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Dental Tribune German Edition No.5, 2017

8 Science DENTAL TRIBUNE · German Edition · Nr. 5/2017 Betreuung von Hochrisikopatienten durch Prophylaxeassistentinnen?! Pilotprojekt des Arbeitskreises Mundgesundheit im Alter verfolgt neuen Ansatz. Von Dr. Lukas Gnädinger, Seewen, Schweiz. Im Konzept zur Verbesserung der zahnmedizinischen Betreuung pfl e- gebedürftiger Mitmenschen, das in der Stadt Zürich vom Zentrum für Zahnmedizin und in Pilotregionen der Zentralschweiz durch den Ar- beitskreis Mundgesundheit im Alter verfolgt wird, gehört als einer der zentralen Bausteine der praxis- externe Einsatz von Prophylaxe- assistentinnen (PAss) dazu. Man kann sich verständlicherweise fra- gen, ob PAss für das selbstständige Arbeiten ohne direkte Aufsicht eines Zahnarztes die richtige Wahl sind. Sind sie kompetent genug, hoch pf legebedürftige Risikopatienten oder evtl. gar Hochrisikopatienten betreuen zu können? Betreuungsvakuum verhindern Das Betreuungskonzept verfolgt drei Stoßrichtungen: Schulung des Personals von Institutionen und Spitex-Organisationen mit prakti- schen Übungen direkt an den Betag- ten, eine Triagierung jedes zu be- treuenden Senioren durch den lei- tenden Zahnarzt und Pfl egeleistun- gen durch PAss. Prinzipiell gilt: Wer mobil ist, soll möglichst lange von seinem Zahnarzt der Wahl in dessen Praxis weiterbetreut werden. Das Team aus Zahnarzt, Dentalhygieni- kerin und PAss bietet hier dank op- timaler Infrastruktur die beste Be- treuung in vertrautem Umfeld. Die Patienten sollen bewusst angehalten 1 Abb. 1: Seniorin in einer Pfl egeeinrichtung. – Abb. 2: Polymedikation im Alter. Realität „Lebensabend“ Auch wenn es sich viele wün- schen, die letzten Jahre ihres Le- bens lange vital und glücklich ver- bringen zu können, sieht die Reali- tät „Lebensabend“ oft anders aus. Einzelne kleinere Gebrechen rei- hen sich aneinander, schwerere Krankheiten folgen. In den meis- ten Fällen handelt es sich um chro- nische, nicht ansteckende Erkran- kungen und Behinderungen. Mehr und mehr Medikamente werden dem geistigen, körperlichen und psychischen Gesundheitszustand der betroffenen Menschen. Behandlungsrisiken Polymorbidität, Polymedika- tion und ein alterndes Immunsys- tem sorgen für zunehmende Be- handlungsrisiken. Gelangen Kühl- wasser, alte Füllungsreststücke oder Bohrschlamm in die Luft- röhre, kann leicht eine Lungenent- zündung die Folge sein. Bei rund „Mit einer obligatorischen Zusatzausbildung in Alterszahnpfl ege ist die PA die ideale Besetzung und bestens vorbereitet für die in Pfl egeheimen anstehenden Aufgaben.“ werden, aktiv zu bleiben und mög- lichst lange selbstständig einzukau- fen, die Jass- oder Kaffeerunde zu besuchen oder eben Arzt- und Zahnarzttermine wahrzunehmen. Mit Nachdruck soll auf das Einhal- ten des Recalls bestanden werden. Erst wenn die Pfl egebedürftigkeit einen Grad erreicht hat, bei dem ein Transport in puncto Aufwand und Gesundheitsbelastung nicht mehr zu vertreten ist, soll unser Angebot ein mögliches Betreuungsvakuum verhindern. verschrieben. Ob man will oder nicht: Irgendwann sinkt die Mobi- lität, die motorischen und kogni- tiven Fähigkeiten nehmen ab. Gleichzeitig werden immer mehr Menschen mit immer mehr Zäh- nen und Implantaten älter. Kom- plexe prothetische Versorgungen bedürfen eines gleichbleibend hohen Pfl egeaufwandes. Der Zustand der Mundversorgung steht in einer direkten und indirekten Wechsel- wirkung mit den Medikamenten und ihren Nebenwirkungen und einem Drittel der institutionali- sierten Mitmenschen besteht ein erhöhtes Risiko für Aspirations- pneumonie, auch als Folge von Schluckstörungen. Patienten, die an neurodegene- rativen Störungen erkrankt sind, unterliegen einem noch höheren Risiko für Lungenentzündungen. Chirurgische Interventionen bei an- tikoagulierten Patienten erfordern unter Umständen die Rücksprache mit dem Arzt, eine Medikations- anpassung oder zusätzliche lokale wäre aber per defi nitionem falsch, jeden gebrechlichen älteren Patien- ten als Hochrisikopatienten zu be- zeichnen. Die Begriffl ichkeit „Hoch- risiko“ bezieht sich wie bei der Endo- karditis auf die Klassifi zierung des Risikos, unter bestimmten Voraus- setzungen eine spezifi sche Erkran- kung zu erleiden. Ob dieser Droh- kulisse ist es verständlich und in den meisten Fällen auch richtig, wenn Zahnärzte und Dentalhygienikerin- nen mit Therapien zurückhaltend sind. Klassische rekonstruktive oder parodontaltherapeutische zahn- ärztliche Behandlungen sind ange- sichts der geringen Lebenserwar- tung der Pfl egeheimbewohner von durchschnittlichen ein bis zwei Jah- 2 Blutstillungsmaßnahmen. Komor- biditäten wie koronare Arterien- erkrankung, Diabetes oder Antiko- agulation können die Wundheilung beeinträchtigen. Bei Patienten mit einer intravenösen Bisphosphonat- Therapie besteht für chirurgische Eingriffe ein erhöhtes Osteonekro- serisiko. Bakteriämien gehören zum Alltag, vor allem zum Pfl egeheim- Alltag. Jedes Zähneputzen, jedes Po- Wischen, jede Wundbehandlung birgt das Risiko für eine Bakterien- verschleppung über die Blutbahnen. Therapien in der Mundhöhle kön- nen wegen der hohen Bakterienbe- siedelung und zum Teil großfl ächi- ger Schleimhautentzündungen eine schwere Belastung für den Körper darstellen. Ist der Patient Träger eines Herzklappenersatzes, hat er einen angeborenen Herzfehler oder hat er bereits einmal eine Entzün- dung der Herzinnenhaut durchge- macht, wird er bezüglich Endokar- ditis als Hochrisikopatient einge- stuft und muss entsprechend anti- biotisch abgeschirmt werden. Es ren meistens kaum mehr sinnvoll. Umso wichtiger ist es, dass thera- peutische Weichen vorausschauend im 3. Lebensalter gestellt werden! Gretchenfrage: Leben unsere hochbetagten Mitmenschen „dank Nichtbetreuung“ gar länger? Bakterienreservoir Mundhöhle Der häufi gste – wenn nicht gar der Regelfall – ist der, dass unsere Stammkunden irgendwann aus dem Recall-System ausscheiden. Die Last der Alltagssorgen, Spitalaufenthalte, eine freiwillige oder unfreiwillige Rückgabe des Führerscheins oder der Verlust des Partners lassen die jährliche Dentalprophylaxe zur Ne- bensache werden. Schließlich tut ja nichts weh … Der schleichende Ver- lust der motorischen Fähigkeit, seine Zähne genügend zu pfl egen, wird kaum bemerkt. Mit der Abnahme der Mund- pfl ege und dem Wachsen der Beläge nehmen interessanterweise fast die- selben Gesundheitsrisiken zu, die wir bereits als Behandlungsrisiken 3 4 5 Abb. 3: Beläge und Gingivitis. – Abb. 4: Ungenügende Mundhygiene. – Abb. 5: Schmutzige Prothese.

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