DENTAL TRIBUNE · German Edition · Nr. 5/2019 Science 7 Autoren stellten ebenfalls fest, dass der Grund dafür der größere Taper der PTU war. PTU ist ein Feilensystem, das bis zu sieben Feilen zur Aufberei- tung des Kanals (S1, S2, F1–F5) ver- wendet, was bedeutet, dass im Kanal mehr „Manipulationen“ stattfi n- den als bei den „Single File“-Syste- men REC, SAF und WO. Zudem kann festgestellt werden, dass REC und WO im Vergleich zu den voll- rotierenden Systemen wie PTU oder PTN10, 12, 20, 28, 29, 31–33, 35, 37, 40, 42 weniger Schäden am Dentin verur- sachen. Die Bewegung ist stärker im Kanal zentriert, und mit der rezi- proken Bewegung wird die Feile kontinuierlich freigegeben, wenn sie in die Innenfl äche des Wurzel- kanals eingreift. Dies wiederum führt zu einer Reduzierung der Tor- sionsspannung auf das Dentin.29, 48 Das SAF-System hat ein völlig anderes Konzept: Es ist ein Instru- ment ohne inneren Kern, aber mit einer maschenartigen Struktur, quasi eine „Hohlfeile“.48 Durch ihre Eigenschaften können die ur- sprüngliche Kanalform und die In- tegrität des Wurzeldentins erhalten werden. In allen Studien27, 33, 35, 43, 47, in denen SAF eingesetzt wurde, wurde eine deutlich geringere Bil- dung von Microcracks im Vergleich zu den anderen Feilensystemen fest- gestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Je mehr Zahnsubstanz auf- grund der mechanischen Eigen- schaften eines Feilensystems ent- fernt wird, desto höher ist die Wahr- scheinlichkeit, dass Microcracks jeg- licher Art innerhalb der Wurzel entstehen. Zusammenhang zwischen Untersuchungsmethode und Microcracks Alle 38 In-vitro-Studien unter- suchten die Wurzeln nach der Wur- zelkanalpräparation mit einer der folgenden Methoden: Mikroskop, MicroCT/Synchroton-CT oder Ras- terelektronenmikroskop (REM). Der Unterschied bestand darin, dass nur mit dem Mikroskop und zweimal mit dem REM12, 20 eine Schnittdarstellung der Wurzeln erfolgte. Postoperative Mikrorisse wurden in allen Studien mit Schnittdarstellung9–13, 15–18, 20, 26–37, 39, 41–43 gefunden, aber nur in drei19, 40, 47, 49 der zwölf 14, 19–23, 25, 38, 40, 44, 45, 47 ohne Schnittdarstellung. Daher könnten viele der postoperativen Mikrorisse Artefakte sein, die durch die de struktive Methode der Schnittdarstellung und nicht durch die Wurzelkanalbehandlung per se verursacht werden. Die Untersuchungsmethode hat somit einen Einfl uss auf die Riss- bildung und auch auf deren Erken- nung. Zusammenhang zwischen Microcracks und der Bildung von Vertikalfrakturen Zwölf 9, 10, 16, 17, 26, 27, 33, 34, 37, 41–43 der 38 In-vitro-Studien fanden nicht nur Microcracks nach der Wurzel- kanalaufbereitung, sondern auch Vertikalfrakturen. Es gab jedoch keine Korrelation zwischen einem bestimmten Feilensystem oder einer bestimmten Aufbereitungsmethode und der Prävalenz von Vertikal- frakturen. Es ist bekannt, dass jede Art von Microcrack sich im Laufe der Zeit zu einer Vertikalfraktur ausdehnen kann17, mit im Wesentli- chen zwei verantwortlichen Fakto- ren: prädisponierende und iatro- gene. Wilcox et al.8 gaben an, dass „je mehr Dentin entfernt wurde, desto größer ist die Chance auf eine Fraktur“ und stellten fest, dass alle Zähne in ihrer Studie, die eine Vertikalfraktur entwickelten, einen früheren Nachweis von Microcracks hatten. Im Gegensatz dazu stellten Bürklein et al.17 fest, dass es nach Abschluss der Wurzelkanalbehand- lung noch unklar ist, ob sich Microcracks in vollständige Risse und Frakturen ausbreiten können. Die Autoren führten dieses Ergeb- nis darauf zurück, dass es einen offensichtlichen Mangel an Korre- lation zwischen den Ergebnissen aus In-vitro-Studien und der kli- nischen Situation gibt. In einer Studie von Lertchira- karn et al.50 fanden die Autoren he- raus, dass nach lateraler Kondensa- tion jede Art von unvollständiger Fraktur durch Krafteinwirkung, insbesondere während des Restau- rationsverfahrens oder durch ok- klusale Spannungen beim Kauen zu einem „Hochspannungskonzentra- tionsbereich“ wird. Dies könnte zu einer weiteren Ausbreitung des Ris- ses von der Wurzelkanalwand zur Außenfl äche führen, die in einer Vertikalfraktur endet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vertikalfrakturen fast immer aus Microcracks entstehen, die sich im Laufe der Zeit ausbreiten. Ein weiterer entscheidender Faktor neben der Wurzelkanal- behandlung ist die Art der endgül- tigen Versorgung endodontisch be- handelter Zähne, insbesondere der m o c . k c o t s r e t t u h S / a g n e l a W s a t S © Literatur Teilkrone eine koronale Abdichtung bietet, um eine bakterielle Rekonta- mination des Wurzelkanalsystems zu verhindern, und das weiterhin dazu dient, den Zahn vor dem Ri- siko einer Fraktur zu schützen. Eine noch umfangreichere re- trospektive Analyse des Ergebnisses der ersten endodontischen Behand- lung und der Zahnerhaltung über einen Zeitraum von acht Jahren in einer großen Patientenpopulation aus 50 Staaten in den USA wurde von Salehrabi & Rotstein54 durch- geführt. Von insgesamt 1.462.936 Zähnen wurden 1.420.963 Zähne (97,1 Prozent) in der Mundhöhle gehalten; von den 41.973 extrahier- ten Zähnen hatten jedoch 35.697 (85 Prozent) keine vollständige ko- ronale Abdeckung. So fanden die Autoren einen statistisch signifi - kanten Unterschied zwischen Zäh- nen mit und Zähnen ohne Krone. Die Anzahl der extrahierten Zähne ohne Krone war bei den Molaren 6,2-fach höher als bei den Zähnen mit Krone. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der kumulierte Verlust der Zahnsubstanz durch Karies, restaurative und endodontische Verfahren die Wahrscheinlichkeit einer Zahnfraktur am ehesten er- höht, wenn die Zähne keine voll- ständige koronale Abdeckung auf- weisen. Zusammenfassung • Es gab eine erhebliche Hetero- genität in Bezug auf Anzahl und Art der Zähne, Präparations- protokolle oder Methoden zur Untersuchung der Zähne nach der Präparation. • Microcraks sind nach der endo- dontischen Behandlung ein häu- fi gerer Befund als Vertikalfrak- turen. • Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Entfernung der Zahnsubstanz und der Entste- hung von Rissen jeglicher Art in der Wurzel. • Die Untersuchungsmethode hat Einfl uss auf die Bildung von Ris- sen und deren Erkennung. • Die Möglichkeit einer VF steigt, wenn die Zähne keine vollstän- dige koronale Abdeckung auf- weisen. Für weitere Details zum syste- matischen Review, v. a. auch zum Abschnitt Material und Methoden, nehmen Sie bitte direkten Kontakt mit der Autorin auf. Kontakt Infos zur Autorin Dr. Veronika Walter, MSc Watmarkt 1 93047 Regensburg, Deutschland Tel.: +49 941 55229 praxis@prodens32.de 1 2 Abb. 1: Entwicklung eines Microcracks zur Vertikalfraktur. – Abb. 2: Degradierte Wur- zelkanalfüllung: Ursache oder Folge der Vertikalfraktur? Molaren, die bei Kaukräften die größte Belastung tragen. In einer Studie von Assif et al.51 testeten die Autoren (unter simulierter okklu- saler Belastung) die Bruchfestigkeit endodontisch behandelter Mola- ren, bei denen verschiedene Grade der Zahnstruktur verloren gingen und anschließend mit Amalgam wieder auf die ursprünglichen Kon- turen gebracht wurden. Sie gaben an, dass zwei Gruppen den höchs- ten Widerstand gegen Frakturen aufwiesen: Erstens Zähne mit einem konservativen, endodonti- schen Zugang und damit einer mi- nimalen Amalgamversorgung; zwei- tens Zähne, bei denen die Größe der Amalgamversorgung maximal war, was bedeutet, dass alle Höcker entfernt wurden. Diese Ergebnisse stimmen mit Hansen et al.52 über- ein, die eine 20-jährige retrospek- tive Studie über Frakturen endo- dontisch behandelter und mit Amalgam restaurierter Zähne durchführten. Sie erklärten, dass Amalgam restaurationen ohne Hö- ckerabdeckung für koronale Res- taurationen nicht ausreichend seien und betrachteten die Überkuppe- lung als entscheidend für ihre Lang- zeitprognose. Weitere Studien belegen über- zeugend, dass im Allgemeinen eine Höckerabdeckung der Seitenzähne erfolgen sollte, jedoch ohne Bezug auf Amalgam. Cheung & Chan53 untersuchten retrospektiv das Langzeitüberleben der vor mehr als zehn Jahren durchgeführten Pri- märwurzelkanalbehandlung. Sie untersuchten 608 Zähne und fan- den heraus, dass unter anderem die Höckerabdeckung einer der we- sentlichen Faktoren war, die den langfristigen Erfolg vorhersagten. Sie argumentierten, dass eine Krone/