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Dental Tribune Austrian Edition No.6, 2016

6 DENTAL TRIBUNE Austrian Edition Nr. 6/2016 · 8. Juni 2016 schen Aufarbeitung und Beurtei- lung vorbehalten. Dabei können zur Materialgewinnung folgende Techniken eingesetzt werden (Kra- mer & Toller 1973): • Aspirationsbiopsie • Inzisionsbiopsie • (obligate) postoperative Aufar- beitung des entfernten Gewebes. Fallbericht Anamnese Neuaufnahme eines männli- chen 42-jährigen Patienten in gutem Allgemeinzustand, Nicht- raucher, keine bekannten Aller- gien. Regelmäßig auswärts in zahnärztlicher Kontrolle. Zahn- arztwechsel mit Wunsch nach Jahres-Check-up und Abklärung einer wiederkehrenden Schwel- lung im Kieferwinkel rechts. Auf Nachfragen erinnert sich der Pati- ent, dass 1993 die Entfernung von Zahn 48 inkl. einer follikulären Zyste erfolgte (histologisch bestä- tigt). Radiologische Kontrollen seien bis in das Jahr 2002 durchge- führt worden und hätten nie einen V.a. Rezidiv der follikulären Zyste oder anderweitige Auffälligkeiten gezeigt. Jetziges Leiden Aktuell berichtet der 42-jäh- rige Patient, eine Nahrungsreten- tion hinter dem letzten Backen- zahn im Unterkiefer rechts be- merkt zu haben. Zudem habe sich auf Druck trübe Flüssigkeit ent- leert, die er wiederholt mit einer stumpfen Kanüle und Chlorhexi- din gespült habe. Vor zwei Wo- chen dann zunehmende Schwel- lung retromolar rechts, die kurz- zeitig verschwand und seit zwei Tagen erneut zunehme. Status praesens Von extraoral präsentiert sich eine leichte rechtsseitige Asymme- trie, die Kieferwinkelregion (An- gulus mandibulae) ist bei Palpa- tion ödematös geschwollen. Die intraorale Untersuchung ergab palpatorisch im Vestibulum eine leichte Schwellung. Die Sensibili- tät der Zähne 43 bis 47 war auf CO2 positiv, die Perkussion der ge- nannten Zähne negativ. Die Mundöffnung war uneinge- schränkt; SKD 50 mm. Eine kleine Eröffnung Regio 48 war sichtbar. (Abb. 1) Das Sondieren mit einer PA-Sonde erfolgt ohne Wider- stand. Die Spülung der Öffnung ist zuerst trüb, dann klar. Der Pa- tient hat bislang keine Schmerzen. Die grobkursorische neurologi- sche Untersuchung des N. trigemi- nus und des N. facialis war unauf- fällig. Die Sensomotorik war in- takt, die Kiefergelenke beidseits indolent und die Kaumuskulatur beidseits unauffällig. Die Lymph- knoten Level I–IV beidseits frei. Die zuerst angefertigten Biss- flügelaufnahmen zeigten eine Os- teolyse distal des Zahnes 47 bei kariesfreiem Gebiss und guter Mundhygiene. Die Indikation zur Anfertigung eines Orthopanto- mogrammes war aufgrund der un- klaren Schwellung in Kombina- tion mit der Osteolyse in der Biss- flügelaufnahme gegeben. Eingangsorthopantogramm bei Erstbefundung April 2015: Ra- diologischer Befund zeigt eine große unizystische Aufhellung in Regio 48 mit scharf begrenztem kortikalen Saum, welcher direkt distal 47 kranial unterbrochen ist. Zudem gibt es keine Resorptionen an Zahn 47 oder dem in Lage und Form unauffälligen Mandibular- kanal (Die Dichteunterschiede in- nerhalb der Läsion entsprechen nicht einer Mehrkammerigkeit, sondern reflektieren wohl am ehesten den partiellen Abfluss von Sekret durch spontane Entleerung und Spülung retromolar 47. Er- kennbar ist dementsprechend eine Spiegelbildung.) (Abb. 2). DVT bei Erstbefundung vom April 2015: Radiologischer Befund zeigt eine über 2 cm durchmes- sende unizystische Läsion Regio 48, der Mandibularkanal ist nicht tangiert, Wurzel 47 ist großteils, aber nicht komplett knöchern ab- gegrenzt, es ist keine wesentliche Knochenauftreibung als Expansi- onszeichen sichtbar, aber großteils intakte Kortikalisierung ohne An- zeichen für Destruktion festzu- stellen, einzig kranial anterior zeigt sich ein knöcherner Defekt. (Abb. 3, 4 und 5). Diagnostik Im Mai 2015 erfolgte die Biop- sie des Befundes in Leitungsanäs- thesie. Die histopathologische Ge- websuntersuchung (Abb. 8) ergab die Diagnose eines keratozysti- schen odontogenen Tumors. Die postoperative Wundheilung ver- lief komplikationslos. Therapie Im Juni 2015 erfolgte die sta- tionäre Behandlung des Patienten. Folgende Therapiealternativen standen zur Diskussion: 1. Unterkieferspangenresektion: Eine Unterkieferspangenresek- tion hätte die Entfernung des Zahnes 47 erforderlich gemacht. 2. Entfernung von knöchernen Rändern zur Marsupialisation: Bei einer Marsupialisation hätte ca. sechs Monate lang regelmä- ßig ein Streifenwechsel erfolgen müssen und zwar bis zur Ver- kleinerung des Tumors und an- schließend ggf. als Zweiteingriff das Entfernen des Resttumors. Nach Resektion und Rekons- truktion mittels Beckenkamm (monokortikal von rechts) sowie Spongiosa-Bio-Oss und Einbrin- gen einer 2.0-Platte (System Med- artis) konnte der Patient in gutem Allgemeinzustand wieder entlas- sen werden. Bei der ersten postope- rativen Kontrolle zeigte sich eine kleine Dehiszenz in Regio 47 dis- tal. Nach Spülung der Wunde er- folgte die Versorgung mittels eines Jod-Vaseline-Streifens. Orthopantomogramm post- operativ Juni 2015: regelrechter Status nach Tumorentfernung und Defektfüllung, Osteosynthese- platte in situ (Abb. 6). DVT postoperativ Juni 2015: regelrechter Status nach Tumor- entfernung und Defektfüllung, Osteosynthesematerial in situ, „Baseline“ Aufnahme für langfris- tig erforderlichen Follow-up (Abb. 7). Zusammenfassung Bei unklarer retromolarer Schwellung soll immer ein Ortho- pantomogramm in der Primär- diagnostik angefertigt werden. Anamnestisch muss auch das In- tervall zur eventuellen Weisheits- zahnentfernung erfragt werden. Die häufigsten Ursachen einer retromolaren Schwellung sind Zahnabszesse. Differenzialdiag- nostisch muss dabei aber immer auch an eine Zyste oder einen Tumor (vor allem ein KOT oder ein Ameloblastom) gedacht wer- den. Eine sorgfältige und detail- lierte medizinische Anamnese ist auch in der Zahnmedizin selbst- verständlich und ergibt bei 70 Pro- zent der Patienten eine Verdachts- diagnose, die durch körperliche Untersuchung und einschlägige Befunderhebungen nur noch zu si- chern ist (Battegay 2013). Danksagung Die Autorin dankt dem Pa- tienten für die Genehmigung der Veröffentlichung seiner Kranken- geschichte inkl. Röntgenbildern. Eine Patienteneinwilligung zur Publikation liegt vor. Die Autorin dankt Priv.-Doz. Dr. Dr. Astrid Kruse Gujer, Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Uster, für die zur Verfügung ge- stellte postoperative Bildgebung und die Durchsicht des Manus- kripts. Ebenso dankt sie Frau Dr. med. Reinhild Zenklusen, FMH Pathologie/Zytopathologie, Medi- zinische Analytik & Pathologie Unilabs Bern, für die histopatho- logische Untersuchung des einge- sandten Materials. DT International Science Abb. 7: DVT postoperativ: regelrechter Status nach Tumorentfernung und Defektfül- lung, Osteosynthesematerial in situ. „Base line“ Aufnahme für langfristig erforderlichen Follow up. – Abb. 8: Histopathologisch zeigt sich ein Plattenepithel mit deutlicher basa- ler Palisadierung der etwas hyperchromatischen Zellkerne. Die Oberfläche ist charakte- ristisch gewellt und zeigt eine parakeratotische Verhornung. 7 8 Infos zur Autorin Kontakt Dr. med. dent. et MMed Sandra Fatori Popovic Zahnärztin und Ärztin Zentralstr. 2 8003 Zürich, Schweiz www.zahnaerzte-wiedikon.ch 6 Abb. 6: OPT postoperativ: regelrechter Status nach Tumorentfernung und Defektfüllung, Osteosyntheseplatten in situ. 4 5 Abb. 4: DVT bei Erstbefundung (weitere Ansicht): Unizystische Läsion Regio 48, kranial anterior zeigt sich ein knöcherner Defekt. – Abb. 5: DVT bei Erstbefundung (weitere Ansicht): der Mandibularkanal ist nicht tangiert, Wurzel 47 ist nicht komplett knöchern abgegrenzt. Behandelnde Zahnärztin: Dr. med. dent. et MMed Sandra Fatori Popovic (Präoperatives OPT, DVT, Biopsie) Behandelnde Fachärztin: PD Dr. Dr. Astrid Kruse Gujer, Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Uster (Tumorentfernung, postopera- tives OPT, DVT, postoperative Wund- kontrollen) Pathologie: Dr. med. Reinhild Zenklusen, FMH Pathologie / Zytopathologie, Unilabs Bern 78 45

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