8 Science DENTAL TRIBUNE · German Edition · Nr. 7/2020 Implantattherapie im Spannungsfeld von Ästhetik, Funktion und Zahnerhalt Hybrid-Event der DGI am 27. und 28. November 2020: Online und vor Ort im Hotel Estrel in Berlin. „Wer den persönlichen Austausch mit Kollegen vermisst, kann Wissen vor Ort tanken, wer nicht reisen will, kann sich am Bildschirm fortbilden“, erklä- ren DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (Wiesbaden) und Fortbil- dungsreferent Dr. Christian Hammä- cher (Aachen), die Leiter des Events. ziplinen einbeziehen. Die Therapie ist immer individuell. Einem Patien- ten ist die Ästhetik besonders wich- tig, für einen anderen ist sie nach- geordnet. Zahnerhalt steht auch für die Parodontologie, die bei diesem Event eine besonders wichtige Rolle spielt. Der Titel drückt daher aus, ebenfalls den Zahnerhalt als Ziel hat. Diese ist auch bedeutsamer gewor- den, ebenso die Wechselwirkung mit der Implantologie. Kaufunktionelle Aspekte sind auch bei einer Implan- tatversorgung bedeutsam, und das führt uns zur Materialwahl. Letzt- endlich macht die Zunahme der © Bostelmann „Ein Jahr ohne Fort- bildung ist ein Jahr ohne Zugewinn an Wissen – durch den kollegialen Aus- tausch und den Dia- log zwischen Praxis und Wissenschaft.“ Wir wollen bei dieser Tagung abbil- den, dass es unterschiedliche Heran- gehensweisen mit jeweils Vor- und Nachteilen gibt, die aber vielleicht auch zu den jeweiligen Patienten besser passen oder den jeweiligen Ansprüchen und Wünschen der Menschen besser gerecht werden. Wir vergleichen auch Therapiekon- zepte, die in der Parodontologie evi- denzbasiert und wissenschaftlich gut fundiert sind, mit Konzepten aus der Implantologie, etwa in der Peri- implantitistherapie oder der Rezes- sionsdeckung, bei denen noch For- schungs- und Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Dennoch gibt es auch Themen, bei denen Kontroversen vorprogram- miert sind. Dazu dürfte das Thema Implantationszeitpunkt bei Jugend- lichen gehören – oder? K. G.: Das ist sicher ein Thema, über das kontrovers diskutiert wird. Hier müssen wir klären, was wir bei diesem Gebiet als Standardtherapie beschreiben können. Es geht nicht darum, was in der Hand eines Spezi- alisten bei einem ausgewählten Kol- lektiv funktioniert. Es geht um den © Sascha Gast, Bilderrausch Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz Was macht diesen Event – was In- halte und Struktur betrifft – beson- ders? Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz: Die Pandemie hat natürlich alles, was in diesem Jahr stattfi ndet, ein- mal durch einen Quirl gejagt und Änderungen erzwungen, die wir uns vor einem Jahr niemals hätten aus- malen können. Darum ist diese Ta- gung anders. Manches ist von Nach- teil – etwa, dass wir nur 600 Teilneh- mer haben, manches ist von Vorteil – nämlich, dass wir lernen, eine Ver- anstaltung als Hybrid, als Präsenz- und Online-Tagung zu entwickeln. Dr. Christian Hammächer: Wir haben bei diesem Event – anders als bei einem großen Jahreskongress – auch keine Parallelsitzungen. Es ist ein einsträngiges, sehr konzentriertes Programm, was den Event aber auch wieder interessant macht. Das Motto dieses DGI-Events lau- tet: Implantattherapie im Span- nungsfeld von Ästhetik, Funktion und Zahnerhalt. Wo würden Sie die Implantologie in der Fläche dieses Dreiecks aus Ästhetik, Funktion und ZE positionieren? K. G.: Die Implantologie befi n- det und bewegt sich nicht nur in die- sem Spannungsfeld, sondern sie ist als Querschnittsfach auch mit jedem dieser drei Themen verbunden und sollte darum in Betracht gezogen werden. Patienten erwägen von sich aus eine Implantatbehandlung erst dann, wenn der Zahn fehlt. Darum gehört es zur Aufklärung vor einer Behandlung, auch immer über the- rapeutische Alternativen aufzuklä- ren – und zu diesen gehört als etab- liertes Verfahren auch die Implantat- versorgung. Chr. H.: Die komplexe Behand- lungsplanung in der Implantologie muss immer auch anderen Faktoren gerecht werden und andere Fachdis- „Die komplexe Behandlungsplanung in der Implantologie muss immer auch anderen Faktoren gerecht werden und andere Fachdiszipli- nen einbeziehen.“ Dr. Christian Hammächer wie unterschiedlich eine implanto- logische Fall- und Therapieplanung sein kann und welche unterschied- lichen Schwerpunkte sie berücksich- tigen muss. Hat sich das Kräfteverhältnis der Eckpunkte in diesem Spannungs- feld in den letzten Jahren verändert? K. G.: Die Eckpunkte ziehen quasi alle mit gleicher Intensität, aber nicht in jedem Einzelfall. Die Ästhetik dominiert, wenn es um die Oberkieferfront geht, die Funktion steht im Vordergrund, wenn Patien- ten im Seitenzahnbereich einen er- heblichen okklusalen Verlust haben, und der Zahnerhalt spielt die Haupt- rolle, wenn wir überlegen müssen, ob dieser Versuch – etwa durch eine endodontische Therapie oder eine Wurzelspitzenresektion – im Ver- gleich zu einer differenzialtherapeu- tischen Alternative wie der Implan- tologie gerechtfertigt ist. Chr. H.: Hier kommt auch die ja Parodontologie ins Spiel, die Therapieoptionen eine individuelle Behandlungsplanung anspruchsvol- ler und wichtiger. Am Anfang und am Ende des wis- senschaftlichen Programms steht jeweils eine Disputatio. Was unter- scheidet diese von den anderen Themen, bei denen zumeist auch zwei unterschiedliche Standpunkte oder Sichtweisen, Rede und Gegen- rede, präsentiert werden? K. G.: Ich gebe zu, das ist ein bisschen marktschreierisch. Die Disputationes sind zwei markante Türme am Beginn und Ende des Events. Es ist aber nicht unser Ziel, dass da die Fetzen fl iegen. Unsere Intention ist nämlich weniger die scharfe Kontroverse als vielmehr das gemeinschaftliche Ausloten von Therapiealternativen. Chr. H.: Wie ein roter Faden zieht sich durch den Event das Nebeneinanderstellen unterschied- licher Therapieoptionen in ver- gleichbaren klinischen Situationen. soliden Standard für alle. Auch bei der Versorgung des zahnlosen Ober- kiefers – ob festsitzend oder heraus- nehmbar – gibt es berechtigte empi- rische Überzeugungen von Kollegen, die Menschen schon seit vielen Jah- ren versorgen, und es gibt neue Evi- denzen aus Studien. Chr. H.: Spannend wird die Dis- kussion sicherlich auch bei den The- men Augmentationsmaterialien – es geht um den Goldstandard autolo- ger Knochen und die diversen Er- satzmaterialien – und Materialwahl in der Prothetik. Gibt es Themen, bei denen es in den letzten zwei Jahren besonders viel Bewegung gegeben hat, was neue Studienergebnisse oder Bewertun- gen betrifft? K. G.: Viel Dynamik sehen wir im Bereich Rezessionsdeckung an Zahn und Implantat, da erwarte ich mir ein Update des aktuellen Status quo. Sicherlich auch ein Thema mit Bewegung sind die Materialien. Bei den einteiligen Keramikimplantaten ist die Studienlage inzwischen so gut, dass man sie in bestimmten klinischen Situationen empfehlen kann. Bei den zweiteiligen Keramik- implantaten verfügen wir immerhin über erste Kurzzeitstudien, Langzeit- daten fehlen hier aber noch. Chr. H.: Im Bereich der Ätiolo- gie der Parodontitis und auch der Periimplantitis hat sich viel getan. Darum ist es wichtig, auch die paro- dontale Situation bei einem Patien- ten insgesamt im Blick zu behalten. Viel Bewegung ist natürlich auch bei der Implantatprothetik aufgrund der digitalen Entwicklungen. Sie hatten diesen Event schon von Beginn an mit einer ausgeprägten digitalen Komponente geplant. Hat dies den Umbau der Veranstaltung angesichts der Corona-Pandemie erleichtert? Chr. H.: Wir hatten in der Tat eine Live-Übertragung zu verschie- denen Universitäten geplant, als be- sonderes Angebot an den zahn - me dizinischen Nachwuchs. Darum wa ren die Überlegungen in dieser Richtung bereits vorhanden und wir konnten daran anknüpfen. K. G.: Doch unsere Entschei- dung, aufgrund der Pandemie einen komplett dualen Event anzubieten, hat uns dann doch gezeigt, dass dies nochmals ganz andere Anforderun- gen stellt. Wir planen und organi- sieren technisch de facto zwei Ver- anstaltungen. Inwieweit wird den Bedürfnissen des zahnmedizinischen Nachwuch- ses nun Rechnung getragen? K. G.: Für Studierende ist der Online-Zugang zum Event kosten- los. Auch die Nexte Generation der DGI wird hier aktiv sein. Wir planen auch wieder ein Treffen mit Fach- schaftsvertretern. Warum soll man nach Berlin kom- men? Chr. H.: Das Programm unseres Events greift viele Fragen zum rich- tigen oder besten Therapieweg auf, die sich in der täglichen Praxis stel- len. Das macht es für Praktiker rele- vant. Es gibt Antworten auf die Fra- gen, die man sich auch immer wie- der selbst stellt: Mache ich die Ver- sorgung festsitzend, mache ich sie herausnehmbar? Mache ich die Krone in Vollkeramik? Kann ich bei dem jungen Mädchen schon im- plantieren oder sollte ich noch war- ten? Muss es bei diesem Defekt auto- loger Knochen sein oder kann ich es auch anders machen? Wir haben viel Raum für Diskussion dieser Fragen. Warum macht es die DGI nicht so wie viele andere und cancelt einfach 2020 und kapriziert sich auf 2021? K. G.: Wir als DGI haben die Losung „Zurück in die Praxis, zurück in die Fortbildung“ ausgegeben. Der erste Teil richtet sich an die Patienten, der zweite an Kollegen. Denn ein Jahr ohne Fortbildung ist ein Jahr ohne Zugewinn an Wissen – durch den kol- legialen Austausch und den Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft. DT Quelle: DGI