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Dental Tribune Swiss Edition No.3, 2016

14 News DENTAL TRIBUNE Swiss Edition Nr. 3/2016 · 2. März 2016 Samstagabend, Regenwetter – ein Kinobesuch wäre jetzt genau das Richtige! Müde von der Arbeitswoche versinkt man im weichen Sessel und lauscht den raschelnden Bonbonsäck- chen und Popcorntüten. Nun wäre der Abend perfekt, würde sich nicht im letzten Moment noch jemand auf den Nebensitz bequemen und mit dem Nachbarn tuscheln. Die ewigen Kom- mentare wären ja noch zu verkraften, nicht jedoch der faulige Mundgeruch. In Wellen taucht man immer wieder in die Fäulnis ein, als hätte man wäh- rend der Woche nicht schon genug Gerüche ertragen müssen… Was benötigt jene Person, die den Kinoabend gestört hat? Zahn- medizinisch jedenfalls eine paro- dontale Grunduntersuchung, um eine Parodontitis als Ursache auszu- schliessen. Die Betroffenen selbst – glauben jene der Werbung – greifen oftmals nur zu einer Mundspülung für „bis zu 12 Stunden Atemsicher- heit“ und sonstigen Unsinn. Was kann eine Mundspülung wirklich bewirken und welche Spülung passt zu welchem Patienten? Die personalisierte Medizin macht auch vor der oralen Mundge- sundheit nicht halt. Oft wird ein fri- scher Atem durch Mundspülungen suggeriert. Diesen kann man durch geeignete Mundhygiene, Kaugum- mis und Kosmetika erreichen, die man over the counter in jedem Dro- geriemarkt erhält. Anders verhält es sich mit Medizinprodukten, bei wel- chen neben einer Wirkung auch mit Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Als zahnmedizinisches Fach- personal ist man gefordert, evidenz- basierte Empfehlungen abgeben zu können und die richtigen Produkte für den Einzelnen auszusuchen. Kurzer Überblick über verschie- dene Einsatzmöglichkeiten von Mundspülungen KARIESPRÄVENTION Fluoridhaltige Spüllösungen (üblicherweise mit einer Fluorid- konzentration von 225 ppm) kön- nen in Karieshochrisikogruppen eine signifikante Kariesreduktion erzielen. Laut DGZMK-Leitlinie (2013) gibt es die Empfehlung, bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko Mundspülungen täglich überwacht (0,05 % NaF) bzw. einmal pro Woche überwacht (0,2 % NaF) an- zuwenden.Dies gilt insbesondere für Personen mit kieferorthopädischen Apparaturen (Abb. 1 und 2). Die Evidenz dafür ist jedoch gering, wie auch ein Review von Benson et al. aufzeigen konnte (Benson et al., 2013). Fluoridlacke stellen die nach- haltigste Darreichungsform für die Kariesprävention dar. Eine rezente Studie von Jauhari et al. konnte anhand der Reduktion vonS. mutans-ZahlendieEffizienzvon fluoridhaltigen Mundspülungen und ätherischen Ölen aufzeigen. Ölziehen zum Vergleich brachte in dieser Studie übrigens keine signifikanten Keimre- duktionen (Jauhari et al., 2015). Um den meisten Effekt der fluoridhaltigen Mundspülungzuerzielen,giltdieallge- meine Empfehlung, eine Menge von 10 ml für ein bis zwei Minuten im zeit- lichen Abstand zum Zähneputzen zu verwenden.NachderSpülungsolltefür 15 Minuten auf die Nahrungsauf- nahme und Trinken verzichtet werden. Kinder unter acht Jahren sollten auf- grund der Verschluckungsgefahr und dadurch unkontrollierten Fluoridauf- nahme keine Mundspülungen mit Flu- orid verwenden (Rugg-Gunn and Banoczy, 2013). Die American Dental Association (ADA) empfiehlt für Ka- rieshochrisikogruppen eine tägliche bis wöchentliche Mundspülung mit 0,09 % Fluorid unter den Jugendlichen sowie für ältere institutionalisierte Per- sonen (Abb. 3). GINGIVITIS Können chemische Plaquekon- trolle und gesunde gingivale Verhält- nisse über Mundspülungen erzielt werden? Van der Weijden ging in einer systematischen Übersichtsar- beit dieser Frage nach und kam zu folgender Schlussfolgerung: Das Mit- tel der Wahl für die chemische Pla- quekontrolle bleibt – wahrscheinlich auch aufgrund der jahrzehntelangen Erfahrung und der Anzahl der vor- handenen Datenfülle – Chlorhexidin. Als Alternative gelten auch ätherische Öle effektiv in der Plaquereduktion. Zwischen Chlorhexidin und ätheri- schen Ölen gibt es studienabhängig keinen Unterschied hinsichtlich Gin- givitisreduktion (Tab. 1). Eine rezente Arbeit von Araujo et al. (Araujo et al., 2015) konnte an- hand einer beachtlichen Teilneh- merzahl aufzeigen, dass ätherische Öle, die weniger Nebenwirkungen haben als Chlorhexidin, zu einer Re- duktion des Plaqueindex um 20 Pro- zent bei 83 Prozent der Teilnehmer nach sechs Monaten Beobachtungs- zeitraum führten. PARODONTITIS Die Anwendung von chlorhexi- dinhaltigen Spüllösungen zur Unter- stützung der Bakterienreduktion bei Patienten mit Parodontitis (Abb. 4) ist weitgehend etabliert. Neuere Er- kenntnisse in der Chlohexidinan- wendung liegen in den zu verwen- denden Konzentrationen (0,12 vs. 0,2 %), die zwar der Konzentration von 0,2 % den statistischen jedoch nicht klinisch signifikanten Unter- schied zugestanden. Die lange propa- gierte Einschränkung der zeitglei- chen Anwendung natriumlaurylhal- tiger Zahnpasten konnte mittlerweile durch eine Übersichtsarbeit revidiert werden (Elkerbout et al., 2016). Die Datenlage zu ätherischen Ölen steht zwar noch nicht auf einer solch breiten Basis, doch konnten schon vereinzelt in klinischen Studien die signifikante Reduktion parodon- topathogener Keime im subgingiva- len Bereich nach Anwendung solcher Mundspülungengezeigtwerden(Fine et al., 2007). Die erfolgreiche Reduk- tion von Plaque und Entzündungspa- rametern im Sinne einer one-stage full-mouth disinfection konnte eben- fallsmithilfevonMundspülungenmit ätherischen Ölen dokumentiert wer- den (Cortelli et al., 2009). Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man auch im Kino seine Visitenkarte mithaben sollte, Pa- tienten nach einem Parodontitis- screening zu optimaler mechani- scher Plaquekontrolle schulen und bei erkann- ter Notwendigkeit zusätz- licher chemischer Pla- quereduktion Mundspü- lungen gezielt empfehlen sollte. DT Über Sinn und Unsinn von Mundspülungen Sie sind zurzeit schon fast in aller Munde – wer braucht sie jedoch wirklich, und wofür? Sollten wir nicht unserem Organismus vertrauen und dem Speichel die alleinige „Spülfunktion“ überlassen? Von Univ.-Ass. Dr. Hady Haririan, MSc, Wien, Österreich. Tab. 1 – Auszug über die verschiedenen Wirkstoffe in Mundspülungen: In der Zusammenfassung von van der Weijden et al. 2015 wurde versucht, Übersichtsarbeiten über einzelne Wirkstoffe zusammenzufassen. Dies bedeutet nicht, dass in einzelnen Studien für den jeweiligen Wirkstoff keine positiven Effekte auf Plaque- oder Gingivitisreduktion gefunden wurden. Wirkstoff Wirkspektrum Wirkungen/Nebenwirkungen zusätzlich zum Zähneputzen Alexidin bakterizid Plaquereduktion (geringe Evidenz) Cetlypyridiniumchlorid (CPC) gegen grampositive Mikroorganismen und Hefen Plaquereduktion, Gingivitisreduktion, bräunliche Verfärbungen Chlorhexidin (CHX) gegen grampositive und gramnegative Mikroorganismen, Aerobier, Anaerobier, Hefen Plaquereduktion, Gingivitisreduktion, bräunliche Verfärbungen, Geschmacks- störungen Ätherische Öle (Thymol, Eucalyptol, Menthol, Methylsalicylat) bakterielle Zellwandzerstörung oder En- zyminaktivierung, je nach Konzentration Plaquereduktion, Gingivitisreduktion Delmopinol gegen Bakterien- und Biofilmadhäsion Plaquereduktion, Gingivitisreduktion Hexetidine gegen grampositive und gramnegative Mikroorganismen, Hefen Plaquereduktion (geringe Evidenz) H2 O2 antimikrobielle Effekte über Sauer- stofffreisetzung keine signifikante Plaquereduktion Sanguinarin natürliches Bakterizid Plaquereduktion (geringe Evidenz) Zinnfluorid antimikrobiell limitierte Plaque- oder Gingivitisreduk- tion, Verfärbungen Triclosan antibakteriell, antifungal Plaquereduktion, Gingivitisreduktion Infos zum Autor Kontakt Univ.-Ass. Dr. Hady Haririan, MSc UNIVERSITÄTSZAHNKLINIK WIEN Medizinische Universität Wien Sensengasse 2a 1090 Wien, Österreich Tel.: +43 1 40070-4720 hady.haririan@meduniwien.ac.at Abb. 1 und 2: Schwere Zahnfehlstellungen erschweren die mechanische Plaquekontrolle. Hier können zusätzliche Mundspülungen Abhilfe schaffen. Durch kieferorthopädische Korrekturen nach konservativer Parodontitis- therapie werden kariöse Defekte z.T. erst für eine Sanierung zugänglich. – Abb. 3: Grün, violett oder blau – was ist gerade angesagt? Patienten sollten in der Wahl der richtigen Mundspülung nicht auf ihren farblichen Geschmack angewiesen sein und auf Empfehlungen des zahnärztlichen Fachpersonals vertrauen können. – Abb. 4: Ein Patient mit chronischer generalisierter Parodontitis gravis et complicata. In solch schweren Fällen ist die Reduktion der bakteriellen Belastung auch mithilfe von Mundspülungen nach professioneller Reinigung und Instruktion ein Thema. 1 2 3 4 © Giovanni Cancemi Literaturverzeichnis Tel.: +43140070-4720 1234

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