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Dental Tribune Swiss Edition No.3, 2016

6 International Science DENTAL TRIBUNE Swiss Edition Nr. 3/2016 · 2. März 2016 und so das Entzündungsgeschehen vorantreiben. Die Schwangerschaft begünstigt die Selektion einer anaerob dominierten subgingivalen Plaque. Schwarzpigmentierte Prevo- tella- und Porphyromonas-Arten sind in grossen Mengen im Sulkus nach- weisbar. Diese spezielle parodontal- pathogene Keimkonstellation wird hormonell gefördert. Die Ursache liegt in der chemischen Verwandt- schaft zwischen Progesteron und Naphthaquinon. Letzteres ist ein es- senzieller Nährstoff der genannten Bakterien.Die Möglichkeit einer un- mittelbaren Verstoffwechselung des Progesterons im Sulkusfluid bietet ihnen optimale Wachstumsbedin- gungen. Nach der Geburt und der Nor- malisierung des Hormongleichge- wichts bilden sich bei entsprechen- der Mundhygiene die meisten Hy- perplasien von selbst zurück. Bei etwa fünf Prozent der Frauen kann sich aber eine Schwangerschaftsepu- lis bilden. Dabei handelt es sich um eine meist interdental liegende stark vaskularisierte halbkugelige Vorwöl- bung. Histologisch besteht die Epu- lis aus Granulationsgewebe. Auch hier kann gezielte Plaquekontrolle und entzündungshemmende Thera- pie zur Rückbildung führen, eine chirurgische Intervention ist nur sel- ten notwendig. Gefahr für das ungeborene Kind Neben der oralen Gesundheit der Schwangeren ist aber vor allem das ungeborene Kind durch eine hormonell aktivierte Parodontitis der Mutter akut gefährdet. Zahlrei- che Studien belegen einen Zusam- menhang mit erhöhtem Früh- und sogar Fehlgeburtsrisiko.Die Immun­ abwehr der Mutter ist in der Gravidi- tät hormonell bedingt verändert, die Leukozytenfunktion ist vermindert, die Zahl der spezifischen Abwehrzel- len sinkt und auch die Antikörper- produktion ist unter dem normalen Niveau. Gewebliche Veränderungen führen zu einer verstärkten Invasion der oralen Keime in tiefere Lagen des gingivalen Bindegewebes. Durch ge- ringe mechanische Belastung, wie etwa Zähneputzen oder dem Kauen härterer Nahrungsmittel, kommt es zu kleinen Blutungen und Verlet- zungen und damit zur Einschwem- mung von Bakterien in die Blut- bahn. Nicht nur im entzündeten oralen Gewebe, sondern auch im Fruchtwasser, der Dezidua und in den Eihäuten werden dadurch vermehrt Entzündungsmediatoren ausgeschüttet. Die PGE2-Produk- tion in den Chorionzotten und Tro- phoblastzellen wird angeregt, im Myometrium des Uterus steigt der Prostaglandinwert deutlich an. Dort allerdings führt PGE2 zu einer Kon- traktion der glatten Muskulatur und damit zur Auslösung vorzeitiger Wehen. Exazerbierte parodontale Ent- zündungen während der Gravidität gefährden gleichermassen Mutter und Kind. Keimreduzierung und Sanierung von bereits bestehenden parodontalen Läsionen vor oder zu- mindest zu Beginn der Schwanger- schaft sind daher eine wichtige Vor- aussetzung für die orale Gesundheit der Mutter und die störungsfreie Entwicklung des Kindes. Das Klimakterium als Trigger parodontaler Erkrankung Der sinkende Serumspiegel von 17β-Östradiol (E2) in der Meno- pause bewirkt einen gleichzeitigen Abfall der Östrogenkonzentration im Speichel und in der Sulkusflüs- sigkeit. Damit fällt die protektive Wirkung der ovariellen Steroidhor- mone auf Proliferation und Reifung der Fibroblasten im gingivalen Bin- degewebe aus. Die postmenopausale Gingivostomatitis ist durch allge- meine Atrophie des oralen Weichge- webes gekennzeichnet. Die Schleim- haut neigt zu Fissuren und Rissbil- dungen. Durch die gesteigerte Durchlässigkeit der Blutgefässe er- höht sich die Vulnerabilität der Gin- giva. Durch den Steroidhormon- mangel klagen viele Frauen in der Postmenopause über Mundtrocken- heit. Die Reduktion der Speichel- menge führt zu einem Defizit an antimikrobiellen Speichelfaktoren und verminderter Spülfunktion. Es kommt zu Glossodynie,Brennen der Schleimhäute und Mundgeruch. Durch die fehlende pH-Regulation entsteht vermehrt Karies. Das ver­ änderte Mundhöhlenmilieu ermög- licht die Ansiedelung pathogener Anaerobier und atypischer Keime wie Enterobakterien und koagula- sepositiver Staphylokokken. Eine mikrobiologische Untersuchung und die Erstellung eines Antibiogramms vor einer geplanten Parodontal­ therapie sind in solchen Fällen drin- gend zu empfehlen, da sich das Er­ regerspektrum oft stark von der üb- lichen Parodontalflora unterschei- det. Der Östrogenmangel in der Me- nopause ist bei Frauen eine der häu- figsten Ursachen für eine Osteopo- rose. Durch verminderte Osteoblas- tenbildung und gleichzeitige Er­ höhung der Osteoklastentätigkeit werden die Knochen demineralisiert und Kollagen abgebaut. Die gestörte Balance zwischen Osteolyse und Knochenneubildung kann alle Kno- chen des Körpers und damit auch Maxilla, Mandibula und Gonium betreffen. Dichtemessungen am Al- veolarfortsatz von Patientinnen mit niedrigem Serum-E2-Spiegel zeig- ten im Vergleich zu einer Kontroll- gruppe mit normalen E2-Werten einen signifikant höheren Nettover- lust an Knochensubstanz. Nun führt zwar Osteoporose nicht ursächlich zu einer Parodontitis, beschleunigt aber bei vorbestehender Erkrankung deren Verlauf und erhöht das Risiko für Zahnverlust. Die Osteoporose ist damit ein potenzieller Risikofaktor für die betroffenen Patientinnen und muss auch bei der Planung von technischen Versorgungen und Im- plantaten berücksichtigt werden. Neben unmittelbaren Folgen für die oralen Gewebe hat der Östro- genmangel auch Auswirkungen auf das Immunsystem. Über T-Zellakti- vierung kommt es zu einer verstärk- ten Produktion von Tumornekrose- faktor (TNF), welcher fördernd auf die Bildung und Vermehrung der knochenresorbierenden Osteoklas- ten wirkt. Weiterhin steigt auch die Menge an Entzündungsmediatoren wie Interleukin-1 (Il-1) an, wo- durch eine unverhältnismässig hohe Entzündungsbereitschaft mit über- schiessender Reaktion auf bakte­ rielle Reize ausgelöst wird. Die Ab- wehrmechanismen wenden sich letztlich gegen die körpereigenen Gewebe. Durch das Zusammenspiel sämtlicher Faktoren verlaufen in der Menopause und Postmenopause pa- rodontale Erkrankungen oft deut- lich aggressiver als vorher. Die Pati- entinnen benötigen daher individu- ell angepasste intensivierte zahnärzt- liche Kontrolle und Therapie. Orale Kontrazeptiva und ihr Einfluss auf das Parodontium Viele Untersuchungen zu dieser Fragestellung stammen aus der frü- hen Phase der Kontrazeptiva, als diese noch relativ hohe Wirkstoff- konzentrationen aufwiesen. Die dort beschriebenen negativen Aus- wirkungen auf die Mundgesund- heit sind bei den modernen niedrig konzentrierten Präparaten deutlich seltener geworden. Dennoch kann es zu einem milden immunologi- schen Respons kommen. Leichte Rötungen und Ödeme treten in Einzelfällen auf; Gingivahyperpla- sien und Haemorrhagien sind ext- rem selten. Nach Langzeiteinnahme oraler Kontrazeptiva kann es zu einer Alteration der gingivalen Blutgefässe mit Permeabilitätsstei- gerung und Blutungen kommen. Die Hormongaben verstärken den Sulkusfluid um bis zu 50 Prozent, auch eine Erhöhung der Prosta­ glandinproduktion wurde nachge- wiesen. Die Tendenz zur supra- und subgingivalen Plaqueakkumulation ist nicht erhöht,allerdings verschiebt sich die Zusammensetzung des Bakterienspektrums zugunsten an­ ae­rober schwarzpigmentierter Arten. Bei mangelnder Mundhygiene und bei zusätzlichen Risikofaktoren wie metabolischen Erkrankungen oder Tabakkonsum besteht erhöhte Ge- fahr für gingivale Entzündungen. Durch die hormonbedingten Ein- flüsse auf das fibrinolytische System und die Gerinnung kommt es nach Zahnextraktionen häufiger zu einer Ostitis. In sehr seltenen Fällen verur- sachen die Hormonpräparate Hy- perpigmentierungen auf der Mund- schleimhaut. Auch wenn die moderne Pille im Normalfall kein Problem für die orale Gesundheit darstellt, sollten bei auftretenden Veränderungen wie vermehrter Blutung oder Entzün- dung etwaige Zusammenhänge mit der Hormongabe in Betracht gezo- gen werden. Weitere Fragestellungen zum Thema „Interdisziplinäre Zahn­- me­dizin“ behandelt die Autorin in ihrem Buch ZAHN – KEIM –  KÖRPER Orale Mikrobiologie in der interdisziplinären Zahnmedizin.  DT Infos zur Autorin Kontakt DDr. Christa Eder Guglgasse 6/3/6/1 1110 Wien, Österreich Tel.: +43 664 3246661 eder.gasometer@chello.at Histologie einer Schwangerschaftsepulis – Epulis granulomatosa. Fast 100 Prozent aller schwangeren Frauen leiden unter Gingivitis. © Kzenon Hormonelle Veränderungen können zu verstärktem Zahnfleischbluten führen. © zlikovec „Es steht heute ausser Frage, dass die variierenden Anteile von Androgenen, Östrogenen und Progesteron in den verschiedenen Lebensphasen den parodontalen Status erheblich mitbestimmen.“ Fortsetzung von Seite 4 Tel.: +436643246661

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