20 WISSENSCHAFT No. 6/2021 Zahnmedizin 2.0 Wussten Sie, dass eine Zahnarztpraxis wirtschaftlich umso erfolgreicher ist, je weniger Zahnreparaturen durchgeführt werden? Von Zahnarzt Ralf Petersen, Leipzig, Deutschland. Jede Krankheit hat eine Ursache. Wird die Ursache therapiert, ver- schwindet die Krankheit und der Patient wird gesund. Werden Symp- tome behandelt, schreitet die Krankheit immer weiter voran. Bisherige Lehre in der Zahnmedizin ist, dass Menschen ihre Zähne durch zwei Krankheiten verlieren: Karies und Parodontitis. Die Ursache ist wissenschaftlich seit Jahrzehnten bekannt: der bakterielle Biofi lm. Beide Krankheiten werden als multifaktorielles Geschehen ver- standen. Der Biofi lm wird durch die folgenden Faktoren beeinfl usst: die Zusammensetzung (Menge, Virulenz), die Ernährung sowie die Immunabwehr. Entsprechend sind die individuellen Krankheits- verläufe zu verstehen. Karies wird von grampositiven Aerobiern verursacht. Egal, welche Theorie zur Kariesentstehung gerade aktueller Stand der Wissenschaft ist, sei es die „spezifi sche Plaquehypothese“ aus den 1960er-Jahren, die einem Paradigmenwechsel folgende „ökologi- sche Plaquehypothese“ oder die heutzutage diskutierte „erweiterte ökologische Plaquehypothese“, immer stehen bei Karies die gram- positiven Aerobier im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens. Sie sind ein Teil des Biofi lms. Parodontitis wird von gramnegativen Anaerobiern verursacht. Seit der Studie „Gingivitis in Man“ von Löe1 ist wissenschaftlich be- wiesen, dass der Knochenabbau an gramnegative Anaerobier gekop- pelt ist. Sie sind ein anderer Teil des Biofi lms. In der Zahnmedizin steht immer der Biofi lm im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens. Symptome vs. Ursachen Die klassische Vorgehensweise in der Zahnmedizin startet mit einer eingehenden Untersuchung des Patienten. Es werden alle auf- fallenden Symptome aufgelistet und anschließend therapiert. Hinter- her sind die Schäden zwar repariert, die Ursache wurde aber nicht beseitigt. Ohne Ursachenbeseitigung werden aber die Krankheiten nicht aufgehalten. In der Konsequenz bedeutet dies, dass es zu immer neuen Symptomen kommt. Nehmen wir Zahnsteinbeseitigung als Beispiel. Unstrittig ist, dass die Ursache des Zahnsteins die Bakterien des Biofi lms sind, die durch Speichelsalze mineralisieren. Egal, wie professionell der Zahn- stein beseitigt wird, das natürliche Bakterienwachstum sorgt für so- fortige Neubesiedelung der Zähne. So beginnt direkt nach der Besei- tigung, erneut Zahnstein zu wachsen. Dass es sich bei der Zahnstein- beseitigung tatsächlich um eine reine Symptombehandlung handelt ist daran zu erkennen, dass beim nächsten Kontrolltermin der neu gebildete Zahnstein erneut entfernt werden muss. Es ist daher kein Wunder, dass in Deutschland die Zahnsteinbeseitigung die häufi gste zahnärztliche Behandlung und die vierthäufi gste Abrechnungsposi- tion2 ist. Nach den drei eher zu den vorbereitenden Arbeitsschritten gehörenden Abrechnungs positionen wie der „Zahnärztlichen Unter- suchung (01)“, der „Beratung (Ä1)“ und ganz knapp hinter der „Infi ltrationsanästhesie (I)“ folgt die Zahnsteinbeseitigung. Die Ausführungen hinsichtlich der Beseitigung des Zahnsteins gelten exemplarisch für alle anderen zahnmedizinischen Behandlun- gen. Füllungen, Kronen, Brücken, Prothesen, Parodontitisbehandlun- gen, Implantate – für alle diese Behandlungen gilt immer das Gleiche: Es sind Symptombehandlungen. Keine einzige beseitigt die Ursache. Auch Prophylaxesitzungen sind Symptombehandlungen In einer professionell durchgeführten Prophylaxesitzung kann der Biofi lm zu 100 Prozent beseitigt werden. Das hört sich für Patien- ten sicherlich sehr effektiv an. Dass der Biofi lm sich spätestens nach 24 Stunden wieder komplett neu gebildet hat, weiß der Patient in der Regel nicht. 24 Stunden Bakterienfreiheit ist keine nachhaltige Ur- sachenbeseitigung. So dient eine Prophylaxesitzung zwar der Ästhe- tik, führt aber nicht zur dauerhaften Ursachenbeseitigung und damit nicht zu Zahngesundheit. Ausgebildet in Reparaturzahnmedizin In der novellierten Studienordnung für deutsche Zahnmedizin- studenten von 2020 gibt es gerade mal ein Praktikum3, das sich mit Vergleich der Behandlungskonzepte. Die 2019 eröffnete SOLO-Praxis befi ndet sich im Zentrum Leipzigs und bietet ein Behandlungszimmer und sechs Prophylaxeplätze. der Frage beschäftigt, wie Zähne gesund bleiben. Von den 5.000 Stunden, aus denen ein Zahnmedizinstudium besteht, lernt ein Zahn- arzt 4.958 Stunden zu reparieren. So macht das Zahnmedizinstudium aus einem Zahnarzt einen Fachmann für Zahnreparaturen – nicht für Zahngesundheit. Ausgebildet in Reparaturzahnmedizin, lernt der Zahnarzt in der Assistenzarztzeit, wie Reparaturmedizin nach Kassenrichtlinien ab- läuft, und eröffnet anschließend seine eigene Praxis. Behandlungs- konzept: Reparaturmedizin. Dieses für den Patienten endlose Be- handlungsprozedere endet noch nicht mal dann, wenn alle Zähne extrahiert wurden. Selbst Totalprothesen müssen regelmäßig un- terfüttert und erneuert werden, weil sich der Kieferknochen, auf dem die Prothesen halten, durch den natürlichen Kauprozess ab- baut. Neuer Behandlungsansatz in der Zahnmedizin: Ursachenbeseitigung In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass Menschen gar nicht erst krank werden. Denn es ist wie immer in der Medizin: Wird die Ursache beseitigt, verschwindet die Krankheit und die Symptome bleiben aus. Im Gegensatz zur bisherigen Reparaturmedizin schafft dieses Behandlungskonzept Zahngesundheit. Zahnmedizin 2.0 Zahngesundheit – das ist „Zahnmedizin 2.0“. Wir nennen dieses Konzept SOLO. Das Erstaun liche, auch wenn wir Zahnärztinnen und Zahnärzte als Handwerker immer weniger gebraucht werden, diese Art der Zahnarztpraxis ist deutlich erfolgreicher. Neben dem Effekt, dass es schöner ist, sich um gesunde Patienten zu kümmern, ist so eine Praxis wirtschaftlich viel erfolgreicher, hat deutlich mehr Patien- ten und bedeutet doch weniger Zeitaufwand für die Behandlerin oder den Behandler, weil der größte Teil delegierter Umsatz ist. Laut Statistischem Jahrbuch der KZBV (2020) liegt der Gewinn einer deutschen Einzelbehandlerpraxis mit klassischer Zahnmedizin bei durchschnittlich 170.000 Euro. Vergleicht man die beiden Behandlungskonzepte, kann eine SOLO- Prophylaxemitarbeiterin fast denselben Gewinn erwirtschaften. Während die eigene Behandlungszeit begrenzt ist, hat das SOLO- Konzept das Potenzial, immer mehr Prophylaxemitarbeiterinnen aus- zulasten, wodurch sich der Anteil des delegierten Gewinns verviel- facht (Abb. unten). steht nicht nur für eine Fokussierung auf den einzelnen Zahn, dessen Form und Beschaffenheit; SOLO steht für einen Paradigmen- wechsel in der Zahnmedizin, in der dem Zahnarzt eine neue Rolle zukommt und die den Patienten in eine gesunde und aufgeklärte Verantwortung nimmt. Wir haben vor fast zwei Jahren in Leipzig eine neue SOLO-Praxis eröffnet. Ziel dieser Praxis ist Zahngesundheit, weshalb das geplante Verhältnis von Behandlungszimmern zu Prophylaxeplätzen 1 zu 6 ist. Wir erwarten in Leipzig einen Gewinn, alleine durch die Pro- phylaxe, von fast eine Million Euro. Und wie es sein kann, dass obwohl weniger Behandlungen als vorher durchgeführt werden, die auch noch langfristig halten, es trotzdem zu deutlich mehr Gewinn in der klassischen Zahn medizin kommt, würde ich Ihnen gerne in einem Webinar zeigen, zu dem Sie sich unter www.solo-konzept.de anmelden können. Alleine in Deutschland setzen schon mehr als 500 geschulte und zertifi zierte Praxen das SOLO-Konzept um. Nicht erstaunlich, ist SOLO doch „Zahnmedizin 2.0“. 1 „Experimental Gingivitis in Man“, Harald Löe, Else Theilade, S. Börglum Jen- sen, Journal of Clinical Periodontology 36:177–187, 1965. 2 Statistisches Jahrbuch der KZBV von 2020, Häufi gkeit der Abrechnungsposi- tion: Zahnärztliche Untersuchung 66 %, Beratung 40 %, Infi ltrationsanästhe- sie 37 %, Zahnsteinentfernung 36 %. 3 Praktikum der Zahnmedizinischen Propädeutik mit Schwerpunkt Präventive Zahnheilkunde, aus „Zahnärztliche Approbationsordnung vom 1. Oktober 2020“. ZA Ralf Petersen SOLO Zahnarztpraxis Leipzig Katharinenstraße 23 04109 Leipzig, Deutschland Tel.: +49 341 99196900 kontakt@solo-zahnarzt-leipzig.de www.solo-zahnarzt-leipzig.de Infos zum Autor