No. 4/2021 WISSENSCHAFT 7 4a 4b Abb. 4: Zylindrokonischer Stift angegossen an Wurzelstiftkappe mit Kugelkopfanker. Biologische Komplikationen Hybridprothese (n = 128) UK (n = 55) OK (n = 73) p (exact Fisher) OR n (%) n (%) Prothesenstomatitis 15 (27,3) 34 (46,6) Lokalisierte Stomatitis 10 (18,2) 20 (27,4) Generalisierte Stomatitis 3 (5,5) 9 (12,3) Hyperplastische Entzündung 2 (3,6) 5 (6,8) Pfeilerzahnverlust 9 (16,4) 10 (13,7) Pfeilerkaries Pfeilerfraktur 6 (10,9) 5 (6,8) 8 (14,5) 2 (4,1) Apikale Aufhellung am Pfeilerzahn 2 (3,6) 2 (2,7) Technische Komplikationen 0,029 0,293 0,231 0,698 0,803 0,528 0,019 1,000 3,32 1,70 2,44 1,95 0,81 0,60 0,17 1,24 Pro Hybridprothese (n = 128) n (%) n (%) p (exact Fisher) OR Retentionsverlust der Matrize 30 (54,5) 12 (16,4) 0,480 Prothesenfraktur (Basis) 8 (14,5) 17 (23,3 ) Wurzelstiftkappe dezementiert 6 (10,9) 12 (16,4) Verlust des Matrizengehäuses 6 (10,9) 35 (47,9) Stiftfraktur 4 ( 7,3) 0 (0) 0,264 0,447 0,603 0,032 0,77 1,78 1,61 1,45 – Tab. 3: Übersicht über die Komplikation im Untersuchungszeitraum, Vergleich Ober- mit Unterkiefer. Hybridprothesen waren 73 (57 Prozent) im Ober- kiefer und 55 (43 Prozent) im Unterkiefer lokali- siert (Tab. 1). Pfeilerzahnverluste 27 Pfeilerzähne (9,6 Prozent) gingen nach ei- ner mittleren Beobachtungszeit von 7,9 ± 3,4 Jah- ren verloren. Signi fikante Faktoren, die mit dem Verlust der Pfeiler assoziiert waren, waren ein geschlossenes – verglichen mit einem offenen – Hybridprothesen-Design, und das unabhängig von der Anzahl der Pfeiler pro Prothese (Tab. 2). Komplikationen Bei 68,8 Prozent der Hybridprothesen traten technische Schwierigkeiten auf, wobei die Matri- zenlockerung die häufigste Komplikation war (50,1 Prozent), gefolgt von Prothesenbasisfraktu- ren (19,5 Prozent), Dezementierung der Wurzel- stiftkappen (14,1 Prozent), Verlust des Matrizen- Gehäuses (13,3 Prozent) und Wurzelstiftfrakturen (3,1 Prozent). Biologische Komplikationen traten bei 53,9 Prozent der Hybridprothesen auf, wobei das Vorhandensein von Prothesenstomatitis die häufigste biologische Komplikation war (Tab. 3). Das Auftreten von Prothesenstoma titis war im Oberkiefer signifikant häufiger als im Unterkiefer (p = 0,029). Ebenso trat eine Stomatitis häufiger bei Patienten auf, die ihre Prothesen weniger als zweimal täglich reinigten (p < 0,001), sowie bei Patienten, die regelmäßig CHX-haltige Produkte (p = 0,036) verwendeten, und bei Probanden mit einem Plaqueindex > 40 % (p < 0,001). Patienten mit einem hohen Plaqueindex zeigten ebenfalls mehr Karies an den Pfeilerzähnen. Pfeilerzahn- karies war die dritthäufigste biologische Kompli- kation gefolgt von Pfeilerzahnfrakturen (7,8 Pro- zent) und apikalen Läsionen (3,9 Prozent). Klinische Relevanz Hinsichtlich der Faktoren, die die Überlebens- raten beeinflussen, legen die Ergebnisse der aktu- ellen Studie mehrere neue Richtungen für die Pla- nung einer wurzelstiftkappengetragenen Hybrid- prothese vor: Ein parodontal offenes Design scheint für das Überleben der Abutments vorteilhaft zu sein, un- abhängig von der Anzahl der Pfeilerzähne. Dies gilt auch für Hybridprothesen mit nur bis zu drei Pfeilerzähnen. Die Etablierung einer guten Mund- hygiene ist ein entscheidender Faktor zur Vermei- dung von Komplikationen, CHX-haltige Produkte sollten aber nicht für den routinemäßigen häus- lichen Gebrauch empfohlen werden. Infos zur Autorin Dr. med. dent. Anja Stalder Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Gerodontologie Freiburgstr. 7 3010 Bern, Schweiz Tel.: +41 31 6322586 anja.stalder@zmk.unibe.ch zielt darauf ab, zwei Drittel der verbleibenden Länge der Wurzel zu erreichen, was immer mit einer periapikalen Röntgenaufnahme verifiziert wird. Der suprakrestale Teil der Präparation umfasst ein Ferrule-Design von einem Millimeter zur Erhö- hung der Frakturresistenz. Die Goldkappen mit den angegossenen Wurzelstiften werden in der Regel mit einem Glasionomerzement (3M™ Ketac™ Cem, 3M Deutschland) befestigt. Wenn die Länge des Stiftes oder eine unzureichende Aufbereitung des Wurzelkanals zu einer geringen mechanischen Retention führt, wird die Gold - kappe mit Kunststoffzement fixiert (PANAVIA™ F, Kuraray Europe; Abb. 1 bis 3). Prothesendesign Für das Prothesendesign gibt es zwei Möglichkei- ten: Die Prothese kann als Deckprothese analog zu einer Vollprothese gestaltet werden (Abb. 3) oder als parodontal offene Hybridprothese (Abb. 1 und 2). Das geschlossene Design wird bevorzugt in Fällen, in denen drei oder weniger Zähne zum Hal- ten der Hybridprothese zur Verfügung stehen, da diese leichter in Totalprothesen umgewandelt wer- den können (Budtz-Jørgensen, 1995). Wenn mehr als drei Zähne vorhanden sind, wird eine parodon- tal offene Gestaltung der Prothesenbasis empfoh- len. Dadurch kann die Biofilmbildung reduziert und eine Überkonturierung im Bereich der natür- lichen Zähne vermieden werden (Geering, Kun- dert, 1992). Verlustrate Eine Literaturanalyse aus dem Jahre 2018 schätzt den jährlichen Verlust auf 1,76 Zähne pro 100, was somit einen Verlust von 8,8 Prozent der Pfeilerzähne nach fünf Jahren bzw. 17,6 Prozent der Pfeilerzähne nach zehn Jahren vorhersagen würde. Karies und Parodontitis waren die häu- figsten Ursachen für einen Pfeilerzahnverlust (Mercouriadis-Howald et al., 2018). Die Untersuchung, die an der Universität Bern durchgeführt wurde, sollte mehr Klarheit bringen, welche Faktoren zum Langzeitüberleben der Pfei- lerzähne beitragen sowie welche Faktoren die An- zahl und Häufigkeit von Komplikationen beein- flussen. Studie: Material und Methoden In der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Gerodontologie der Universität Bern konnten durch die elektronisch abgerechneten Tarifposition alle Patienten identifiziert werden, bei denen im Zeitraum von 2002 bis 2016 mindestens eine Wur- zelstiftkappe inseriert worden war. Als Einschluss- kriterien wurden eine Beobachtungszeit von min- destens sechs Monaten und das schriftliche Ein- verständnis der Patienten definiert. Das Protokoll dieser retrospektiven Untersuchung wurde durch die Ethikkommission Bern (KEK-BE 268/15) geneh- migt. Relevante Daten zu Komplikationen oder Verlusten während der Beobachtungszeit wurden durch ein Patientenfragebogen oder, falls vorhan- den, den Patientenakten entnommen. Neben Pa- tientenfragebögen wurden im Rahmen einer kos- tenlosen klinischen Nachuntersuchung zwischen Oktober 2016 und 2017 der Zahnstatus sowie pa- rodontale und rekonstruktive Befunde erhoben. Zur radiologischen und endontischen Befundung diente eine Panoramaschichtaufnahme. Die er- fassten Parameter wurden danach statistisch aus- gewertet. Resultate Patienten Insgesamt konnten 114 Patienten (48 Frauen und 66 Männer) mit 128 Hybridprothesen und 280 Pfeilerzähnen mit inserierten Wurzelstiftkappen in die Analyse einbezogen werden. Das durchschnitt- liche Alter dieser Patientengruppe lag bei 70 Jah- ren (min/max: 42,9 bis 88,4 Jahre), die durch- schnittliche Beobachtungszeit betrug 7,9 Jahre (min/max: 0,5 bis 14,8 Jahre) und die kumulative Gesamtexpositionszeit der Wurzelstiftkappen be- trug 2.035,4 Jahre. Von den 128 eingeschlossenen Merkmale der Hybridprothesen Kiefer Oberkiefer Unterkiefer Art des Retentionselements (Patrizen) zylindrisch Prothesendesign Alter der Wurzelstiftkappe (Jahre) kugelförmig andere offen/halboffen geschlossen min. max. n 73 55 20 229 4 29 99 0,5 14,8 % 57 43 7,9 91,5 1,6 22,7 77,3 – – Tab. 1: Verteilung und Merkmale der Hybridprothesen. Von einigen Patrizen fehlte die Information für die Analyse. Design Anzahl Abutments Gesamt- beobach- tungsdauer (Jahre) Verlust Pfeiler Verlust- rate (%)/ Jahr 95% CI p-value Gruppe 3 Pfeiler Offenes Design 46 Geschlossenes Design 177 Gruppe > 3 Pfeiler Offenes Design 9 Geschlossenes Design 48 411,6 1.198,6 114,7 310,6 1 23 0 3 0,24 1,92 0 0,97 0,03; 1,72 1,28; 2,89 0,051 – 0,31; 2,99 < 0,001 Tab. 2: Vergleich der Verlustrate zwischen WSK-Prothesen mit geschlossenem Design und offenem Design in Bezug auf die Anzahl der Abutmentzähne (n 3 gegenüber n > 3).