Zahnerhaltung steht beim diesjährigen Bayerischen Zahnärztetag im Mittelpunkt.
n Dr. Herbert Michel (Foto), Referent Prophylaxe, Alters- zahnmedizin, Behinderten- zahnmedizin der Bayerischen Landeszahnärztekammerund Vorsitzender der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit e.V. (LAGZ), berichtet im Interview über Leistungen und Herausforderungen in der zahnmedizinischen Prävention. Was waren aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren die entscheidenden Veränderungen im Bereich der Zahnerhaltung? EshatseitvielenJahreneingrund- sätzliches Umdenken in der Zahnme- dizin stattgefunden: weg vom Repara- turbetrieb, hin zur präventionsorien- tiertenZahnheilkunde.ImMittelpunkt steht das Bestreben, Zahnerkrankun- gen vorzubeugen und die eigenen ZähnemöglichsteinLebenlanggesund zu erhalten. Wenn allerdings ein Zahn erkrankt, ist man heute in der Lage, wesentlichschonenderbeiderBehand- lung vorzugehen als noch vor einigen Jahren. Diese Entwicklung lässt sich gut in der Kariestherapie verdeutlichen: Hat sich der Zahnarzt früher noch an den Blackschen Regeln – extension for prevention – orientiert, eliminiert man heute gezielt nur noch krankeZahnsubstanz.Er- möglicht hat diesen Fort- schritt minimalinvasiver Therapieverfahren nicht zuletzt der hohe Entwick- lungsstand der Kompo- site. Auch in der moder- nen Parodontalbehand- lung kann der Zahnarzt heute viel ge- zielter und differenzierter Antibiotika einsetzen und mit minimalinvasiven Behandlungsmethoden vorgehen. Eine engmaschige unterstützende Parodon- taltherapie hat sich hierbei als Erfolgs- faktor der Erhaltungstherapie heraus- gestellt. Nicht zuletzt auch in der Endo- dontie wurden eine Reihe optimierter Aufbereitungs- und Füllungstechniken entwickelt, die den langfristigen Erfolg einer Wurzelbehandlung garantieren sollen. Das Revolutionäre an der Ent- wicklung hin zur präventionsorientier- ten Zahnmedizin ist das Primat der Krankheitsvermeidung. Worin sehen Sie die größten Her- ausforderungen in der Individual- prophylaxe? Ich sehe die größte Herausforde- rung darin, unsere Patienten zu lebens- begleitender Prophylaxe zu motivieren. Denn die Prophylaxe wirkt erst dann nachhaltig, wenn sie systematisch und das ganze Leben lang, d.h. vom ersten Milchzahn bis zum letzten bleibenden Zahn, praktiziert wird. Damit dies ge- lingt, kommt dem Praxisteam die Auf- gabe zu, Patienten zu motivieren, zu in- formieren,zuinstruierenundzuremoti- vieren. Es gilt, ihnen die Zusammen- hänge für die Krankheitsentstehung sowie die Rolle der Zahn- und Mundhy- giene zu erklären sowie Möglichkeiten undGrenzenaufzuzeigen.DasEntschei- dende ist, bei den Patienten den Willen zu eigenverantwortlichem Handeln für ihre Zähne zu wecken. Das Praxisteam mussdafürbeiMotivation,Information, Instruktion und Remotivation mit sehr viel Sensibilität, Fingerspitzengefühl und Flexibilität altersgerecht und für den Laien verständlich vorgehen. Der er- hobene Zeigefinger bzw. allzu missiona- risches Vorgehen ist kontraproduktiv. Sie sind in der Bayerischen Lan- deszahnärztekammer zuständiger Referent für Prophylaxe und Al- terszahnmedizin. Was kann eine Kammer in puncto Prävention tun – für Patienten und für Zahnärzte? Ich sehe die Aufgabe der Kammer darin,ihreMitgliederinihremBestreben zur geschilderten Motivation, Informa- tionundInstruktionderPatientendurch entsprechendes Informationsmaterial, Kongresse und fachliche Fortbildung zu unterstützen. Im Blick auf den älteren Patienten gilt es, die Kollegen für ein En- gagement im Rahmen des von der BLZK etablierten Patenzahnarztmodells zu sensibilisieren. Nicht ohne Stolz darf ich sagen, dass es so gelungen ist, weitestge- hend eine Flächendeckung in der zahn- medizinischen Betreuung von immobi- lenPatienteninSeniorenheimenzuerrei- chen.FürdieZukunftsollendieKollegen motiviert werden, auch für diese Patien- tengruppe eine systematische zahnme- dizinischeProphylaxeanzubieten. Zudem bringt sich die BLZK in den entscheidenden Gremien auf Bundes- ebene mit ihrem Sachverstand ein und pflegt durch Teilnahme an den Koordi- nierungskonferenzen den Erfahrungs- austausch mit den Fachkollegen der Länderkammern. Bei der Arbeit der LAGZ steht die zahnärztliche Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen im Vorder- grund.DieLAGZistdabeiseitvielenJah- ren sehr erfolgreich. Welche Aufgaben liegen noch vor Ihnen? Grundsätzlich ist die Basis-Grup- penprophylaxe eine immerwährende Aufgabe in Kindertagesstätten, Kinder- gärten, Förderschulen, Grundschulen, Hauptschulen und Gymnasien. Immer wichtiger wird die sogenannte aufsu- chende Prophylaxe, deren Ziel es ist, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebenswelt anzusprechen und dort Prophylaxe zu praktizieren. Die wohl größte Herausforderung besteht darin, auch die Kinder und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko zu erreichen. In Bayern startet zu Beginn des neuen Schuljahres 2010/2011 ein Pilot- projekt zur täglichen Zahn- und Mund- pflege an neun Ganztagesschulen. Mit dieser Aktion ist die LAGZ Vorreiter in Deutschland. Außerdem hat die LAGZ ein anderes ambitioniertes Projekt in Augsburg gestartet: das „Bündnis für gesunde Kinderzähne“. Ziel ist, früh- kindlicheKarieszuverhindern.Ineiner bis dato einmaligen Vernetzung von LAGZmitderBLZK,derKZVB,demZBV Schwaben,demBundesverbandderKin- der- und Jugendärzte – Regionalgruppe Augsburg, dem Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Zahnheilkunde in Bayern (VFwZ), dem Krankenhaus Josephinum in Augsburg sowie dem Ge- sundheitsamt der Stadt Augsburg soll bei jungen Müttern das Bewusstsein für gesunde Kinderzähne geschaffen wer- den. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Hebammen, Entbindungsstationen und Kinderärzte. Von ihnen werden spezielleZahnputzsets,Infomaterialund auch der von der BLZK herausgegebene Zahnärztliche Kinderpass verteilt. Zu- künftigsolldieAktionaufandereStädte ausgedehnt werden. 7 Aktuellestoday Michael Schwarz und Christian Ber- ger. Dr. Torsten Hartmann, Oemus Media AG, moderiert die Diskussion. Kritischer Festvortrag zur universitären Ausbildung Der Zahnärztetag wird wie ge- wohnt mit einem Festakt am Vor- abend eröffnet. Er findet am 21. Ok- tober 2010 im Westin Grand Mün- chen Arabellapark Hotel statt. Den Festvortrag hält Professor Dr. Kon- rad Paul Liessmann, Vizedekan der Fakultät für Philosophie und Bil- dungswissenschaft an der Univer- sität Wien. Sein Thema: „Die Leere des europäischen Hochschulraumes“. Liessmann widmet sich kritisch der Eigendynamik, die der Bologna-Pro- zess entwickelt hat. Die Universitä- ten stehen im Spannungsfeld von Ausbildungsnotwendigkeiten und Bil- dungsanspruch. Kritisch sieht er die aufgeblähte Verwaltung, exzessive Modularisierungen, überfrachtete Stu- dienpläne und die mit dem Bologna- Prozess einhergehenden zahllosen Reglementierungen. Die Universitä- ten seien immer paradoxeren Anfor- derungen ausgesetzt. Professor Liess- mann stellt dementsprechend in sei- nem Vortrag die Frage nach dem Wesen, den Aufgaben und Möglich- keiten, aber auch nach den Grenzen der universitären Ausbildung. Alle Zahnärzte und am Thema Interessiertesindherzlichdazueinge- laden, ab 19.00 Uhr an der Eröffnung des 51. Bayerischen Zahnärztetages teilzunehmen. 7 « Fortsetzung von Seite 25 Leistungen und Herausforderungen in der zahnmedizinischen Prävention Zahnerhaltung steht beim diesjährigen Bayerischen Zahnärztetag im Mittelpunkt. n Von „Verweiblichung“ oder „Feminisierung“ im zahnärzt- lichen Berufsstand ist immer häufiger die Rede. Der Anteil der Frauen in den Universitäten steigt kontinuierlich. Logi- sche Konsequenz: Die „-innen“ überholen ihre männlichen Kollegen zahlenmäßig rasant bei der Berufsausübung. DieBLZKwolltemehrzurVereinbarkeitvonFamilieund Zahnarztberuf erfahren: Für welche Form der Berufsaus- übungentscheidensichFrauen,wierichtensie sich ein, wenn Kinder kommen, wann undinwelchesUmfeldkehrensiein denBerufzurück.Über4.000baye- rische Zahnärztinnen wurden bei einer vollständig anonym durch- geführten Fragebogenaktion ein- bezogen.MichaelSchwarz,Präsi- dent der BLZK, warb persönlich für die Fragebogenaktion, damit dieBLZK„künftignochbesserauf die Vorstellungen und Forderun- genderZahnärztinneneingehenkann“. Fast genau 30 Prozent der Fragebögen kamen bis Juni ausgefüllt zurück. Mit dieser überwältigenden Resonanz hatte niemand gerechnet. „Burn-out“ und „Selbstausbeutung“ Erste Trends der Auswertung, die das Institut für Freie BerufeNürnberg(IFB)übernommenhat,liegenzwischenzeit- lich vor: Insbesondere selbstständige Zahnärztinnen sehen sich benachteiligt. Durch die Belastungen in der Niederlas- sungsphase tritt die Familienplanung in den Hintergrund. NachderGeburteinesKindesmussdiePauseoftaufeinMin- destmaßbeschränktwerden–Tenor:„ManhatalsSelbststän- digekeineandereWahl,alssofortnachderGeburtwiederzu arbeiten.“ Besonders schwierig ist laut Umfragetrend die Si- tuationfürZahnärztinneninEinzelpraxen.NichtwenigeZahn- ärztinnensindderMeinung,dassKinderundPraxisführung nicht vereinbar seien. Von „Burn-out“ und „Selbst- ausbeutung“ ist die Rede. Auch die Kinder seien häufigerheblichenBelastungenausgesetzt. Große Defizite gibt es bei Kinderkrip- penplätzen. Fehlen diese, muss das soziale Umfeld eine ausreichende Betreuung der Kindergewährleisten.BesondereProbleme gibtesimKrankheitsfall–sowohlwenndie ZahnärztinalsauchwenneinKindkrankist. DiesistnureinersterEinblickindieAus- wertung des insgesamt fünfseitigen Fragebo- gens mit 21 Einzelfragen. „Wir packen das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Zahn- arztberuf an – nach den Prioritäten, die uns die bayerischenZahnärztinnenvorgeben“,soSchwarz. Sicherlich sind die Ergebnisse für alle Zahnärz- tinnen in Deutschland interessant. Die Veröffent- lichung erfolgt zunächst über das Bayerische Zahnärzteblatt bzw. überwww.blzk.de 7 BLZK befragt Zahnärztinnen: Resonanz übertrifft alle Erwartungen Jede dritte bayerische Zahnärztin nahm an der Fragebogenaktion zumThema Vereinbarkeit von Familie und Beruf teil. München 2010Seite 4 Patientenbroschüren Das Prophylaxereferat der BLZK unter Leitung von Dr. Herbert Michel hat eine Reihe von Informationsbroschüren herausgegeben. Die Themen: Prophylaxe, Parodontitis, Implantate, Gesunde Kinderzähne und Professionelle Zahnrei- nigung. Die überwältigende Nachfrage zeigt, dass Dienstleistungsprodukte der Kammer sowohl bei Patienten als auch bei Zahnärzten Anklang finden. Bestellung unter www.blzk.de/shop oder unter Fax 089 72480-272