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Dental Tribune Austrian Edition No. 4, 2018

8 Science (cid:205)(cid:3)Fortsetzung von Seite 6 Die deszendierende raphespinale Schmerzhemmung kann nicht mehr wirksam den wahrgenomme- nen Schmerz hemmen. Die Schmerz- beschreibung des Patienten wird diffuser und vielschichtiger, das Schmerzgedächtnis ist etabliert (Melzack et al. 2001, Phillips et al. 2011). In diesem klinischen Sta- dium konzentriert sich die Thera- pie auf die biopsychosoziale Ebene (Dworkin et al. 2002). Eine kom- plexe ambulante Schmerztherapie wird parallel zur CMD-Behand- lung eingeleitet. Die Achse II des Krankheitsgeschehens zeigt den schleichenden Verlust der Teilhabe im täglichen Leben des Patienten (Breivik et al. 2006). Rekonstruktion der Okklusion Ein stabiler klinischer Zustand wird im Team der Behandler als in- dividuelles Optimum definiert. In diesem erreichten Zustand kann evaluiert werden, ob eine Rekon- struktion der Okklusion erforder- lich ist. Die Okklusion sollte rekon- struiert werden, wenn z. B. ein be- schwerde- oder therapierelevanter okklusaler Störfaktor vorliegt. Die- ser könnte ein Frühkontakt oder auch ein fehlender Kontakt darstel- len. Die Rekonstruktion der Okklu- sion kann abhängig vom Befund prothetisch, kieferorthopädisch, kieferchirurgisch oder als Kombi- nationstherapie erfolgen. Die pro- thetische Variante hat wegen der größtmöglichen gelenkspezifischen Präzision Vorrang. Vor Beginn der okklusalen Rekonstruktion soll die Schiene mindestens vier bis sechs Wochen ganztags getragen werden, um einen Verlust der neuromusku- lären zentrierten therapeutischen Kondylenposition zu vermeiden. Der relevante Planungsparameter ist die Bisshöhe, die meistens durch Zurotieren des Unterkiefers unter Erhalt der therapeutischen Posi tion der Gelenkkondylen festgelegt wird. Bei sekundär abgesunkenem Biss kann eine Bisshebung indiziert sein. Die Schienenposition selbst wird nicht okklusal rekonstruiert, da jede Schiene konstruktions- bedingt eine Bisshebung beinhaltet und diese oft nicht gewünscht ist. Prothetische Rekonstruktion der Okklusion Bei der prothetischen Rekon- struktion wird nach den Prinzipien der statischen und dynamischen Okklusion verfahren. Gesunde Zähne können mit Table Tops aus Kunststoff rekonstruiert werden. Provisorien orientieren sich an der zukünftig geplanten endgültigen Versorgung. In der Eingewöhnungs- phase an die rekonstruierte Bisslage und auch bei Bruxismus kann nachts eine Schiene getragen wer- den. Provisorische Kronen oder Brücken orientieren sich an den Zielen der geplanten definitiven prothetischen Versorgung. Bereits während der Schienen- therapie wird erkannt, ob schleim- hautgelagerter Zahnersatz die not- wendige okklusale Abstützung der Kiefergelenke gewährleistet. Gege- benenfalls sind Implantate die Me- thode der Wahl. Eine definitive Ver- sorgung erfolgt erst nach frühestens drei bis sechs Monaten, wenn in KG-Funktionsuntersuchung Dynamische Translation Mundöffnung mit dynamischer Translation nach lateral Mundöffnung mit dynamischer Translation nach lateral und mit Kranialkompression Mundöffnung mit dynamischer Translation nach medial Mundöffnung mit dynamischer Translation nach medial und mit Kranialkompression Laterotrusion Laterotrusion mit Kranialkompression Protrusion Protrusion mit Kranialkompression diesem Zeitraum das individuelle Optimum erhalten bleibt. kieferorthopädischen Behandlung begrenzen. Kieferorthopädisch- prothetische Rekonstruktion der Okklusion Eine kieferorthopädische Be- handlung zur Rekonstruktion der Okklusion erfolgt, wenn sie als präprothetische Maßnahme thera- peutisch sinnvoll ist. Eine adjus- tierte Schiene gewährleistet den Er- halt der therapeutischen Kondy- lenposition. Die Korrektur einzel- ner Frontzähne oder Prämolaren ist eine häufige Behandlungsauf- gabe, um vertikale Defizite zu ver- ringern. Eine abschließende Fein- einstellung der Okklusion im Mo- larenbereich kann den Umfang der Kieferorthopädisch- kiefer chirurgisch-prothetische Rekonstruktion der Okklusion Eine Dysgnathieoperation zur Rekonstruktion der Okklusion nach einer CMD-Therapie erfolgt nur bei gegebener Indikation, auch unabhängig von der CMD. Das Risiko einer gelenkspezifi- schen Komplikation ist bei um- fangreichen Rekonstruktionen er- höht, steht aber in einem ausgewo- genen Verhältnis zur Indikation, da gnathisch-skelettal Fehlbisse eine hohe statische und dynami- sche Belastung für die Kieferge- lenke darstellen. DENTAL TRIBUNE · Austrian Edition · Nr. 4/2018 Kommunikation und Dokumentation Das Team ist für den Patienten da und trifft gemeinsam mit ihm die richtungsweisenden Therapie- entscheidungen. Regelmäßige kon- siliarische Gespräche der Behand- ler optimieren die therapeutischen Prozesse und reduzieren die Risi- ken einzelner Behandlungsphasen. CMD-Patienten benötigen eine patientenzentrierte Vorgehensweise mit aktiver Kommunikation ge- genüber dem Erkrankten. Die emp- fundenen Schmerzen und Be- schwerden sollten vorbehaltlos ak- zeptiert werden. Kleinste Verände- rungen der Schiene können bereits aufgrund der zentralen Sensibili- sierung im Nervensystem heftige Schmerzen verursachen. Die teil- weise atrophierte Kiefergelenk- muskulatur ist häufig noch nicht ausreichend funktionsfähig, um ein stabiles Gefühl für die Okklu- sion und neuromuskuläre Funk- tion der Kiefergelenke zu entwi- ckeln. Eine gemeinsame Doku- mentation beinhaltet neben der ex- akten Beschreibung des Befundes, der Therapie, den Informationen der stattgefundenen konsiliari- schen Gespräche auch die Formu- lierung der Hypothese der Patho- genese. Erfahrungsgemäß bildet die Hypothese der Pathogenese eine elementare Vorlage für eine im Team maßgebliche Arbeitshypo- these. Die dargestellte Vorgehens- weise beschreibt eine evidenzba- sierte Praxis, die in der Folge weitere Forschungsfragen aufwerfen kann. Erfolg und Prognose Eine CMD-Therapie ist als Er- folg zu werten, wenn ein für den Pa- tienten tolerabler Zustand eintritt. Der strukturelle Schaden der betei- ligten Organe muss in erster In- stanz in eine Latenzphase geführt werden, die ein physiologisches steady-state darstellt. Die funktio- nelle Beanspruchung des biome- chanischen Systems wird durch die beschriebene Vorgehensweise ange- passt, um ein Rezidiv bzw. eine Pro- gredienz zu vermeiden. Die Sicherung des nachhaltigen Ergebnisses wird mit dem Patien- ten besprochen und eine entspre- chende Nachsorge geplant. Art und Umfang der Maßnahmen können von Fall zu Fall variieren. Bei fort- geschrittener Arthrose, rezidivie- render Arthritis, bei Diskusper- foration, in seltenen Fällen einer therapieresistenten Diskusverlage- rung oder bei Bruxismus kann längerfristig eine gelenkentlastende Schiene für nachts indiziert sein. Die Indikation zur gelenkchirurgi- schen Intervention wird im Kieler Team erst nach Versagen aller kon- servativen Optionen als Ultima Ratio gestellt. Diskussion und Schlussfolgerung Die volkswirtschaftliche Di- mension und ätiologische Komple- xität der CMD darf mittlerweile als bedeutsam erachtet werden (Al- Jundi et al. 2008, John et al. 2001). Die pathogenetische Vielschichtig- keit der CMD-Erkrankung stellt die einzelnen Behandler vor eine große Herausforderung. Langjäh- rige und komplizierte Fälle von CMD-Patienten führen zwangs- läufig zu vielschichtigen Behand- lungsansätzen. Einzelne in sich durchaus schlüssige Therapiever- suche erreichen erfahrungsgemäß kein für den Patienten tolerables Ergebnis. Diverse Arbeitsgruppen haben bereits gezeigt, dass die in- terdisziplinäre Arbeit am Patien- ten erfolgreich sein kann (Schupp et al. 2008). Das CMD-Kieler-Kon- zept arbeitet in erster Instanz in- terdisziplinär und legt dabei über- geordnete Schwerpunkte in konti- nuierlicher Diagnostik, Therapie- steuerung und Kommunikation im Team der Behandler. Die Hypo- these der Pathogenese ist individu- ell an den Patienten angepasst und Grundlage der Arbeitshypothese. Die klinische Argumentation er- möglicht eine evidenzbasierte prak- tische und diagnos- tikgesteuerte Thera- pie. Der Endpunkt der Behandlung wird als individuelles Op- timum definiert. Literatur Kontakt Infos zum Autor Prof. Dr. Helge Fischer-Brandies Klinik für Kieferorthopädie, UK S-H, Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 3, Haus 26 24105 Kiel, Deutschland Tel.: +49 431 500-26301 fi-br@kfo-zmk.uni-kiel.de Infos zum Autor Marc-Daniel Asche MSc Ost (A), MSc Paed Ost (UK) Institut für angewandte Osteopathie Kiel (IOK) Gravensteiner Straße 121a 24159 Kiel, Deutschland asche.marc@googlemail.com Infos zum Autor Christian Wunderlich WUNDERLICH Praxis für Physiotherapie Schauenburgerstraße 36 24105 Kiel, Deutschland Tel.: +49 431 53028456 www.wunderlich-physio.de

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