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Dental Tribune Austrian Edition No. 11, 2016

12 Continuing Education DENTAL TRIBUNE Austrian Edition Nr. 11/2016 · 7. November 2016 An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch, heißt es – und jeder kranke Zahn kann zur Gefahr für die Allge- meingesundheit werden. Vor allem die Erkrankung des Zahnbetts ist für ihre vielfältigen Wechselwirkungen mit dem Gesamtorganismus be- kannt. Auf welche Grunderkran- kungen die Prophylaxe dank ihrer vorbeugenden Effekte Einfluss neh- men kann und warum viele Patien- ten mehr Aufklärung bedürfen, um diese Zusammenhänge zu verste- hen, erläutert dieser Artikel. Parodontitis ist eine entzünd- liche Erkrankung des Zahnhalte- apparates, die durch Mikroorganis- men hervorgerufen wird und mit einem Verlust von Knochen und Kollagen einhergeht. Die Parodon- titisprävalenz in Deutschland ist hoch – 40 Prozent der Bevölkerung sind betroffen – und nimmt weiter- hin zu. Zu den Risikofaktoren gehö- ren neben Rauchen, Stress und einer genetischen Disposition auch Er- krankungen des Gesamtorganismus. Sogenannte systemische Erkrankun- gen können wiederum selbst durch eine Parodontitis beeinflusst werden. Vom Zahnbett in den Blutkreislauf Immer mehr Zahnarztpraxen stellen nicht nur die Rekonstruktion kariöser Zahnschäden, sondern wirksame Prophylaxemaßnahmen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit, denn Prophylaxe schützt den Pa- tienten nicht nur vor aufwendi- gen Zahnrestaurationen, son- dern auch vor gefährlichen All- gemeinerkrankungen. Dringen Bakterien oder Bakteriengifte vom Parodont in den Blutkreis- lauf ein, können sie auch in weit entfernte Körperregionen gelan- gen und dem Körper schaden. Prophylaxe schützt vor Parodontitis Parodontitis ist zwar weitverbreitet, aber meist kein Schicksal. Häusli- che Mundhygiene und die professionelle Zahnreinigung sind in erster Linie darauf ausgelegt, Parodontitis und natürlich auch an- deren Erkrankungen wie Karies vor- zubeugen. Diese Vorsorge wirkt sich damit auch auf die Allgemeingesundheit aus – und das nicht nur bei Risiko- patienten. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine regelmäßige Individual- prophylaxe das Parodontitisrisiko erheblich senkt. Kann die Mundge- sundheit erhalten werden, entfällt damit ein Risikofaktor, der die Ent- stehung und den Verlauf diverser Allgemeinerkrankungen beeinflus- sen kann. Die Mundgesundheit ist dabei jedoch leider ein Aspekt, wel- cher von vielen Patienten und auch Ärzten übersehen wird. Kranke Zähne, krankes Herz? Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todes- ursachen in Deutschland. Neben den allgemein bekannten Risikofak- toren wie Rauchen, Diabetes und Übergewicht spielen bei der Patho- genese kardiovaskulärer Krankhei- ten auch parodontale Keime eine große Rolle. Sie können die Bildung arteriosklerotischer Plaques be- günstigen, die wiederum zu Herz- oder Schlaganfällen führen können. Parodontitispatienten haben ein 1,7-fach erhöhtes Risiko für Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Damit ist die Zahnbetterkrankung ge- nauso gefährlich wie klassische Risikofaktoren. Laut einer Stu- die von Tonetti et al. (2007) könnte eine Parodontitistherapie das Herzinfarktrisiko tatsächlich senken. Im Idealfall, dank der Ver- meidung einer Parodontitisbehand- lung durch frühzeitige Prophylaxe, kommt es jedoch gar nicht erst zu dieser Situation. Pneumonie und Bronchitis Das entzündliche Geschehen im Zahnbett bleibt nicht immer auf die Mundhöhle beschränkt und kann viele weitere Entzündungen im Kör- per initiieren. So haben Parodonti- tispatienten ein 5,4-fach erhöhtes Risiko, an einer Pneumonie zu er- kranken, welche besonders bei Seni- oren gefährlich werden kann. Jedes Jahr sterben rund 12.000 Deutsche an einer schweren Pneumokokken- Infektion. Auch zwischen einer chroni- schen Bronchitis und einem entzün- deten Zahnbett konnte eine Wech- selwirkung nachgewiesen werden: Je größer der parodontale Knochenab- bau, desto stärker ist die Beeinträch- tigung der Lungenfunktion bei Pa- tienten mit chronischer Bronchitis. Neue Studie zu Krebserkrankungen Bereits mehrere prospektive Kohortenstudien legten nahe, dass eine Parodontitis ebenfalls im Zu- sammenhang mit Krebserkrankun- gen steht. Seit Januar 2016 stützt eine große Studie mit 26-Jahres- Daten der Health Professionals Follow-up Study diese These. Die Ergebnisse: Die Krebsrate war bei Parodontitispatienten um 13 Prozent höher als bei gesunden Pro- banden, bei einer fortgeschrittenen Parodontitis stei- gerten sich die Krebsdiagnosen sogar um 44 Pro- zent. Obwohl nur Nichtraucher un- tersucht wurden, kam es vor allem zu einem Anstieg von tabakassozi- ierten Krebsarten, beispielsweise an Lunge oder Blase. Als Gründe wer- den ein veränderter Immunstatus oder eine genetische Disposition diskutiert, die Patienten sowohl für Parodontitis als auch für bestimmte Krebsarten anfälliger macht. Diabetes durch Parodontitis? In letzter Zeit haben die kom- plexen Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Allgemeingesund- heit vor allem Beachtung bei Diabe- tikern gefunden. Parodontitis scheint einerseits ein Risikofaktor für Diabetes zu sein, beeinflusst an- dererseits aber auch den Verlauf der Stoffwechselkrankheit. So erhöht die Zahnbetterkran- kung die Anzahl der Entzündungs- moleküle im Blut, die wiederum die Wirkung des Insulins verringern können. Die Folge: Der Blutzucker- spiegel steigt. Kommen andere Risi- kofaktoren wie Übergewicht und Bluthochdruck dazu, könnte die Pa- rodontitiserkrankung die Entwick- lung eines Diabetes begünstigen. Prophylaxe statt Rheuma Die Verbindung von rheumato- ider Arthrose und Parodontitis ist mittlerweile ebenfalls bekannt. Bei beiden Erkrankungen werden pro- inflammatorische Zytokine hoch- reguliert, die wiederum zu einer überschießenden Immunantwort führen. Patienten, die an einer mit- telschweren bis schweren Parodonti- tis leiden, besitzen ein 2,6-faches Ri- siko, eine rheumatoide Arthrose zu entwickeln. Frühzeitige Prophylaxe- maßnahmen erforderlich Ohne gezielte Mundhygiene und professionelle Zahnreinigungen kann eine potenziell heilbare Gingi- vitis in eine irreversible Parodontitis übergehen und nicht nur zu Zahn- verlust, sondern auch zu diversen Allgemeinerkrankungen führen. Die frühzeitige Ergreifung von Pro- phylaxemaßnahmen ist somit nicht nur im Hinblick auf die Mund- gesundheit des Patienten, sondern auch unter Berücksichtigung der Allgemeingesundheit von großer Bedeutung. Rund 70 Prozent der Deutschen gehen mindestens einmal pro Jahr zum Zahnarzt, das heißt im Um- kehrschluss,dass fast jeder Dritte die jährlich empfohlene Kontrollunter- suchung nicht wahrnimmt. Den meisten Patienten dürfte nicht be- wusst sein, dass Parodontitis weit- verbreitet ist und eine mangelnde Prophylaxe die Allgemeingesund- heit beeinflussen kann. Daher kann eine gute Aufklärung den Patienten helfen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und mehr Verantwor- tung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Mehr Aufklärung, mehr Gesundheit Damit Patienten erste Anzei- chen einer Parodontitis, wie bei- spielsweise Zahnfleischbluten oder Mundgeruch, ernst nehmen kön- nen, müssen sie diese Symptome zu deuten wissen. Der zweite Schritt besteht darin, Konsequenzen aus den Anzeichen zu ziehen und sich um eine bessere Mundhygiene zu bemühen. Hier können Zahnarzt und Dentalhygienikerin wertvolle Impulse geben. Maßgeschneiderte Tipps für die richtige Mundhygiene zu Hause, Aufklärung über individuelle Putz- fehler und ein gewissenhaftes Recall-System helfen den Patienten, ihre Mund- und Allgemeingesund- heit zu erhalten. Eine gründliche Aufklärung über den Nutzen der professionellen Zahnreinigung ist ebenfalls sinnvoll, ist diese Prophy- laxemaßnahme doch nicht nur bei Parodontitiserkrankungen, sondern allen Patienten ans Herz zu legen.Sie ist zwar eine private Leistung, aber das wirksamste Instrument, um die Mundgesundheit zu erhalten. Letztlich liegt es am Patienten, die angebotenen Hilfestellungen an- zunehmen, Zahnärzte und Den- talhygieniker sind jedoch dazu auf- gefordert, die Basis für dieses Engagement zu schaffen und den Patienten über alle gesundheitsrele- vanten Faktoren aufzuklären. DT Gesunde Zähne – gesunder Körper Warum Prophylaxe für die Allgemeingesundheit so wichtig ist. Von Dr. Teresa Bösch, München, Deutschland. © graphicsdunia4you/Shutterstock.com Infos zur Autorin Kontakt Dr. Teresa Bösch HarderMehl Praxisklinik für Zahnmedizin und Implantologie Volkartstraße 5 80634 München Deutschland Tel.: +49 89 571544 teresa.boesch@hardermehl.de www.zahnärzte-münchen.de © aslysun/Shutterstock.com Tel.: +4989571544

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