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Dental Tribune Swiss Edition No. 12, 2016

20 Continuing Education DENTAL TRIBUNE Swiss Edition Nr. 12/2016 · 5. Dezember 2016 Erosionen sind säurebedingte Zahn- hartsubstanzverluste, die durch endogen oder exogen zugeführte Säuren hervorgerufen und durch verhaltensabhängige (Mundhygiene, Ess- und Trinkverhalten) und biolo- gische Faktoren (Allgemeinerkran- kungen) moduliert werden. Endo- gene Faktoren stellen Erkrankungen dar, die zu einem vermehrten Ma- gensäurekontakt in der Mundhöhle führen, wie z.  B. Bulimia nervosa, Reflux oder Alkoholabusus.1 Exogen verursachte Erosionen können bei Personengruppen entstehen, die ein bestimmtes Ernährungsverhalten zei- gen, z.  B. einen häufigen Konsum von säurehaltigen Lebensmitteln und Getränken. Das Erosionsrisiko korreliert dabei mit steigender Fre- quenz und Dauer der Säureeinwir- kung.2 Weitere prädisponierende Faktoren, wie die Einnahme saurer Medikamente (z. B. Acetylsalicyl- säure) oder die berufliche Säure­ exposition spielen eine eher unter­ geordnete Rolle.3 Patienten, die unter einer Hypo- salivation oder Xerostomie leiden, weisen ein erhöhtes Erosionsrisiko auf, da die Spül- und Pufferfunktio- nen des Speichels reduziert sind und die Säure somit länger einwirken kann.4 Diagnose dentaler Erosionen Initial kommt es bei dentalen Erosionen zu einem Verlust der Perikymatien und dadurch zu einer matt erscheinenden Zahnoberflä- che. Fortgeschrittene Erosionen zei- gen sich häufig durch muldenför- mige Substanzverluste an den Höckerspitzen (Abb. 1), die bei schwerer Ausprägung zu einem Ver- lust des Höcker-Fissurenreliefs und dadurch zum Verlust der Vertikaldi- mension führen können. Endogene Erosionen sind eher an den Palati- nal-/Lingualflächen (Abb. 2) lokali- siert, während exogene Erosionen meistens auf den Labialflächen der Frontzähne zu finden sind. Die Diagnostik von erosionsbe- dingten Zahnhartsubstanzverlusten kann mit dem BEWE-Index erfolgen (Tab. 1), aus dem auch entspre- chende Therapieempfehlungen ab- geleitet werden können.5 In jedem Sextantenwirddazuderamschwers- tenbetroffeneZahnbewertet–Wert0: keine Erosion, Wert 1: beginnender Verlust der Oberflächenstruktur, Wert 2: deutliche Schädigung < 50 Prozent der Zahnober­ fläche betrof- fen, Wert 3: deutliche Schädigung >  50 Prozent der Zahnoberfläche betroffen. Durch Addition der Werte der Sextanten wird ein Gesamtwert (Summe BEWE) gebildet. Durch den Gesamtwert kann der Schwere- grad der Erosion ermittelt und die jeweilige Therapieempfehlung abge- leitet werden. Differenzialdiagnostisch sind von den Erosionen die mechanisch ver- ursachten Zahnhartsubstanzverluste (Abrasionen und Attritionen) abzu- grenzen. Es kann jedoch zu Überla- gerungen der Defektarten kommen, wodurch eine genaue Zuordnung nicht immer eindeutig vorgenom- men werden kann. Fluoridierungsmassnahmen Mundhygienemassnahmen können das Voranschreiten von Erosionen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen, wobei die po- sitiven Effekte potenzielle Neben- wirkungen bei Weitem überschrei- ten. Die Anwendung von Fluoriden hat nicht nur eine kariespräventive Wirkung, sondern kann auch das Voranschreiten von Erosionen hem- men. Die erosionshemmende Wir- kung von Aminfluorid und Natri- umfluorid beruht auf der Bildung einer kal­ ziumfluoridhaltigen Ober- flächenschicht, die als Schutzschicht gegen Säuren wirkt und aufgelöst werden muss, bevor die darunterlie- gende Zahnhartsubstanz deminera- lisiert wird. Da diese kalziumfluo- ridhaltige Schicht vergleichsweise rasch durch Säuren aufgelöst wird, müssen die fluoridhaltigen Pro- dukte sehr häufig bzw. in hohen Konzentrationen aufgetragen wer- den, um eine gute Wirkung zu erzie- len.6 Verschiedene Studien haben gezeigt, dass durch die Anwendung von Natriumfluoridlösungen eine Reduktion des Schmelzverlustes um 18–29 Prozent und der Dentinero­ sionen um 23–29 Prozent erzielt werden konnte (siehe Übersichts­ arbeit7 ). Vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Fluoridierung zei- gen Mundspüllösungen oder Zahn- pasten, die Zinnchlorid oder Zinn- fluorid enthalten. Sie bilden sehr säureresistente Präzipitate auf der Zahnoberfläche und müssen i. d. R. nur ein- bis zweimal täglich ange- wendet werden.7 In Zahnpasta kann die Wirkung des Zinnchlorids durch die Zugabe von Chitosan verbessert werden. Die Kombination der bei- denWirkstoffe führt nachweislich zu einem geringeren Zahnoberflächen- verlust bei Erosionen im Vergleich zu Zahnpasten, die Zinn und Nat­ riumfluorid enthalten.8 Fluoridfreie Mundspüllösungen mit niedrigem pH-Wert sind nicht zu empfehlen (z.  B. Listerine Cool Mint, Bio- Repair Zahn- und Mundspülung).9 Zunehmend werden auch Zahn- pasten mit reparativen Eigenschaf- ten (z. B. Biorepair, Apacare) für die Prävention von Erosionen empfoh- len. Der antierosive Effekt soll durch Zusätze von Nanokristallen aus Hy- droxylapatit oder Zink-Carbonat- Hydroxylapatit erzielt werden, für die aber bislang im Vergleich zu flu- oridhaltigen Produkten (z. B. fluo­ ridierten Zahnpasten) keine über­ legene erosionsschützende Wirkung nachgewiesen werden konnte.10 Auch für andere Produkte, die einen erosionshemmenden Effekt aufwei- sen sollen, wie z. B. Casein Phospho- peptid–AmorphesCalciumphosphat (CPP-ACP), konnte bisher keine dem Fluorid überlegene Wirkung nachgewiesen werden.11 Zähnebürsten und Zahnpasta Nach einer erosiven Attacke kommt es zu einerVerringerung der Mikrohärte von Schmelz und Den- tin. Der Schmelz weist eine dadurch deutlich reduzierte Abrasionsstabi- lität auf. Durch mechanischen Ab- rieb (z. B. durch Bürsten mit einer abrasiven Zahnpasta) kann der demineralisierte Zahnschmelz zum Teil entfernt werden. Erosionspa­ tienten sollten zum Zähnebürsten deshalb immer eine wenig abrasive, fluoridhaltige Zahnpasta verwen- den. Fluoridhaltige Zahnpasten führen im Vergleich zu unfluori- dierten Produkten zu einem deut- lich geringeren Zahnhartsubstanz- verlust von erodiertem Schmelz.12 Ausserdem sollte das Zähnebürsten unmittelbar nach dem Säurekon- takt vermieden werden, um die demineralisierte Oberfläche nicht weiter zu schädigen. Für Patienten mit sehr hohem Erosionsrisiko kann alternativ empfohlen werden, die Zähne vor dem Säurekontakt zu bürsten.13, 14 Die Abrasion erodier- ter Zähne hängt neben der verwen- deten Zahnpasta auch vom An- pressdruck der verwendeten Zahn- bürste ab. Das Ausmass des Zahn- hartsubstanzverlustes nimmt dabei mit steigendem Anpressdruck zu. In einer Studie wurde gezeigt, dass manuelle Zahnbürsten mit einem stärkeren Druck eingesetzt werden als Ultraschall- oder Schallzahn- bürsten,unabhängig von der durch- geführten Technik und der Härte der oszillierenden Zahnbürste. Bei Erosionspatienten können deshalb Schallzahnbürsten empfohlen wer- den.15 Ergänzende Massnahmen Neben den bereits aufgeführten Mundhygieneempfehlungen kann bei Bulimiepatienten ergänzend das Ausspülen der Mundhöhle mit Was- ser oder einer fluoridhaltigen Mund- spüllösung nach einer erosiven At­ tacke empfohlen werden. Durch das Ausspülen werden die Säuren neu­ tralisiert und der pH-Wert im Mund gesenkt.13 Ebenso wird durch das Kauen zuckerfreier Kaugummis die Spei- chelproduktion angeregt. Die pro- tektive Funktion des Speichels wird infolgedessen unterstützt. Durch die Stimulation der Speichelfliessrate wird die Pufferkapazität erhöht. Gleichzeitig kommt es zur Steige- rung der Säure-Clearance und somit zu einem schnelleren Anstieg des pH-Wertes in der Mundhöhle.16 Harnstoffhaltige Kaugummis setzen zusätzlich durch bakterielle Enzyme Ammoniak und Kohlendioxid frei. Dadurch erfolgt neben der Erhö- hung der Speichelfliessrate auch eine Alkalisierung des sauren Speichels durch das freigesetzte Ammoniak.17 Bei Patienten mit einer bestehen- den Mundtrockenheit können Spei- chelersatzmittel empfohlen werden, wenn eine kausale Therapie der Mundtrockenheit nicht möglich ist. Bei der Wahl des Produktes sollte da- rauf geachtet werden,dass es sich um fluoridierte Produkte mit neutralem pH-Wert handelt, da ansonsten das Voranschreiten der Erosion geför- dert wird.18 Fazit Dentale Erosionen sind multi- faktoriell bedingt und können durch angemessene  Mundhygienemass- nahmen positiv beeinflusst werden. Schädliche Wirkungen von Mund­ hygienemassnahmen spielen insge- samt nur eine untergeordnete Rolle. Zusammengefasst kann Erosionspa- tienten geraten werden, das Zähne- bürsten mit fluoridhaltigen Zahn- pasten und geringem Anpressdruck durchzuführen. Zusätzlich können Zahnpasten und/oder Mundspül­ lösungen mit Zinnchlorid oder Zinnfluorid verwendet werden.Wei- tere Änderungen des Verhaltens, wie z.  B. das Kauen zuckerfreier Kau- gummis oder das Ausspülen mit Wasser nach einer erosiven Attacke, haben ebenfalls einen positiven Effekt. Die Progression des Zahn- hartsubstanzverlustes kann so durch eine  individuelle Anpassung der täg­ lichen  Mundhygie- negewohnheiten der Patienten  reduziert werden. DT Dentale Erosionen – Mundhygieneempfehlungen für betroffene Patienten Wie kann das Voranschreiten der Erosionen reduziert werden? Von Zahnärztin Marietta Manzke und Prof. Dr. Annette Wiegand, Göttingen, Deutschland. Abb. 1: Muldenförmiger Zahnhartsubstanzverlust an den Höckerspitzen eines Molaren. – Abb. 2: Erosiver Zahnhartsubstanz­ verlust an den Palatinalflächen der Oberkieferfrontzähne. 1 2 Tab. 1: Basic Erosive Wear Examination Index. Schweregrad Summe BEWE Therapieempfehlung nihil 0–2 – Routinekontrolle –  Wiederholung BEWE alle drei Jahre gering ≥ 3–8 – Ernährungsberatung –  Ausschluss intrinsischer Erkrankungen – Mundhygieneinstruktionen –  Monitoring mit Modellen und Fotos –  Wiederholung BEWE alle zwei Jahre mittel ≥ 9–13 –  wie oben – Fluoridierungsmassnahmen –  ggf. restaurative Massnahmen –  Wiederholung BEWE alle 6–12 Monate hoch ≥ 14 –  wie oben –  zusätzlich spezielle Betreuung –  restaurative Massnahmen –  Wiederholung BEWE alle 6–12 Monate Infos zur Autorin Kontakt ZÄ Marietta Manzke Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40 37073 Göttingen, Deutschland Tel.: +49 551 39-22884 marietta.manzke@ med.uni-goettingen.de Literaturverzeichnis 12 Tel.: +4955139-22884

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