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Dental Tribune Swiss Edition No.6, 2016

20 Continuing Education DENTAL TRIBUNE Swiss Edition Nr. 6/2016 · 17. Juni 2016 Wissenschafter der Charité – Uni- versitätsmedizin Berlin konnten nun zeigen, dass Dentin in seiner Zusammensetzung langlebiger als jedes künstlich geschaffene Mate- rial ist. Der Grund dafür liegt in seinen winzigen Nanostrukturen und hier insbesondere im Wechsel- spiel der einzelnen Komponenten. Die präzise Interaktion zwischen Proteinfasern und mineralischen Nanopartikeln ist dafür verant- wortlich, dass Dentin ausgespro- chen hohem Druck standhalten kann, wie Messungen an der Synchrotronquelle BESSY II des Helmholtz-Zentrums Berlin ge- zeigt haben. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Chemis- try of Materials* veröffentlicht. Perfekter Aufbau Ganze 5’000 Mal und mehr beisst der Mensch an einem Tag zu. Gesunde Zähne brechen dabei er- staunlich selten, und sie halten beim Kauen starkem Druck stand. Das liegt an ihrem Aufbau. Ein Zahn be- steht aus dem Zahnbein, auch Den- tin genannt, welches von Zahn- schmelz umhüllt ist. Das Geheimnis steckt im Detail. Das Zahnbein ist eine knochenähnliche Substanz, be- stehend aus kleinsten mineralischen Nanopartikeln, Kollagen und Was- ser. Während der Zahnschmelz vor allem aus dem Mineral cHAP gebil- det wird, ist das Dentin ein komple- xes Nanokomposit. In organische Kollagen-, also Eiweissfasern, sind anorganische Nanopartikel aus cHAP-Kristallen eingebettet. Für die hohe Belastbarkeit der Biostruk- tur sind innere Spannungen verant- wortlich, wie die Wissenschafter um Dr. Jean-Baptiste Forien und Dr. Paul Zaslansky vom Julius Wolff In- stitut der Charité bereits nachwei- sen konnten. Die innere Vorspannung inner- halb des Materials erklärt, warum sich kleinere Risse oder Sprünge im Zahnschmelz meist nicht weiter im intakten Dentin ausbreiten. Nun hat das Team um Dr. Zaslansky die Wechselwirkungen zwischen Nano- partikeln und Kollagenfasern in menschlichen Zahnproben genau vermessen: „Erstmals konnten wir nicht nur die Gitterkonstanten der cHAP-Kristalle in den Nanoparti- keln präzise bestimmen, sondern gleichzeitig auch die Grössen der Nanopartikel ermitteln. Dabei haben wir unter anderem festge- stellt, welchen Belastungen sie prinzipiell standhalten können”, sagt Dr. Zaslansky. Einblick in die winzigen Strukturen haben die Forscher in Laboren der Charité er- halten, wie auch durch Messungen an der Synchrotronquelle BESSY II, einem wissenschaftlichen Grossge- rät am Helmholtz-Zentrum Berlin, das Strahlung vom Terahertz- bis in den Röntgenbereich erzeugt. In ihren Experimenten haben die Wissenschafter den internen Druck in den Dentinproben er- höht. Dazu erhitzten sie die Proben auf 125 Grad Celsius, um sie auszu- trocknen. Der Wasserverlust lässt die Kollagenfasern schrumpfen, die daraufhin hohe Drucke auf die Nanopartikel ausüben. Mit bis zu 300 Megapascal entsprechen diese Druckverhältnisse der Streckfestig- keit von Baustahl und sind 15 Mal höher als der eigentliche Kaudruck, der üblicherweise weit unter 20 Megapascal liegt. Während der Wärmebehandlung wurden die Proteinfasern nicht zerstört, was auf eine Schutzwirkung der mine- ralischen Nanopartikel hindeutet. Die Auswertung der Daten zeigt zudem, dass das Gitter der cHAP-Mineralkristalle im Zahn von aussen nach innen kleiner wird. „Gewebe nahe des Zahn- marks, das sich in späteren Stadien der Zahnentwicklung gebildet hat, enthält Mineralpartikel mit kleine- ren Einheitszellen“, stellt Dr. Zaslansky fest. Die Grösse der Nanopartikel verhält sich ebenso: Während sie in der Zahnwurzel aussen, in Richtung des sogenann- ten Zements, noch etwa 36 Nano- meter lang sind, weisen sie im Inne- ren des Zahnbeins, in Richtung der Pulpa, nur noch 25 Nanometer Länge auf. Entwicklung neuer Materialien Mit seinen raffinierten Struktu- ren könnte das Zahnbein Vorbild bei der Entwicklung neuer Materia- lien sein, beispielsweise für Zahn- füllungen. „Die Architektur des Dentins ist deutlich komplexer als erwartet. Während der Zahn- schmelz sehr hart, aber auch spröde ist, üben die organischen Fasern im Dentin genau den richtigen Druck auf die mineralischen Nanopartikel aus, um das Zahnbein insgesamt noch belastbarer zu machen“, so die Wissenschafter. Das gilt zumindest, solang der Zahn intakt ist. Karies- bakterien lösen nicht nur den mine- ralischen Zahnschmelz, sondern produzieren auch Enzyme, die die Kollagenfasern zerstören. Damit kann der Zahn leichter brechen. Entscheidend sind die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung insbe- sondere auch für die Zahnmedizin in der täglichen Anwendung: „Zähne sollten während einer Be- handlung, beispielsweise dem Ein- bringen von Füllungen oder dem Befestigen von Kronen, nass sein und nicht zu stark erwärmt werden. Das vermeidet internen Druck und kann zu nachhaltigeren Behand- lungserfolgen führen“, resümiert Dr. Zaslansky. DT * Jean-Baptiste Forien, Ivo Zizak, Clau- dia Fleck, Ansgar Petersen, Peter Fratzl, Emil Zolotoyabko and Paul Zaslansky. Water-Mediated Collagen and Mineral Nanoparticle Interac- tions Guide Functional Deformation of Human Tooth Dentin. Chemis- try of Materials. 2016, 28 (10), pp 3416–3427. doi: 10.1021/acs.chem- mater.6b00811. Quelle: Charité – Universitätsmedi- zin Berlin Was Zähne fester macht als jedes künstliche Material Dentin gilt als einer der beständigsten biologischen Stoffe überhaupt. Biostruktur des Dentins: Tubuli und Netz von Kollagenfasern, in denen mineralische Nanopartikel eingebettet sind. (Grafik: Jean-Baptiste Forien, © Charité – Universi- tätsmedizin Berlin) „Zähne sollten während einer Behandlung, beispielsweise dem Einbringen von Füllungen oder dem Befestigen von Kronen, nass sein und nicht zu stark erwärmt werden.“ © general-fmv.Shutterstock.com

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