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Dental Tribune German Edition No.5, 2017

20 CME DENTAL TRIBUNE · D-A-CH Edition · Nr. 5/2017 Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes Zu beachtende Auswirkungen in der Patientenberatung – kompakt vorgestellt von Prof. Dr. Peter Hahner und Prof. Dr. Georg Gaßmann, beide Köln. Seit Langem wird der Zusammen- hang zwischen einer Diabetes- erkrankung und dem Fortschreiten der Parodontitis diskutiert. So ist aus zahlreichen Studien bekannt, dass durch einen bestehenden Diabetes mellitus (DM) das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken, um den Faktor 3 – 4 erhöht ist.41 In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass bei Diabetikern (Typ 2) mit einem um etwa einen Millimeter höheren Verlust von klinischem At- tachment gegenüber vergleichbaren Nichtdiabetikern zu rechnen ist.5 In dieser Metaanalyse ließ sich keine signifi kante Korrelation zwischen der parodontalen Gewebedestruktion und einem Typ-1-Diabetes nachwei- sen. Dagegen fanden Lalla und Mitar- beiter bei Patienten mit DM Typ 1 eine deutlich früher, teilweise schon im Kindesalter, einsetzende Progres- sion der Parodontitis.20, 21 Korrelation zwischen Diabetes und Parodontitis Nicht die Diabetesdiagnose an sich, sondern eine länger andauernde Hyperglykämie als Kennzeichen des schlecht kontrollierten Diabetes ist mit zusätzlichen parodontalen Pro- blemen assoziiert. Es besteht eine di- rekte Korrelation zwischen dem Aus- maß der Hyperglykämie und den Sondierungstiefen6 und ebenso zum parodontalen Knochenverlust.41 Dies gilt auch für den Therapieerfolg nach nichtchirurgischer und chirurgischer PA-Therapie. Bei guter metabolischer Einstellung kann hingegen mit ähnli- chem Krankheitsverlauf und Thera- pieresultaten wie bei Nichtdiabeti- kern gerechnet werden. Die Parodon- titis muss also neben den schon lange bekannten Diabetesfolgen Retinopa- thien, Nephropathien, Neuropathien, Mikro- und Makroangiopathien als typische Komplikation einer länger bestehenden Hyperglykämie angese- hen werden.25 Schon eine prädiabeti- sche Stoffwechsellage scheint Einfl uss auf die parodontale Situation zu haben.23 Bei übergewichtigen (Body-Mass- Index [BMI] 25 – 29,99 kg/m2) und adipösen Patienten (BMI > 30 kg/m2) wurden ähnliche Beobachtungen ge- macht: Das Parodontitisrisiko war in beiden Gruppen signifi kant erhöht.38 Eben so scheint eine Adipositas den Therapieerfolg der antiinfektiven PA-Therapie besonders bei fortge- schrittener Parodontitis zu beein- trächtigen.3 In diesem Zusammen- hang ist wahrscheinlich auch das Phä- nomen zu sehen, dass durch erhöhte körperliche Aktivität das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken und parodontalen Knochenverlust zu er- leiden, reduziert werden kann.26 Gleichzeitig gibt es vermehrte Evidenz für eine wechselseitige Be- einfl ussung beider Krankheitsbilder. Aus epidemiologischen Beobachtun- gen ist bekannt, dass parodontal er- krankte Personen eher ein metabo- lisches Syndrom entwickeln.27 Die Existenz tiefer parodontaler Taschen ist signifi kant mit der Entwicklung ei- ner eingeschränkten Glukosetoleranz vergesellschaftet: Eine Parodontitis 1 2 Abb. 1: Medikamentös bedingte gingivale Vermehrung durch Nifedipin bei einer Patientin mit einer Diabetes-assoziierten Parodon- titis. – Abb. 2: Intraorale Situation derselben Patientin nach systematischer PA-Therapie unter Doxycyclin nach Umstellung der Medikation von Nifedipin auf einen ACE-Hemmer, ein Diuretikum und einen Betablocker. © ah_designs/Shutterstock.com kann der entscheidende Faktor sein, dass sich ein prädiabetischer Zustand zu einem manifesten Diabetes weiter- entwickelt.32 Die parodontale Entzün- dung ist ein Risikofaktor für einen prädiabetischen Zustand.2 Eine zu- nehmende Glukoseintoleranz und ein steigender HbA1c-Wert stehen bei an Parodontitis erkrankten Personen im direkten Zusammenhang mit dem Ausmaß des klinischen Attachment- verlustes.9, 31 Das Risiko zur Ausbil- dung eines Diabetes Typ 2 ist abhän- gig vom Schweregrad der parodonta- len Erkrankung.8 Weitere Einzelheiten zu den Wech- selbeziehungen beider Erkrankungen, zu Besonderheiten der PA-Therapie bei Diabetikern und deren Auswirkungen sowie zu Möglichkeiten der frühzeitigen Diabetesdiagnose in der Zahnarztpra- xis werden im ausführlichen CME-Ar- tikel, abrufbar als QR-Code, erläutert. Besonderheiten der Betreuung in der Praxis Aus den vorwiegend klinischen Daten zur Wechselbeziehung zwi- schen Parodontitis und Diabetes lässt sich ablesen, dass zur optimalen be- darfsgerechten Therapie einige Be- sonderheiten in Beratung und Be- handlung zu berücksichtigen sind sowie eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Internisten angestrebt werden sollte. Ein erster Schritt hierzu wäre, Informationen über die dargestell - ten Zusammenhänge zwischen den Krankheitsbildern sowohl bei Patien- ten als auch bei Therapeuten der un- terschiedlichen Fachdisziplinen zu verbreiten. Wie Befragungen bei Zahnärzten, Parodontologen19 und Internisten34 zeigen, besteht Bedarf zur Optimierung des Kenntnisstandes und der Umsetzung in der täg lichen Praxis. Für die Betreuung in der zahn- ärztlichen Praxis ergeben sich fol- gende Konsequenzen: • Der Erhebung einer detaillierten Anamnese kommt eine große Be- deutung zu: Es sollte nach dem Diabetes-Typ, den aktuellen Stoff- wechselwerten, dem Zeitpunkt der Erstdiagnose, evtl. schon eingetre- tenen Folgekomplikationen und nach der medikamentösen Thera- pie gefragt werden. Die Anamnese muss regelmäßig aktualisiert wer- den. • Bei Patienten mit bekannter Dia- beteserkrankung sollte regelmäßig der konsiliarische Kontakt zum Diabetologen oder Internisten ge- sucht werden. Neben dem wichti- gen Austausch von Informationen über parodontale und diabetologi- sche Befunde und laufende The- rapien ist auch an das häufi ge Vorkommen von weiteren inter- nistischen Krankheitsbildern zu denken, die Einfl uss auf die zahn- ärztliche Therapie insgesamt oder auf den parodontalen Befund ha- ben können (Abb. 1 und 2). • Patienten mit hohen oder stark schwankenden Blutglukosewerten (HbA1c > 7 % oder Blutglukose nüchtern > 100 mg/dl) sollten vor einer umfangreicheren Behand- lung zu einem diabetologischen Konsil überwiesen werden. • Diabetiker müssen intensiv über die bestehenden Zusammenhänge zwischen ihrer Diabeteserkran- kung und einer möglichen Paro- dontitis und den Nutzen einer PA- Therapie informiert werden. Es ist wichtig, dass den Patienten der chronische Charakter beider Krankheitsbilder verdeutlicht wird, um den Bedarf für ständig wieder- kehrende therapeutische Interven- tionen zu begründen. Wünschens- wert über die individuelle Beratung in der Praxis hinaus wären ergän- zende Aktivitäten des zahnmedizi- nischen Fachpersonals (Zahnärzte, DHs in der Patientenberatung, z. B. in Selbsthilfegruppen für Diabe- tiker. • Der parodontale Zustand von Dia- betikern muss zumindest einmal jährlich anhand das Parodontalen Screening Index (PSI) kontrolliert werden, um dem erhöhten Paro- dontitisrisiko Rechnung zu tragen und eine rechtzeitige Diagnose si- cherzustellen. Bei Verdacht auf eine bestehende Parodontitis ist eine vollständige parodontale Befund- erhebung notwendig. • Diabetiker benötigen eine intensive präventive Betreuung mit kürzeren Recallintervallen und, bei Bedarf, • eine sorgfältige Parodontalbehand- lung mit einer engmaschigen Er- haltungstherapie (UPT).10, 4 • Bei schlecht eingestelltem Diabetes und schweren parodontalen Befun- den ist eine adjuvante antibiotische Therapie in Erwägung zu ziehen. CME-Fortbildung 2 CME-Punkte Auswirkungen der Assoziation zwischen Parodontitis und Diabetes in der Patientenberatung Prof. Dr. Peter Hahner, Prof. Dr. Georg Gaßmann Infos zur CME-Fortbildung auf ZWP online Literatur CME-ID 78204 Zum Beantworten dieses Fragebogens registrieren Sie sich bitte unter: www.zwp-online.info/cme-fortbildung • Parodontitispatienten, die anam- nestisch Risikofaktoren für einen Diabetes zeigen (z. B. erbliche Be- lastung, erhöhter BMI) oder/und bei denen die indikationsgerechte parodontale Therapie nicht zu den zu erwartenden Verbesserungen der Befunde geführt hat, sollten zur Abklärung eines bestehenden Dia- betes an einen Diabetologen über- wiesen werden. Dem Screening von bisher unbekannten Diabetes- erkrankungen in der Zahnarzt- praxis sollte in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Viele Patienten suchen außer einer vielleicht einmal jährlichen zahn- ärztlichen Untersuchung für das Bonusheft der gesetzlichen Kran- kenversicherung ohne konkreten Anlass keinen Arzt auf, sodass dem zahnärztlichen Team eine beson- dere Verantwortung für die Früh- erkennung nicht nur oraler Er- krankungen zufällt. • Ergänzend können mit kommer- ziell verfügbaren Schnelltests für den Blutglukosespiegel oder den HbA1c-Wert auch in der Zahnarzt- praxis erste Hinweise auf Diabetes gefunden werden, die zur Unter- stützung in der Patientenberatung und -motivation hilfreich sind. We- gen der verfahrensbedingten Mess- ungenauigkeiten ist für die defi ni- tive Diagnose eine Überprüfung und Bestätigung dieser Messungen in der diabetologischen Praxis zwingend erforderlich. DT Infos zum Autor Prof. Dr. Peter Hahner Infos zum Autor Prof. Dr. Georg Gaßmann CME-Artikel Kontakt Prof. Dr. Peter Hahner Prof. Dr. Georg Gaßmann praxisHochschule Neusser Straße 99 50670 Köln, Deutschland p.hahner@praxishochschule.de g.gassmann@praxishochschule.de www.praxishochschule.de

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