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Dental Tribune Austrian Edition No.1, 2017

10 DENTAL TRIBUNE · Austrian Edition · Nr. 1/2017 Science Science Bisphosphonate und andere antiresorptive Medikamente Relevante Aspekte für den zahnärztlichen Praxisalltag. Von PD Dr. Dr. Heinz-Theo Lübbers, Winterthur, Schweiz. In den letzten zehn Jahren ist das Thema „Bisphosphonate“ im zahn­ ärztlichen Behandlungsalltag zuneh­ mend wichtiger geworden. Neben den bekannten Kiefernekrosen als schwerwiegendes therapeutisches Problem stellt sich vor allem die Frage, ob und wie zu deren Vermei­ dung bei Patienten mit einer ent­ sprechenden Medikamentenanam­ nese vorgegangen werden muss. Braucht es spezielle Abklärungen, angepasste Therapiekonzepte oder zumindest begleitende Maßnah­ men? Der vorliegende Artikel soll für die häufigsten Fragen im zahnärzt­ lichen Alltag Lösungen aufzeigen. Einleitung Der Begriff der „antiresorptiven Therapie“ umschreibt eine medika­ mentöse Behandlung, welche durch ihre Beeinflussung des Knochen­ stoffwechsels zu einer„Verdichtung“ des Knochens führt. Eingesetzt wird diese Therapie sowohl bei malignen Tumoren (v.  a. multiples Myelom, Mamma- und Prostata-Karzinom) als auch bei der Osteoporose und dem Morbus Paget.1 Die hierbei ein­ gesetzten für Zahnärzte relevanten Medikamentengruppen sind Bis­ phosphonate und monoklonale An­ tikörper (Tab. 1). Ihr Wirkmechanismus unter­ scheidet sich je nach eingesetztem Medikamententyp und ist im Detail auch nicht vollständig geklärt. Allen diesen Medikamenten ist jedoch ge­ mein, dass sie den Knochenstoff­ wechsel vorwiegend durch Hem­ mung der Osteoklasten so verän­ dern, dass eine positive Bilanz zu­ gunsten des Knochenaufbaus entsteht. Besonders stark ist dieser Effekt konsequenterweise in Berei­ chen mit erhöhtem Turn­ over (Tu­ mormetastasen, Traumata).2 Ein­ fach gesagt und auch klinisch-chir­ urgisch beobachtbar, resultiert ein sehr kompakter,kaum durchbluteter Knochen, welcher mechanisch stabil und außerdem widerstandsfähig ge­ gen Tumormetastasen ist. Der (zahnmedizinische) Preis ist bekanntermaßen eine verminderte biologischeWiderstandsfähigkeit des Knochens.Schon bei vergleichsweise banalen Traumata wie Zahn­ extraktionen ist die Regenerations­ fähigkeit des Kieferknochens unter Umständen überfordert.2005 wurde erstmals über „bisphosphonatindu­ zierte“ Kieferknochennekrosen be­ richtet, welche äußerst schlecht hei­ len.3 Für diese hat sich heute die offenere Bezeichnung der „medika­ menten-assoziierten Osteonekrose des Kiefers“ (engl.„medication-rela­ ted osteonecrosis of the jaw“ = MRONJ) durchgesetzt. Die Behand­ lung der MRONJ ist in jedem (!) Sta­ dium anspruchsvoll und benötigt umfassendes Know-how. Auch bei optimaler Behandlung ist aber mit höheren Rezidivraten als bei ande­ ren Knochen­ erkrankungen zu rech­ nen.1 Konsequenterweise gilt für die MRONJ noch mehr als für andere Erkrankungen: „Vorbeugen ist bes­ ser als Heilen.“ Der vorliegende Artikel zeigt, wo und wie im zahnärztlichen Alltag Be­ handlungskonzepte angepasst resp. ergänzt werden müssen, um Misser­ folgen und Komplikationen bei Pa­ tienten unter antiresorptiver Thera­ pie vorzubeugen. Er basiert im We­ sentlichen auf den mittlerweile zahl­ reich verfügbaren Richtlinien und Konsensuspapieren.1, 4–6 Risikoprofile Durch die Vielzahl der verfügba­ ren Medikamente (Tab. 1) ist es oft nicht ganz einfach abzuklären, ob ein Patient überhaupt antiresorptive Medikamente einnimmt. Dazu kommt, dass je nach Häufigkeit und Dosierung verschiedene Risikogrup­ pen unterschieden werden müssen. In der Regel unterteilt man heutzu­ tage die Risikogruppen 1 (meist Os­ teoporosebehandlungen) bis 3 (vor allem Tumorerkrankungen). Diese Gruppen unterscheiden sich neben dem MRONJ-Risiko auch bezüglich Indikation, Dosierung und Modali­ tät der Medikamentengabe. Die Ein­ teilung ist eine wichtige Entschei­ dungsgrundlage im Zusammenhang mit zahnärztlichen Behandlungen. Eine Übersicht gibt Tabelle 2. Es gilt allerdings zu beachten, dass die Risi­ ken auch innerhalb der jeweiligen Gruppe noch variieren können. Dies unter anderem deshalb, weil das Ri­ siko mit zunehmender Behand­ lungsdauer auch bei ansonsten un­ veränderten Parametern ansteigt. Auffallend ist zudem, dass es eine deutliche Zunahme der beobachte­ ten Osteone­ kroseprävalenz gibt, so­ bald gezielt nach solchen gesucht wird.So steigt beispielsweise die Prä­ valenz einer MRONJ bei Multiplem Myelom von 4,9 Prozent ohne Ins­ pektion auf 20,5 Prozent mit geziel­ ter Inspektion.1, 7 Man muss davon ausgehen, dass diese Tatsache insbe­ sondere der oft völligen Schmerzlo­ sigkeit der Läsionen geschuldet ist. Dies ist jedoch selbstverständlich überhaupt kein Grund, entspre­ chende Nekrosen nicht aktiv zu su­ chen oder sie bei Entdeckung gar zu ignorieren. Über die obige Einteilung hinaus hat sich der radiologischeVerlauf der Knochenheilung beispielsweise in Extraktionsalveolen als wertvolles und gleichzeitig einfach zu erheben­ des Kriterium für die Regenerations­ fähigkeit des Knochens erwiesen. Weitere Kriterien wie z.  B. die Messung der Knochendichte8 oder auch die Bestimmung von Knochen­ markern im Blut (CTX)1 haben sich nicht als wissenschaftlich haltbar oder für den klinischen Alltag hilf­ reich erwiesen. Herdabklärung vor antiresorptiver Therapie Kernstück der MRONJ-Pro­ phylaxe ist eine sorgfältige zahnärzt­ liche Abklärung vor Beginn der anti­ resorptiven Therapie, um bekannte dentale Risiken (Tab. 3) auszuschal­ ten. Im klinischen Alltag wird dabei immer wieder diskutiert, wie weit die Herdsanierung gehen soll. Sicher müssen akute und chronische Herde saniert und die Mundhygiene optimiert werden.4 Unauffällige wur­ zelgefüllte Zähne und auch Zahnim­ plantate können hingegen problem­ los verbleiben. Avitale Zähne sollten einer Wurzelkanalbehandlung un­ terzogen werden.1 Schwieriger wird die Entscheidung bei klinisch unauf­ fälligen apikalen Veränderungen an wurzelgefüllten Zähnen. Einen Überblick über die zu sanierenden Foci gemäß1 gibt Tabelle 4. Unstrittig ist auf jeden Fall, dass eine Vorstellung beim Zahnarzt oder MKG-Chirurgen zur Herdabklä­ rung und Sanierung durchgeführt werden muss. Dies natürlich grund­ sätzlich vor Beginn der antiresorpti­ ven Therapie.Hierzu wurde auch ein entsprechender Laufzettel der Ar­ beitsgemeinschaft Supportive Maß­ nahmen in der Onkologie entwi­ ckelt.9 Er kann für die entsprechende zahnärztliche/fachärztliche Abklä­ rung zur Anwendung kommen.1 Wurde die Herdabklärung vor The­ rapiebeginn „verpasst“ oder war sie z.  B. aufgrund hoher Dringlichkeit bei der Behandlung der Grund­ erkrankung nicht rechtzeitig durch­ führbar, so sollte sie schnellstmög­ lich nachgeholt werden. Die Rolle der DVT Mit der Entdeckung der Rönt­ genstrahlung10 und dann vor allem der Einführung der Computertomo­ grafie11 wurde die Beurteilung der in­ dividuellen Patientenanatomie mög­ lich.12 Für die Zahnmedizin bahn­ brechend war diesbezüglich die Digi­ tale Volumentomografie (DVT).13 Sie ist mittlerweile breit verfügbar und ermöglicht bei zunehmend ge­ ringer Strahlenbelastung die drei­ dimensionale Darstellung von Hart­ geweben mit Ortsauflösungen von unter 0,1 mm.14 Aufgrund dieser Ei­ genschaften ist die DVT Bildge­ bungsmethode der Wahl für immer mehr Situationen in der Zahnmedi­ zin.15, 16 Zur initialen Standortbe­ stimmung ist die DVT erwägenswert aber der klinischen Untersuchung nachgeordnet.Je nach klinischer Fra­ gestellung17, 18 kommt sie aber zur si­ cheren und umgehenden Fokus­ erkennung eher großzügiger zur An­ wendung als bei Patienten ohne anti­ resorptive Therapie. Ab Stadium 1 der MRONJ ist eine dreidimensio­ nale Bildgebung empfohlen. Dies insbesondere, wenn eine operative Therapie im Raum steht resp. kon­ kret geplant ist.1 Grundsätze der Behandlung bei laufender antiresorptiver Therapie Insbesondere  dentoalveoläre Operationen sind der Hauptrisiko­ faktor für die Entwicklung einer Os­ teonekrose. In über der Hälfte der Fälle war verschiedenen Studien zu­ folge eine Zahnextraktion Auslöser für eine Medikamenten-assoziierte Osteonekrose.6, 19–21 Bei insgesamt schlechter Datenlage wird das Risiko für eine Osteonekrose nach Zahnex­ BISPHOSPHONATE Wirkstoff Markenname Alendronsäure/Alendronat Fosamax® , Fosavance® , Tevanate® , Tevabone® , verschiedene Generika Ibandronsäure/Ibandronat Bondenza® , Bondronat® , Bonviva® Destara® , verschiedene Generika Risedronsäure/Risedronat Actonel® , verschiedene Generika Zoledronsäure/Zoledronat Aclasta® , Zoledro-Denk® , Zometa® MONOKLONALE ANTIKÖRPER Wirkstoff Markenname Bevacizumab Avastin® Denosumab Prolia® Tabelle 1: Übersicht über die gebräuchlichsten Wirkstoffe und Markennamen (Deutsch­ land, Österreich und Schweiz) hinter denen sich für die Zahnmedizin relevante anti­ resorptive Medikamente verbergen. 1 3 2 Abb. 1: Nicht heilende Extraktionsalveole einen Monat nach Zahnextraktion unter Bisphosphonaten (zehn Jahre i.v.-Gabe wegen Os­ teoporose). Typisch kreidig weißlicher Knochen. – Abb. 2: Befund aus Abbildung 1. Nun gut ein halbes Jahr später. Weiterhin keine adäquate Heilung. Knochen zwischenzeitlich gräulich verfärbt. Ein operativer Verschluss wird von der Patientin abgelehnt. – Abb. 3: Radiologische Kontrolle einer nicht behandelten Jochbeinfraktur links zwölf Monate nach dem Trauma. Frakturspalten bei nicht ad­ äquater Knochenheilung unverändert gut abgrenzbar. (Patientin unter oralen Bisphosphonaten seit zwei Jahren.) Risikoprofil Indikation der antire- sorptiven Medikation Dosierung Prävalenz von Kiefer­osteonekrosen Niedrig primäre Osteoporose oral (z. B. Alendronat) oder iv(z.B. Zoledronat 5 mg alle 12 Monate) 0,1% BP-Medikation < 4 Jahre: 0,04 % BP-Medikation > 4 Jahre: 0,21 % Tw. Prävalenzen bis 4% beschrieben! Mittel Therapie-induzierte Osteoporose i.v. (z.B. Zole- dronat 4 mg alle 6 Mo.) 1 % Hoch Ossäre Metastasen so- lider Tumore, Multiples Myelom i.v. (z.B. Zole- dronat 4 mg alle 4 Wochen) 1 bis 19 % Tabelle 2: Risikoprofile bei der Einnahme antiresorptiver Medikamente.1 zahnmedizinisch Invasive Zahnbehandlungen Parodontale Erkrankungen Lokale Eiterherde Schlecht sitzende Zahnprothesen medizinisch Bestrahlungstherapie der Kopf-Hals-Region Chemotherapie Glukokortikoid-Therapie Anämie Dialysepflichtigkeit patientenseits Rauchen, Diabetes, Osteoporose Mangelnde Mundhygiene Alter über 65 Jahre Tabelle 3: Risikofaktoren für die Entstehung einer MRONJ.4,32 Literatur DTA0117_10-12_Science.indd 10 26.01.17 14:22 13 DTA0117_10-12_Science.indd 1026.01.1714:22

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