DENTAL TRIBUNE · German Edition · Nr. 3+4/2020 Science 7 Druck auf die Zahnhalsfüllung Zug am Kompositaufbau Fraktur bei einem 45°-Höcker ohne Amalgam 70°-Höcker mit Amalgam 7 m m D r u c k 1 0 M P a 1 1 0 m m 4 N 4 1 4 5 ° 0 N 2 1 4 N Z u g 4 M P a 1 4 1 4 N Zug 40 MPa 1 3 7 N 70° 19 N 1 4 N 2 1 Zug 20 MPa Retentionsrillen für Zahnhalsfüllung Schneidekante nach palatinal versetzt Abflussrille ein- Höcker abgeflacht geschliffen Zentrik erhöht Amalgam ersetzt Abb. 6: Frakturen. Die immer gleiche Kaukraft von 20 N (blau) verursacht je nach dem Auftreffwinkel und Hebel- effekt (schwarz) verschiedene Druck- und Zugspannungen (rot). – Abb. 7: Umfor- mungen. Links: Die Retentionsrille ver- unmöglicht jede Luxation. Mitte: Ver- lagerung der Inzisalkante um 2 mm nach palatinal vermindert die Querkraft und senkt die Zugspannung. Rechts: Horizon- tale Kontakte sind zugfrei. Abfl ussrillen verbessern die Schneidleistung und ver- mindern so die nötige Kaukraft. 304 MPa), wozu eine Kaukraft von 140 N nötig ist. Bei Prämolaren ge- nügt eine solche Klammer. Aber bei Molaren und Heavy Bruxism sind zwei Drähte nötig, damit die Fül- lung 280 N aushalten kann. Für die Reparatur eines längsfrakturierten Zahnes (und Vermeidung einer Ex- traktion und eines Implantates) nehmen die Patienten einen sehr langen Anfahrtsweg in Kauf! Wer die Mechanik der Zähne studieren möchte, fi ndet auf www. z a h n a r z t w e i l e n m a n n . c h / #Wissenschaftliches,Mechanik viele weitere Informationen. Auch Herr Rueppel ist gerne bereit, allfällige Fragen zur Mechanik zu beant- worten. DT Zug 1 MPa 1 4 2 mm 10 N ° 0 3 Zug 20 MPa 1 2 10 N ° 0 3 Kontakt Zug 0 MPa Infos zum Autor 6 7 Pins und Drähte Bereits eine Kraft von 20 N löst einen Blitzschmerz aus, wenn diese ein hartes Körnchen quer gegen einen Frontzahn oder Hö- cker drückt. Dieser Schmerz sig- nalisiert oft ein Risswachstum. Die Zugfestigkeit wird in MPa (= N/mm²) gemessen und gibt an, wie viel Zug einen 1 mm² dicken Teststab zerbrechen kann. Abbil- dung 10 links zeigt ein Beispiel. Die vier Kompositzapfen haben je einen Durchmesser von etwa 1,2 mm. Die Frakturfl äche beträgt folglich je 1,13 mm² (0,6 x 0,6 x ϖ). Zugfestigkeit Schmelz Knorpel Dentin, Komposit, Amal - gam, Dentinadhäsion MPa 10 20 20–80 Sehne, Wurzelzement 100 Knochen, Kuhhorn 130–150 Zirkon, Keramik 1.000 Tab. 1: Die Zugfestigkeit ist die Kraft, bei der im Zugversuch ein Teststab mit einer Querschnittsfl äche von 1 mm2 zerreißt. 0,2 %-Dehngrenze Dentin, Komposit, Glas fasern (EverStick®) Nickel-Titan (Nitinol®) Reintitan (Filpin®) Ti64 (TMS®, FO-Pins®) SS-Draht (Permachrome®) Kobaltnickelchrom (Parafi x®) MPa 30 100 210 228 304 468 Tab. 2: Bei der 0,2 %-Dehngrenze wird ein Teststab (1 x 1 mm) im Zugversuch um 0,2 % gedehnt. Bei dieser Dehnung entstehen bei vielen Materialien die ers- ten Mikrorisse. Die Zugfestigkeit von Komposit beträgt nur etwa 20 MPa (Tab. 1). Ein Kompositzapfen bricht folg- lich bei einer Zugkraft von 23 N (1,13 mm² x 20 MPa). Das ist viel zu wenig für einen dauerhaften Erfolg. Deshalb sind Pins erfor- derlich. Sie wandeln die Zug- kräfte, welche die Adhäsion ge- fährden, in Druckkräfte um, die das Dentin längs des Pins pro- blemlos ertragen kann. Aber Ach- tung: Das Komposit muss sorgfäl- tig in kleinen Portionen um die Pins und auf das Dentin aufgetra- gen werden! Es muss kleben und es darf keine Luft zwischen Kom- posit und Dentin eingeschlossen werden! Grundlegend zu wissen ist die Abzugskraft eines Pins: Er reißt etwa bei einem Zug von 100 N aus dem Dentin heraus. Werden zwei Pins nebeneinander mit verschie- denen Winkeln gesetzt, so werden die Retention und die Wider- standsfähigkeit gegen Torsion (bei nicht symmetrischem Bissmuster) massiv erhöht. Kräfte verursachen immer auch eine Verformung. Komposit und Dentin brechen, wenn sie etwa 0,3 Prozent gedehnt werden. Pins und Drähte können diese Dehnung dank ihrer robusten 0,2 Prozent- Dehngrenze perfekt verhindern (Tab. 2). Abbildung 10 rechts zeigt eindrücklich die Verstärkung der Adhäsion mit Pins. Ihr Durchmes- ser von 0,6 mm ergibt eine Quer- schnittsfl äche von 0,28 mm² (0,3 x 0,3 x ϖ). Daraus berechnet sich beim Filpin® eine 0,2 Prozent-Dehnung bei 59 N (0,28 mm² · 210 MPa) und bei den Parafi x®-Pins bei 131 N (0,28 mm² · 468 MPa). Diese Werte kann nur ein Biss von 30 N resp. 65 N erreichen, was deutlich über der Schmerzgrenze von 20 N liegt. Abbildung 11 zeigt die Ver- stärkung eines Zahns gegen eine erneute Längsfraktur mithilfe von zwei Drähten. Sie machen das Kom- posit sowohl zugfester als auch ermüdungsfester. Der Patient ist (und bleibt ziemlich sicher) ein Heavy Bruxer. Deshalb wurden fl ache Höcker modelliert. Sie ver- ursachen nur Querkräfte von etwa 50 Prozent der Kaukraft (siehe Abb. 7 rechts). Das Komposit verbindet sich mit dem Draht durch die Poly- merisationsschrumpfung (Press- fassung) und durch die Drahtbie- gungen. Primer und Sandstrahlen sind nicht nötig. Ein 16 x 22-Draht (0,41 mm x 0,56 mm = 0,23 mm²) aus Permachrome® dehnt sich erst bei 70 N um 0,2 Prozent (0,23 mm² x Dr. med. dent. Walter Weilenmann Zentralstr. 4 8623 Wetzikon, Schweiz Tel.: +41 44 9303303 w.weilenmann@hispeed.ch www.zahnarztweilenmann.ch MSc ETH Marvin Rueppel MSc ETH in Mechanical Engineering Nordstr. 294 8037 Zürich, Schweiz rueppel@arch.ethz.ch 9 Abb. 8: Retentionsrille auf schiefer Ebene. Zahn 23, Patientin 80-jährig. Links: Keilförmiger Defekt in sklerotischem Dentin. Rechts: Retentionsrille am gingivalen Rand. Winkelstück beidhän- dig geführt, langsamtourig, leichthändig, neuer Rosenbohrer, Fingerkuppen auf den Zähnen abgestützt. – Abb. 9: Verla- gerung des Kontaktpunktes. Zahn 23, keine Seitenzähne, Patientin 87-jährig. Kontaktpunkt nach palatinal verlegt und horizontalisiert zur Verminderung der Querkraft (Prämolarisierung). – Abb. 10: Verstärkung der Adhäsion. Zahn 11, Aufbau nach nur 2 Jahren ab- gebrochen. Patientin 83-jährig. Links: ein verbogener Filpin® labial (Ø 0,6 mm, Filhol) und 4 abgebrochene Komposit- Zapfen (Ø je 1,2 mm). Auf dem skleroti- schen Dentin zwischen den Zapfen hat die Adhäsion völlig versagt. Rechts: Die Reparatur erfolgte mit zwei palatinal ge- legten Parafi x-Pins (nach Prof. J. Wirz). – Abb. 11: Verstärkung der Kohäsion. Zahn 46, linguale Höckerwand subgingi- val frakturiert, Patient 37-jährig. Links: Wurzelfüllung und zwei Retentionen für die Drahtverstärkungen. Mitte: vor dem letzten Komposit-Inkrement. Rechts oben: Schlussbild. Rechts unten: Draht mit Bie- gungen (16 x 22 Permachrome-Standard Drahtbogen, 3M Unitek). 8 10 11