei Pa- tienten mit koronarer Herzkrankheit nach.21 Genco et al. sprechen von einem erhöhten Risiko für Myokard- infarkte beim Nachweis von Porphy- romonas gingivalis und Tannerella forsythiainderZahnfleischtasche.2 VonderParodontalchirurgie zurParodontalmedizin Vor diesem Hintergrund ist ein Wandel der bisherigen Therapiemo- dalitäten für die häufig generalisiert auftretende Parodontitis dringend nötig. Insbesondere muss die Thera- pie auf die Eradikation der parodon- talpathogenen Bakterien gerichtet sein.ImVordergrunddertherapeuti- schen Bemühungen standen in den letzten Jahrzehnten chirurgische Maßnahmen zur Beseitigung der lokalisierten Gewebsinfektion an Zahnfleisch und Zahnhalteapparat, diemitzumTeilerheblichenGewebs- verlustenundentsprechendenästhe- tischen Problemen verbunden sind. AufgrunddergeschildertenErkennt- nisse sollte aber unbedingt eine neue Entwicklung eingeleitet werden. H. N. Newmann postulierte schon 1994: „Wir bewegen uns von einem Zeitalter der Parodontalchirurgie zu einem, das man mit Parodontal- medizin bezeichnen könnte.“9 Es wird zunehmend deutlich, dass das therapeutische Herangehen von einem neuen Denken geprägt sein muss, das die Parodontitis vor allem als lokale Infektion der parodontalen Weichgewebe und des Alveolarkno- chens versteht, die an vielen Stellen derDentitionauftretenkann.1,7,15 Für denklinischtätigenArztergebensich oftUnsicherheitenbeiderFestlegung des richtigen Behandlungskonzep- tes, besonders angesichts multipler Zahnfleischtaschenmitteilweiseaus- geprägtem Attachmentverlust und nicht selten massiver Pusentleerung. Die parodontalen Gewebe sind durch die parodontalpathogenen gramnegativen Anaerobier infi- ziert8,13,20 und es resultieren zum Teil erhebliche Gewebs- und Knochen- destruktionen, nicht selten auch schon bei jungen Erwachsenen. Bei der schweren aggressiven und chro- nischen Parodontitisform ist es häufig, dass die Bakterien noch nach alleiniger mechanischer Therapie persistieren.12 Deshalb werden The- rapiekonzepte benötigt, die die mechanische und antibiotische The- rapie sinnvoll miteinander verknüp- fen,4 um die pathogenen Bakterien möglichst an allen betroffenen Stel- len zu eradizieren und so die „Ein- trittspforte“ Parodont umfassend zu sanieren. Bisher gibt es unter- schiedliche Auffassungen, wann mit der Antibiotikatherapie begonnen werden sollte. Für den Behandlungserfolg ist es aus meiner Sicht entscheidend, den ersten Therapieschritt, das heißt die hygienische Vorbehandlung und Motivation des Patienten sowie die supra- und subgingivale Konkre- mententfernung deutlich von einem zweiten Schritt zu trennen, der me- chanischnurnochdieabschließende, aber akribische Wurzelglättung und Granulationsgewebsentfernung an allen Stellen der Dentition möglichst in einer Sitzung umfasst und nun sinnvoll eine adjuvante Antibioti- katherapie ermöglicht.14 Es konnte von uns nachgewiesen werden, dass durch die adjuvante Antibiotika- therapie im Rahmen des 2-Schritt- Konzeptes die Eradikationsmöglich- keit der wesentlichen parodontopa- thogenen Bakterien deutlich erhöht wird und sich Vorteile für das klini- sche Langzeitergebnis ergeben.16 2-Schritt-Behandlungsprotokoll Die Behandlung erfolgte in zwei Hauptschritten: 1. Schritt: Systematische initiale supra- und subgingivale Konkre- mententfernung in jedem Quadran- ten (ca. drei bis vier Sitzungen, z.B. unter Verwendung von Hu-Friedy- Prophylaxeküretten (Abb.2a–b). 2. Schritt: Akribisches verstärktes Wurzelglätten an allen Wurzelflächen mit Handinstrumenten (Finierküret- ten)ineinerodereinerzweitenzeitlich eng benachbarten Sitzung (bis maxi- mal übernächstem Tag), Zahnfleisch- verband,z.B.VOCOpac® (Fa.VOCO), und adjuvanter Antibiotikagabe für achtTage,dienurbeiPatientenmitag- gressiver Parodontitis aus einer Me- tronidazolmedikation und sonst aus Clindamycinbestehensollte.16 Ziel des 2-Schritt-Konzeptes ist eine Elimination aller tiefen Zahn- fleischtaschendesMundes(„Sondie- rungstiefenziel“ < 4 mm) und eine Eradikation der wahrscheinlich auch systemisch wirksamen parodontal- pathogenen Bakterien, unter ande- rem Porphyromonas gingivalis. MethodikzweiterTherapieschritt Es sollte wie folgt vorgegangen werden: Nach dem ersten Schritt,der sorgfältigen Entfernung des supra- und subgingivalen Zahnsteins ein- schließlich Motivation des Patienten während etwa drei bis vier jeweils circa einstündigen Sitzungen durch die Dentalhygienikerin, erfolgt mit einem zweiten Schritt die Phase der eigentlichen Taschenelimination. Diese wird als gewebeschonende ge- schlossene Kürettage mittels Gracey- Finierküretten (z.B.American Eagle) durchgeführt. Die Wurzeloberflä- chenallerParodontiendesOber-und UnterkieferswerdeninAbhängigkeit von der Sondierungstiefe jeweils fünf- bis 30-mal in einer oder spätes- tens einer zweiten Sitzung am nächs- ten Tag geglättet. Mit der stumpfen Kürettenseite erfolgt simultan die schonende Weichgewebskürettage zur Entfernung des entzündlichen Granulationsgewebes (Abb.3a–c).14 Dieser zweite Schritt wird zwin- gend handinstrumentell durchge- führt, denn durch die maschinenbe- triebene Wurzelglättung, einschließ- lich Wasserkühlung, kommt es zur Störung des Blutkoagulums im kapil- lären Spalt Zahnfleischtasche/Zahn- wurzel. Da ein gut organisiertes Blut- koagulum die Basis für jeden Wund- heilungsvorgang ist,wird nur so auch das Reattachment und somit der „Taschenverschluss“ gefördert. Zu- trittvonWasserbzw.Speichelstörtdas Koagulum im Taschenspalt und för- dert die innere epitheliale Ausschei- dung der Zahnfleischtasche. Um die fibrinolytischeAktivitätdesSpeichels zu minimieren,werden alle Patienten nach dem zweiten Schritt im Ober- und Unterkiefer mit einem Wund- verband (VOCOpac® ) versorgt.17 Die adjuvante Antibiose erfolgt bei schwerer chronischer Parodontitis mit 2 x 600 mg Clinda-saar® für acht Tage und bei aggressiver Parodontitis mitMetronidazol2x500mgVagimid für acht Tage.16,18 Die Kontrollunter- suchungen werden im ersten Halb- jahr alle vier Wochen, danach alle zwölf Wochen und vom 24. bis zum Die2-Schritt-TherapiebeischwererParodontitis Die Kombination mechanischer und antibiotischer Maßnahmen bietet ein Konzept mit stabilen Langzeitergebnissen. Von Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernd W. Sigusch. Abb. 1: 48-jähriger Patient mit aggressiver Parodontitis. a) Pus- entleerung. b) Sehr hohe Son- dierungstiefen und massive Blu- tung nach Sondierung. – Abb. 2: 30-jähriger Patient mit aggres- siverParodontitis.a)VorderVor- behandlung (erster Schritt). b) Klinisches Bild (Reduktion der Entzündung) – nach dem ersten Therapieschritt, sichtbarer Rück- gang der Entzündung, aber vor geschlossener Kürettage (zweiter Schritt), noch ohne deutliche Reduktion der Sondierungstiefe. – Abb.3: 36-jährige Patientin mit aggressiver Parodontitis. a)Vor dem ersten Therapieschritt mit multiplen Parodontalabszes- sen.b)ZumZeitpunktdeszweiten Therapieschrittes ist schon eine deutliche Entzündungsreaktion, aber noch fehlende Tascheneli- mination erkennbar. c) Zwölf Monate nach dem zweiten Therapieschritt. – Abb. 4: a–b) Vor 2-Schritt-Therapie, 45-jähriger Patient mit generalisierterschwereraggressiverParodontitis.c–d)SechsMonatenach2-Schritt-Therapie. 1a 1b 2a 2b 3a 4a 4b 4c 4d 3b 3c www.zwp-online.info FINDEN STATT SUCHEN. 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