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Dental Tribune German Edition No.1, 2017

10 DENTAL TRIBUNE · German Edition · Nr. 1/2017 Science für eine Medikamenten-assoziierte Osteonekrose.6, 19–21 Bei insgesamt schlechter Datenlage wird das Risiko für eine Osteonekrose nach Zahnex- traktion auf zwischen 0,5 (orale Bis- phosphonatgabe) und 1,6 bis 14,8 Prozent (i.v.-Gabe) geschätzt.6, 22–25 Je länger die ­ laufende Behandlungszeit der antiresorptiven Therapie, desto höher scheint das Risiko. So steigt es etwa bei Osteoporosepatienten inner- halb vier Jahren um den Faktor 10.4 Prospektive Studien zeigen ins- gesamt die eher niedrigeren Wahr- scheinlichkeiten. Möglicherweise ist dies auf die optimalere, d.  h. konse- quent richtliniengetreue Behand- lung der Patienten im Studiensetting zurückzuführen. Für Behandlungen gelten nämlich einige wesentliche Grundsätze1 , welche das Risiko von MRONJ minimieren sollen: • Falls medizinisch vertretbar, die GabevonantiresorptivenMedika- menten etwa drei Monate vor dem Eingriff sistieren und bis zur voll- ständigen Wundheilung sistiert lassen. • „Atraumatische OP“: minimale Deperiostierung, konsequente Glättung scharfer Knochenkan- ten. • Immer primärer (plastischer) und unbedingt spannungsfreier Wundverschluss. • Antibiotische Therapie ab dem Tag vor der Operation bis zum Ab- schluss der primären Wundhei- lung. So oder so zeigen aber die obigen Wahrscheinlichkeitsangaben, dass auch unter Einhaltung aller Empfeh- lungen ein relevantes Risiko für Osteonekrosen infolge von ver- meintlich „simplen“ Zahnentfer- nungen besteht. Risikokennziffern für andere oralchirurgische Eingriffe (namentlich Implantationen, Wur- zelspitzenresektionen und Parodon- talbehandlungen) sind nicht be- kannt.ExpertenschätzendieRisiken dort vergleichbar denen bei Zahn­ entfernungen ein.6 Die obigen Grundsätze für die Behandlung von Patienten unter antiresorptiver Therapie sollten schließlich also immer dann exakt befolgt werden, wenn Maßnahmen erforderlich werden, welche den Knochen (auch nur geringfügig) be- treffen. Häufigste Beispiele im all­ gemeinzahnärztlichen Alltag sind: Extraktionen (auch von schon gelo- ckerten Zähnen), Implantationen (siehe unten), Wurzelkanalbehand- lungen, Wurzelspitzenresektionen undeine(auchkonservative)subgin- givale Parodontitistherapie. Sonderfall Implantologie Am schwierigsten ist sicher die Entscheidungsfindung für oder gegen einen oralchirurgischen Ein- griff im Bereich der Implantologie. Dies natürlich, da es sich hier in der Regel um elektive Eingriffe handelt, die im Gegensatz zu fast allen ande- ren zahnärztlichen Behandlungen am Knochen eben nicht der Beseiti- gung eines schon vorbestehenden Infektherdes dienen. Der erste Ge- danke ist daher in der Regel eine Ablehnung von Implantationen bei Patienten unter antiresorptiver Therapie. Nichtsdestotrotz muss die jewei- lige Situation aber wesentlich diffe- renzierter betrachtet werden. Insbe- sondere ist ja auch ein schleimhaut- getragener Zahnersatz ein schon lange nachgewiesener Risikofaktor für das Entstehen einer MRONJ.1,21 Jede Druckstelle kann eine Osteone- krose induzieren. Leider gibt es nicht viel wissenschaftliche Literatur zum Thema.26, 27 Abgesehen werden sollte von Implantationen bei Patienten mit bestehenden oder stattgehabten Os- teonekrosen. Ebenso sollten kom- plexere Eingriffe am Knochen (ein- oder zweizeitige Aufbauten, Sinus- lift etc.) vermieden werden. Die Er- folgsaussichten sind hier deutlich reduziert. Insbesondere in der niedrigen, aber wohl auch in der mittleren Risi- kogruppe sind jedoch Zahnimplan- tate bei fehlender prothetischer Al- ternative(!) nicht grundsätzlich kontraindiziert. Selbstverständlich muss eine ausführliche und doku- mentierte Aufklärung erfolgen28 und es stellt sich auch die Frage, ob solche Patienten nicht grundsätzlich zum Spezialisten überwiesen wer- den sollten. Dies alleine schon aus forensischen Gründen und um Re- putationsrisiken für den Fall eines Misserfolges zu vermeiden. Wenn die Osteonekrose aufgetreten ist Trotz aller prophylaktischer Maßnahmen und sorgfältigster, richtlinienkonformer Behandlung können bei Patienten unter antire- sorptiver Therapie Osteonekrosen auftreten. Zumindest Stand heute müssen diese als „unvermeidlicher" Nebeneffekt der Hauptbehandlung in Kauf genommen werden. Typische klinische Hinweise auf eine Osteonekreose können sein:1 • Foetor ex ore • Zahnlockerung • Kieferkammfisteln • Schwellung (Ödem, Weichgewe- beinduration, Fluktuation) und Exsudation • Schmerz • spontane Sensibilitätsstörung in der Unterlippe (Vincent-Symp- tom). Symptome treten jedoch keines- falls immer auf. Patienten können trotz ausgedehnter Osteonekrosen subjektiv und klinisch völlig symp- tomfrei sein. Das – wie oben bereits erwähnt – die Behandlung der MRONJ in jedem(!) Stadium an- spruchsvoll ist, zeigt sich bereits in ihrer Definition, welche eine fachärztliche Betreuung fordert: Be- stehen muss nämlich die Trias aus a) freiliegendem / sondierbarem Kie- ferknochen, der nicht innerhalb von acht Wochen nach fachärztlicher Be- handlung abheilt; b) antiresorptiver Medikation in der Anamnese, und c) Anamnese ohne Strahlentherapie der Kopf-Hals-Region.4,29 Von dieser Basis ausgehend, teilt man die Problematik in verschie- dene Stadien ein. Die Einteilung va- riiert je nach Richtlinie in einigen Details, ist im Großen und Ganzen aber international anerkannt und auch einheitlich. Tabelle 5 gibt eine Zusammenschau zur schnellen Ori- entierung bzgl. Stadium, Klinik und eventueller Therapieoptionen. Ge­ mäß Literatur zeigt die konservative Therapie oder das rein oberfläch­ liche Abtragen von nekrotischen Knochenanteilen ohne anschließen- den plastischen Verschluss nur Hei- lungsraten von knapp 25 resp. sogar unter 20 Prozent. Dies ist auch lo- gisch. Ist doch wie oben ausgeführt eine achtwöchige erfolglose konser- vative Behandlung durch einen Facharzt schon Bestandteil der MRONJ-definierenden Trias. Da- hingegen führt die operative Thera- pie in etwa 90 Prozent der Fälle zum auch langfristigen Erfolg.1 Zusammenfassung Grundsätzlich zeigt sich im Zusammenhang mit antiresorpti- ven Medikamenten erneut, wie wichtig es ist, eine vollständige Liste aller vom Patienten einge- nommenen Medikamente zu er- halten und diese auch zu bespre- chen. Bei mehreren involvierten Behandlern und älteren, multi- morbiden Patienten kann dieses Unterfangen alleine aber durchaus schon zu einer Herausforderung werden. Unbedingt sollte jeder Patient auch ganz konkret nach einer Osteoporose, Tumor-/Krebserkran- kungen, knochenstärkenden Medi- kamenten und Bestrahlungen ge- fragt werden. Auch wenn die operative Therapie von MRONJ-­ Läsionen zunehmend gute Erfolge zeigt und somit Bedeutung ge- winnt,4, 30, 31 liegt das Hauptaugen- merk dennoch auf der Prävention. Richtlinien für die Behand- lung von Patienten unter antire- sorptiver Therapie existieren und sollten immer dann exakt befolgt werden, wenn Maßnahmen erfor- derlich werden, welche den Kno- chen (auch nur geringfügig) be- treffen. Häufige Beispiele im allge- meinzahnärztlichen Alltag sind Extraktionen und Implantationen, aber genauso auch Wurzelkanalbe- handlungen oder Wurzelspitzen- resektionen sowie eine subgingi- vale Parodontitistherapie.4 Schließlich muss patienten­ individuell entschieden werden, was für den Einzelnen letztlich sinnvoll und erforderlich ist. Die frühzeitige und offene Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, Hausarzt, Onko­ logen und Zahnarzt bei allen Pa­ tienten unter antiresorptiver Therapie er- weist sich dabei als essen­ ziell. Die größte Schwierigkeit stellt hierbei aktuell und in mittlerer Zukunft höchstwahrscheinlich wohl die Entscheidungsfindung zwischen schleim­hautgetragenem Zahner- satz und dem Einsatz von Implan- taten dar. DT • Entfernung von nicht erhaltungs- würdigen Zähnen und Implantaten. • Sanierung von Schlupfwinkelinfek­ tionen: · Entfernung von teilretinierten Zäh- nen mit chronischer Perikoronitis. · Entfernung von Zysten, Fremdkör- pern und anderen chronischen In- fektionsherden. · Wurzelkanalbehandlung avitaler nicht wurzelbehandelter Zähne. · Wurzelspitzenresektionen bei kli- nisch symptomatischer apikaler Parodontitis. · Beginn einer systematischen Paro- dontaltherapie an erhaltungswür- digen parodontal erkrankten Zäh- nen (kann unter antiresorptiver Therapie fortgesetzt werden) · Beginn einer systematischen Peri- implantitistherapie an erhaltungs- würdigen Implantaten (kann unter antiresorptiver Therapie fortge- setzt werden). • Die Sanierung bestehender und die Vermeidung zukünftiger Keimein- trittspforten: · Behandlung bestehender Druck- stellen (Anpassung/Neuanferti- gung des Zahnersatzes). · Minderung des Druckstellenrisikos durch: · Optimierung der Prothesenbasis. · Glätten scharfer Knochenkanten, Exostosen und Tori bei relevantem Risiko zur zukünftigen Mukosaper- foration. • Motivation und Instruktion zu über- durchschnittlicher Mundhygiene. • Risikoadaptierte Eingliederung des Patienten in ein Recall-Programm. Tabelle 4: Zahnärztliche Behandlungen, welche im Rahmen der Herdabklärung aufgegleist und vor Beginn einer antire­ sorptiven Therapie beendet sein sollten.1 Kontakt PD Dr. Dr. Heinz-Theo Lübbers Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Archstr. 12 8400 Winterthur, Schweiz theo@luebbers.ch Tel.: +41 52 203 52 22 Infos zum Autor Stadium Symptome Behandlungsstrategie „at risk“ Keine n.a. 0 Klinische oder radiologische Symptome ohne freiliegenden/ sondierbaren Knochen (geht zu etwa 50 % später in höheres Stadium über!) Schmerztherapie Antibiotikatherapie 1 freiliegender/sondierbarer Knochen* Antibakterielle Mundspülungen Vierteljährliche klinische Kontrollen 2 freiliegender/sondierbarer Knochen* mit • lokalen/regionalen Entzün- dungszeichen (Schmerzen, Schwellung, ...) Antibakterielle Mundspülungen Schmerztherapie Antibiotikatherapie Debridement 3 Stadium 2 mit mind. einem weiteren Kriterium: · pathologische Fraktur · Fistel nach extraoral, antral oder nasal · bis Unterkieferrand resp. Kieferhöhlenboden reichende Osteolyse Antibakterielle Mundspülungen Schmerztherapie Antibiotikatherapie Debridement oder Resektion * unter adäquater fachärztlicher Therapie länger als 8 Wochen bestehend, Anamnese enthält antiresorptive Therapie, aber keine Bestrahlung in der Kopf-Hals-Region Mobile Knochensequester werden in jedem Stadium entfernt. Zähne im osteonekro- tisch freiliegenden Knochen können jederzeit entfernt werden. Tabelle 5: Stadieneinteilung der Medikamenten-assoziierten Osteonekrose des Kiefers. 1, 4, 6 4 6 7 5 Abb. 4: Freiliegender Knochen nach „banaler Zahnentfernung“ unter XGEVA®. – Abb. 5: Operative Revision in Intubationsnarkose zum plastischen Verschluss. Kieferhöhle nach Abtragen des nekrotischen Knochens punktuell eröffnet. – Abb. 6: Im Rahmen einer operativen Revision entfernter Sequester bei Bisphosphonat-Osteonekrose. – Abb. 7: Osteo­ nekrose mit Sequesterbildung im Unterkieferseitenzahnbereich beidseits. Tel.: +41522035222 467

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