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Dental Tribune German Edition

DT today Seite 30 service 1+2/2016 Die schwangere Angestellte in der Zahnarztpraxis Für die werdende Mutter ist die Schwangerschaft etwas ganz Besonderes, für den Zahnarzt als Arbeitgeber der werdenden Mutter kann diese problematisch werden. Von Rechtsanwältin Katri Helena Lyck, Bad Homburg. Eine werdende Mutter darf nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung, sowie acht Wochen nach der Entbindung, nicht beschäf- tigt werden. Das Mutterschutzgesetz bestimmt allerdings auch, dass an- gestellte werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, bei denen sie schädlichen Einwir- kungen von gesundheitsgefährden- den Stoffen oder Strahlen, von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Käl- te oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind (§4 Abs. 1 MuSchG). Überdies dürfen sie keine Arbeiten ausführen, bei denen sie in- folge ihrer Schwangerschaft in be- sonderem Maße der Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, aus- gesetzt sind oder bei denen durch das Risiko der Entstehung einer Be- rufskrankheit eine erhöhte Gefähr- dung für die werdende Mutter oder eine Gefahr für die sogenannte Lei- besfrucht besteht (§4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG). Hierunter fallen nahezu alle Ar- beiten am Behandlungsstuhl einer Zahnarztpraxis sowie beim Rönt- gen, mit der Folge, dass ab Kennt- nis der Schwangerschaft durch den Arbeitgeber ein sofortiges Beschäf- tigungsverbot für diese Tätigkeiten auszusprechen ist. Eine Zahnärztin ist daher betroffen, wenn sie ange- stellt und selbst schwanger ist oder wenn sie Arbeitgeberin ist und eine Mitarbeiterin schwanger ist. Einzig für die schwangere Praxisinhaberin gilt das Beschäftigungsverbot nicht. Hieraus können sich für den Ar- beitgeber nicht nur rechtliche Prob- leme ergeben. Auch die wirtschaft- lichen Nachteile die er dadurch erleidet, dass er von heute auf mor- gen auf seine Zahnmedizinische Fachangestellte oder angestellte Zahnärztin verzichten muss, bezie- hungsweise die persönlichen Diver- genzen die unter Umständen durch diese Situation entstehen, können für den Arbeitgeber existenzbedro- hende Ausmaße annehmen. Pflichten des Zahnarztes Der Arbeitgeber ist nach §5 I 3 MuSchG verpflichtet, die für ihn zu- ständige Aufsichtsbehörde über eine Schwangerschaft unter Anga- be des Namens, des voraussichtli- chen Entbindungstermins, der Ar- beitszeit und der Art der Tätigkeit der Schwangeren zu informieren (Schwangerschaftsanzeige). Darüber hinaus trifft ihn die Pflicht, den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen einer werden- den oder stillenden Mutter so zu ge- stalten, dass Leben und Gesundheit von Mutter und Kind durch die be- rufliche Tätigkeit nicht gefährdet werden. Das bedeutet, dass der Ar- beitgeber sofort nach Bekanntgabe der Schwangerschaft eine sorgfäl- tige Beurteilung des Arbeitsplat- zes und der Arbeitsbedingungen durchführen muss (Gefährdungs- beurteilung). Die Beurteilung er- streckt sich auf jede Tätigkeit, die die werdende oder stillende Mut- ter durchführt und beinhaltet Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung. Sofern die Gefährdungsbeur- teilung ergibt, dass die Sicher- heit oder Gesundheit der werden- den oder stillenden Mutter oder des ungeborenen Kindes gefährdet ist, muss der Arbeitgeber geeigne- te Schutzmaßnahmen veranlassen. Diese können in der Umgestaltung des Arbeitsplatzes, im Arbeitsplatz- wechsel oder in der Freistellung wegen eines Beschäftigungsverbo- tes liegen. Beschäftigungsverbote ergeben sich zum einen aus individuellen Gründen, wenn nach ärztlichem Zeugnis bei Fortdauer der Tätig- keit Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet sind. Zum anderen erwachsen Beschäf- tigungsverbote auch aus objekti- ven Voraussetzungen: Verbot der Nachtarbeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr, Verbot der Mehrar- beit (Arbeitszeiten von mehr als 8,5 Stunden pro Tag bzw. 90 Stunden in der Doppelwoche), Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit. In Zahn- arztpraxen besonders entscheidend ist das Verbot der Beschäftigung mit sehr giftigen, giftigen, gesund- heitsschädlichen oder in sonstiger Weise den Menschen chronisch schädigenden Gefahrstoffen, wenn der Arbeitsplatzgrenzwert (AWG) überschritten wird. Hinweise zu Gefahrstoffen finden sich auf Pro- duktverpackungen und den da- zugehörigen Sicherheitsdatenblät- tern. Arbeitsplatzgrenzwerte für Gefahrstoffe finden sich in den Technischen Regeln für Gefahrstof- fe. Beispiele für Gefahrstoffe sind Desinfektions- und Reinigungsmit- tel, Lösemittel, Röntgenchemikalien und Quecksilber. In der Regel wird das Beschäf- tigungsverbot auszusprechen sein aufgrund des Verbotes der Beschäf- tigung mit Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen, die ihrer Art nach erfahrungsgemäß Krankheits- erreger übertragen können, wenn die werdende Mutter den Krank- heitserregern ausgesetzt ist. Da Krankheitserreger sowohl in Blut und Körperflüssigkeiten wie Aero- solen, welche bei der Behandlung entstehen, vorhanden sind, besteht eine Infektionsgefahr, insbesonde- re bei der Assistenz am Behand- lungsstuhl, bzw. bei der schwange- ren angestellten Zahnärztin bei der Behandlung am Patienten, sowie bei der Anfertigung und Bearbei- tung von Abdrücken. Schutzhandschuhe stellen nach der geltenden Rechtsprechung kei- ne wirksame Maßnahme zur Ab- wendung der Gefahren dar, sofern gleichzeitig mit stechenden, schnei- denden oder rotierenden Instru- menten umgegangen wird und da- mit eine Verletzungsgefahr besteht. Unter diesen Aspekten ist ein Be- schäftigungsverbot zumindest für folgende Arbeiten auszusprechen: die Assistenz bei Operationen, wie z.B. die Parodontosebehandlung, das Entfernen von Zahnstein, das Abblasen, Bohren und Fräsen, Auf- räumen, Reinigen und Desinfizie- ren verunreinigter Instrumente sowie die Bearbeitung nicht desin- fizierter Abdrücke. In den allermeisten Praxen ist zudem die Röntgenverordnung (RöV) zu beachten. Zwar besteht kein grundsätzliches Beschäfti- gungsverbot mehr für die Tätigkeit einer Schwangeren im Kontroll- bereich, dennoch hat der Arbeit- geber Überwachungsmaßnahmen zur Einhaltung und zur Dokumen- tation der Grenzwerte der Rönt- genverordnung zu beachten (z.B. §31a Abs. 4 RöV). Der Arbeitgeber hat die Pflicht nach §35 Abs. 6 S.2 RöV die Strahlenexposition wö- chentlich zu ermitteln, diese aufzu- zeichnen (§35 Abs. 4 RöV) und die- se Aufzeichnungen entsprechend aufzubewahren (bis zum 75. Le- bensjahr der schwangeren Ange- stellten, mindestens jedoch 30 Jah- re nach Beendigung der jeweiligen Beschäftigung!). Dies insbesondere deshalb, da dem Arbeitgeber bei Nichteinhaltung dieser Überwa- chungsmaßnahmen von der zustän- digen Aufsichtsbehörde ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro auf- erlegt werden kann. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber, sofern die schwangere Zahnärztin ein behin- dertes Kind zur Welt bringen soll- te und die Behinderung des Kindes auf den Röntgeneinsatz zurückge- führt werden kann, sich Schaden- ersatzforderungen für das geschä- digte Kind ausgesetzt sieht. Kann er dann nicht die Einhaltung der Überwachungsmaßnahmen nach der RöV detailliert nachweisen, be- steht die Gefahr einer lebenslan- gen Schadenersatz- und Unterhalts- verpflichtung. Die Tätigkeit einer Schwangeren in Überwachungsbe- reichen wird hingegen nicht durch die RöV eingeschränkt. Geltung des Beschäftigungsverbots Wichtig und entscheidend ist, dass die vorgenannten objektiven Beschäftigungsverbote bereits ab ©VGstockstudio ©SydaProductions Der gesetzliche Mutterschutz hat die Aufgabe, die (werdende) Mutter und ihr Kind vor Gefährdung, Überfor- derung und Gesundheitsschädigung am Arbeitsplatz, vor finanziellen Einbußen sowie vor dem Verlust des Arbeitsplatzes während der Schwan- gerschaft und einige Zeit nach der Geburt zu schützen. Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt für alle (werdenden) Mütter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, das heißt auch für Heimarbeiterin- nen, Hausangestellte, geringfügig Beschäftige und weibliche Auszu- bildende. Weitere Regelungen zum gesundheitlichen Schutz werdender Mütter vor Gefahren, Überforderung und der Einwirkung von Gefahrstof- fen am Arbeitsplatz finden sich un- ter anderem in der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV). Damit der Arbeitgeber die Mutter- schutzbestimmungen einhalten kann, sollen Frauen dem Unternehmen ihre Schwangerschaft und den mutmaßli- chen Tag der Entbindung mitteilen, sobald ihnen diese Tatsachen be- kannt sind. Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Mutterschutzgesetz

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