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Dental Tribune German Edition No. 4, 2016

4 DENTAL TRIBUNE German Edition Nr. 4/2016 · 6. April 2016 International Science Die Qualität entscheidet über den Erfolg Aktuelle Konzepte der postendodontischen Versorgung von wurzelkanalbehandelten Zähnen – eine Entscheidungshilfe. Von Dr. Brigitte Zimmerli, Burgdorf, Schweiz. Bevor eine Wurzelkanalbehand- lung durchgeführt wird, muss ent- schieden werden, ob der Zahn mit sinnvollem Aufwand restauriert und erhalten werden kann oder ob der Defekt bereits so fortgeschritten ist, dass ein Zahnerhalt langfristig nicht möglich ist (Abb. 1). Eine Ent- scheidung, ob die Wurzelkanalbe- handlung in der Privatpraxis erfol- gen kann oder ob ein Spezialist bei- gezogen werden muss, sollte relativ früh erfolgen. Bei mehrwurzeligen Zähnen muss geprüft werden, ob ein Teilerhalt des Zahnes mittels Wurzelamputation oder Hemisek- tion sinnvoll ist. Der Patient sollte in die Therapieentscheidung einbe- zogen und über die Kosten und die vermutete Prognose informiert werden. Grundsätzlich hat die Wurzelkanalbehandlung, sofern diese nach den gängigen Qualitäts- leitlinien durchgeführt wird, eine gute Prognose (85 bis 95 Prozent Erfolg). Wird die Wurzelkanalbehand- lung bei einem Zahn mit periapika- lem Befund durchgeführt, muss nicht erst die Ausheilung dieser Lä- sion abgewartet werden, bevor die definitive Versorgung des Zahnes erfolgt, da ein dichter koronaler Verschluss wesentlich für eine gute Prognose des endodontisch behan- delten Zahnes ist. Eine Undichtigkeit der korona- len Füllung (sog. „coronal leakage“) oder ein Freiliegen der Wurzelka- nalfüllung (z.B. nach einer Frak- tur) begünstigt den Misserfolg der Wurzelkanalbehandlung. Ist ein „coronal leakage“ vorhanden, muss entschieden werden, ob bei einer erneuten Versorgung des Zahnes nicht auch die Wurzelkanalfüllung neu gelegt werden sollte. Dies ist ab- hängig von der Dauer der Exposi- tion der Wurzelkanalfüllung und deren Dichtigkeit. Wichtig ist auch, ob eine periapikale Pathologie vor- liegt, ob der Patient Beschwerden hat und mit welcher Technik der Zahn rekonstruiert wird. Bei einer indirekten Arbeit ist es eher indi- ziert, zu revidieren, als bei einer Versorgung mit einer Komposit- füllung, bei welcher man relativ einfach durch die Füllung hindurch die Revision der Wurzelkanal- füllung machen kann. Wurzelkanalbehandelte Zähne sind anfälliger für Frakturen. Dies liegt zwar nicht daran, dass die Zähne spröder werden oder „dehydrieren“, aber durch den hohen Substanzverlust sind die bestehenden Zahnwände meistens stark ausgedünnt. Zudem ist die Propriozeption des wurzelkanalbe- handelten Zahnes vermindert. Das bedeutet, dass das Druckgefühl bei diesem Zahn um das Doppelte bis Dreifache erniedrigt ist im Ver- gleich zum vitalen Zahn. Dank der Adhäsivtechnik muss nicht jeder Höcker im Seitenzahn- bereich bei einem wurzelkanalbe- handelten Zahn eingekürzt werden. Es ist aber wichtig, dass genügend Restzahnhartsubstanz vorhanden ist, denn spätere Zahnfrakturen sind oftmals fatal, da sie dünn aus- laufend in den Alveolarkamm zie- hen (Abb. 2). Nicht selten kann eine derartige Fraktur zum Verlust des Zahnes führen. Darum gilt: Im Zweifelsfall schwache Zahnwände im Seitenzahnbereich kürzen und okklusal mit der Restauration über- decken. Vorbereitung Wurzelkanalbehandelte Zähne weisen oftmals größere Substanz- defekte auf. Es muss deshalb geklärt werden, ob vorbereitende Maßnah- men wie Gingivektomie oder eine Kronenverlängerung die Prognose des Zahnes verbessern, beziehungs- weise die geplante Therapie erst er- möglichen. Des Weiteren neigen wurzelka- nalbehandelte Zähne zu Verfärbun- gen, sei dies aufgrund von Einblu- tungen der Pulpa, durch medika- mentöse Einlage oder durch Pigmenteinlagerungen von Restau- rationsmaterialien. Damit später die Ästhetik nicht beeinträchtigt ist, scheint es besonders im Front- zahngebiet angezeigt, verfärbte wurzelkanalbehandelte Zähne vor der Restauration zu bleichen (Abb. 3a und b). Dies ist auch dann angezeigt, wenn grundsätzlich das verfärbte Dentin durch die Restau- ration abgedeckt wird, da das Be- handlungsresultat durch spätere Rezessionen der Gingiva ver- schlechtert werden kann. Beim Bleichen von devitalen Zähnen sind unbedingt Bleichtechniken ohne Hitzeapplikation anzuwenden, um das Risiko von Wurzelresorptionen zu reduzieren. Entscheidungsfindung Für die Entscheidung der Res- taurationsart sind Defektgröße, Lokalisation des Zahnes und die prothetische Bedeutung wichtig. Das Diagramm (Abb. 4) versucht, eine Entscheidungshilfe für die Praxis zu liefern. Bei kleineren oder mittelgroßen Defekten ist eine Kompositrestau- ration sicherlich die Therapie der Wahl. Diese wird in der Regel in einer zusätzlichen Sitzung nach er- folgter Wurzelkanalbehandlung ge- legt. Dies hat den Vorteil, dass der Wurzelkanalsealer vollständig ab- gebunden hat und die Dentinflä- chen von Sealerresten sauber gerei- nigt werden können: Voraussetzun- gen für eine erfolgreiche Adhäsi- onstechnik. Ein weiterer Vorteil bei einer Versorgung in der zweiten Sit- zung liegt darin, dass das Wurzel- kanalfüllmaterial problemlos auf Höhe des Kanaleingangs entfernt werden kann. Die Verwendung von parapulpären Schrauben bei Kom- positfüllungen ist heute obsolet. Bei größeren Substanzdefekten muss entschieden werden, ob eine Stiftinsertion für die Aufbaufül- lung notwendig ist. Allgemein gilt, dass alle Stiftsysteme die Zahnwur- zel schwächen und einzig der Re- tention der Aufbaufüllung dienen. Deshalb genügt es, nur einen Stift pro Zahn zu verwenden (nicht mehrere Stifte bei mehrwurzeligen Zähnen). Die Indikation für eine Stiftinsertion ist heute dank der Adhäsivtechnik wesentlich gerin- ger (Tabelle 1). Die Verwendung von intraka- nalären Schrauben ist heute nicht mehr angezeigt. Beim Einbringen von Schrauben werden hohe Kräfte auf die Wurzel ausgeübt und dies erhöht das Risiko für Wurzelrisse und -frakturen wesentlich (Abb. 5a und b). Wenn immer möglich, sollte einer stiftfreien Versorgung der Vorzug gegeben werden. Dabei ist heute der Übergang von Onlay zu Krone fließend. Kompositfüllun- gen sind kostengünstig und können in einer Sitzung gelegt werden. Bei sehr großflächigen Defekten kann die Gestaltung der Approximalkon- takte schwierig und die Anfertigung einer indirekten bzw. semidirekten Arbeit diskutiert werden. Gerade für wurzelkanalbehandelte Zähne sind chairside angefertigte CAD/ CAM-Füllungen eine gute Wahl, da auf eine provisorische Versorgung verzichtet werden kann. Im Seiten- zahnbereich gut bewährt haben sich sogenannte Endokronen. Diese Keramikfüllungen weisen eine zir- kuläre Fassung auf, wobei sich der Präparationsrand am Substanz- defekt orientiert und nicht zwin- gend bis auf Höhe Gingiva gelegt wird. Eine zusätzliche Klebefläche wird durch eine inlayförmige Fas- sung des Pulpakavums erreicht (Abb. 6a und b). Die Langzeitdaten sind positiv, und durch das Weg- fallen einer Stiftaufbaufüllung ist die Keramikschichtstärke höher, was das Risiko für Frakturen redu- ziert. Inzwischen positiv dokumen- tiert ist die Technik der proximalen Box-Elevation (Abb. 7). Bei dieser Technik wird die approximale Stufe mit einer Kompositfüllung nach koronal verschoben, eine Kronen- verlängerung unnötig und die (di- gitale) Abformung sowie die nach- folgende adhäsive Zementierung wesentlich vereinfacht. Wichtig ist dabei, dass diese approximale Kom- positfüllung unter besten Bedin- gungen (Trockenlegung) gelegt wird, da bei einem Misserfolg die gesamte Rekonstruktion neu ange- fertigt werden muss. Zudem spielt die Zementwahl eine wichtige Rolle: die Verwendung von Kompo- sitzementen mit einem Adhäsivsys- tem (Mehrschrittsysteme) lieferten in Studien die besseren Rand- schlüsse als selbstadhäsive Zemente (Einkomponentenzemente).Diepro- ximale Box-Elevation sollte nur dort, wo es wirklich notwendig ist, angewendet werden. Der dichteste Randabschluss wird nach wie vor bei der direkten Zementierung der Keramik auf den frisch präparier- ten Zahn erreicht. Wenn ein Stiftaufbau aufgrund der klinischen Situation notwendig ist, stellt sich die Frage nach dem Material. Aktuell vorwiegend zur Verwendung kommen der indirekte Tabelle 1: Relative Indikationen und Kontraindikationen für Stiftinsertion endodontisch behandelter Zähne. Kriterium Stift eher „ja“ Stift eher „nein“ Zahntyp Frontzahn Prämolar, Molar Zahnrestsubstanz deutlich minimiert: > 2 fehlende Kavitätenwände 1–2 fehlende Kavitätenwände Prothetische Bedeutung Brückenpfeiler, Prothesenverankerung Einzelzahnversorgung 1 2 3b 3a Abb. 1: Zahn 36 wurde alio loco mit einer Wurzelkanaleinlage und einer proviso- rischen (deutlich insuffizienten) Füllung versorgt. Eine sinnvolle Rekonstruktion scheint nicht möglich, da Zahn 38 nach mesial in den Defekt gekippt ist und bei einer vollständigen Exkavation wahrscheinlich eine Perforation in den interradikulären Raum erfolgt. Eine Extraktion des Zahnes scheint indiziert. Interessant ist, dass bei 36 die mesiale Wurzel vor einigen Jahren entfernt wurde und die distale Wurzel mit einer VMK-Krone mit Goldkernverankerung versorgt wurde. – Abb. 2: Zahn 14 wurde alio loco wurzelkanalbehandelt. Die Aufbaufüllung wurde in der gleichen Sit- zung wie die Wurzelkanalfüllung gelegt. Die Patientin hat die Zahnarztrechnung noch nicht beglichen, als sie sich mit Schmerzen im Notfalldienst meldet. Die Fraktur des palatinalen Höckers zieht weit nach apikal, sodass der Zahn nicht sinnvoll erhal- ten werden konnte. – Abb. 3a: Zahn 12 nach Entfernen VMK-Krone und Stiftaufbau. – Abb. 3b: Zahn 12 nach Bleichen und Stumpfaufbau mit Faserstift und Komposit. – Abb. 4: Entscheidungshilfe für die postendodontische Versorgung: In Blau ist die Versorgung für den Frontzahnbereich und in Orange für den Seitenzahnbereich dar- gestellt. Je nach klinischer Situation muss vom Schema abgewichen werden. – Abb. 5a: Verdacht auf Rissbildung in distaler Wurzel: transluzente Zone um die ganze distale Wurzel. – Abb. 5b: Extrahierte Zahnwurzel 25 mit Längsriss. 5a 5b 4

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