18 Science DENTAL TRIBUNE · D-A-CH Edition · Nr. 7/2018 Ursachenforschung: Komplikationen und Misserfolge in der Implantologie Bei der stetig wachsenden Zahl gesetzter Implantate erhöht sich trotz der über 95-prozentigen Erfolgsquote zwangsläufig auch die Zahl der Komplikationen und Misserfolge. Prof. Dr. Daniel Buser, Universität Bern, im Gespräch mit Majang Hartwig-Kramer, Redaktionsleitung Dental Tribune D-A-CH. „Es gibt nicht den einen Fehler, den man am häufigsten sieht. Die meisten Fehler werden aber klar bei der Im- plantatchirurgie gemacht.“ Prof. Dr. Daniel Buser Die Behandlung teilbezahnter und zahnloser Patienten mit implan- tatgestütztem Zahnersatz ist aus der modernen Zahnmedizin nicht mehr wegzudenken. Die Implanto- logie ist längst eine etablierte The- rapieform für den Ersatz verloren gegangener Zähne, deren Erfolg nicht nur auf einer guten wissen- schaftlichen Grundlage beruht. Vor allem kommt es auch auf die Erfah- rung der implantierenden Zahn- ärzte an und somit muss folgerich- tig auch über Misserfolge gespro- chen werden. Dental Tribune: Was sind die häu- figsten Ursachen für implantolo- gische Misserfolge? Prof. Dr. Daniel Buser: Ich be- obachte in der täglichen Klinik drei Arten von Misserfolgen. Zum einen sehe ich seit Jahren eine zuneh- mende Zahl von ästhetischen Miss- erfolgen mit Implantatkronen und -brücken. Diese treten oft schon während oder früh nach Abschluss der Behandlung auf, meist in Form von Mukosarezessionen mit sicht- baren Implantaten. Zum zweiten sehen wir Implantate mit periim- plantären Infektionen, die mit der Zeit zu einem progressiven Kno- chenverlust im Alveolarfortsatz und dann mittel- bis langfristig zum Implantatverlust führen, ob- wohl das Implantat lange Zeit noch stabil ist. Zum dritten sehen wir, wenn auch deutlich seltener als die 2 Abb. 2: Periimplantärer Knochendefekt wegen einer Periimplantitis bei schwerem Raucher (> 20 Zigaretten/Tag), acht Jahre nach Implantion. Der typische Knochendefekt ist schüsselförmig, kli- nisch zeigen sich eine Suppuration und erhöhte Sondierwerte. beiden erstgenannten, Implantate mit einer Desintegration. Das sind Implantate, welche ohne Zeichen einer periimplantären Infektion plötzlich beweglich werden und von Hand ausgedreht werden können. Diese Implantate zeigen im Rönt- genbild entlang der Implantat- oberf läche eine dünne Auf hel- lung, das heißt, eine Osteo lyse am Knochen-Implantat-Interface. Diese Misserfolge treten oft erst nach vie- len Jahren der Implantatfunktion auf. Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für ästhetische Miss- erfolge? Bei den ästhetischen Misserfol- gen sind es meist fehlpositionierte Implantate und zwar in allen drei Richtungen, orofazial, mesiodistal oder coronoapikal. Am meisten sehen wir zu bukkal inserierte Im- plantate, welche eine Weichtei l- rezession verursachen, weil das Implantat dann in der Regel keine bukkale Knochenwand aufweist. Diese Fehlposition kann im kresta- len Bereich auch durch eine Fehl- achse verursacht werden. Seltener sind Fehlpositionen in mesiodista- ler Richtung, vor allem bei multi- plen Implantaten bei Mehrfach- lücken. Auch zu koronal inserierte Implantate können zu ganz un- schönen Misserfolgen führen, weil so die Implantatschulter in den sichtbaren Bereich zu liegen kommt. Wie sieht es denn bei der Peri- implantitis aus? Die Ursachen für die Periim- plantitis sind mannigfaltig. Sie kön- nen einerseits durch eine falsche Patientenselektion begünstigt wer- den, wenn Implantate bei Patienten mit stark erhöhten Risiken einge- setzt werden, ohne diese Risiken mit geeigneten Maßnahmen anzu- gehen. Viele Langzeitstudien haben gezeigt, dass Patienten mit einer unbehandelten Parodontitis, aber auch Patienten mit einem erhöhten Zigarettenkonsum, ein stark erhöh- tes Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis haben. Dann kön- nen aber auch chirurgische Fehler bei der Implantatoperation eine Periimplantitis stark begünstigen, wenn Titanimplantate mit einer heute üblichen mikrorauen Ober- fläche so eingesetzt werden, dass die notwendige zirkuläre Knochen- integration im Knochen fehlt. Die meist bukkal fehlende Knochen- wand führt nach der Abheilphase zu einer freiliegenden Implantat- oberfläche im suprakrestalen Be- reich, was klar ein „locus minoris resistentiae“ für die Entwicklung einer periimplantären Infektion darstellt, da solche Oberflächen sehr schnell durch eine bakterielle Besiedlung belastet werden. Eine dritte Ursache kann auch in der Prothetik liegen, die vor allem bei zementierten Implantat- kronen und -brücken auftreten, wenn Zementierungsfehler passie- ren. Diese überpressten Zement- reste können ganz unschöne Infek- tionen verursachen. Aus diesem Grund verwenden wir seit Jahren nur noch verschraubte Implantat- rekonstruktionen. Wie kommt es zu desintegrierten Implantaten? Solche Misserfolge sind deut- lich seltener und werden aus meiner Sicht durch eine lang andauernde okklusale Überbelastung ausgelöst. Gefährdet sind insbesondere Pa- tienten mit Bruxismus. Die Implan- tatlockerung kommt in der Regel erst nach vielen Jahren der okklusa- len Überbelastung, meist mehr als zehn Jahre. Gefährdet sind aber auch kurze (6 mm) Implantate, wel- che nicht mit anderen Implantaten verblockt werden. Dies ist durch neueste Fünf-Jahres-Studien klar belegt. Heikel sind auch Implantate, welche im Gegenkiefer mit einer Implantatrekonstruktion okklu- dieren. All diese Implantate sind im Langzeitverlauf gefährdet. Ich bin deshalb überzeugt, dass wir der Ok- klusion im Langzeitverlauf eine größere Aufmerksamkeit schenken sollten. Wird zu viel implantiert? Das kann man so nicht sagen. Es mangelt bei einem gewissen Pro- zentsatz an der notwendigen Be- handlungsqualität. Wie oben dar- gelegt, liegen die Ursachen oft beim Behandler, wenn bei der Therapie- planung, bei der Implantatchirur- gie und -prothetik die oben darge- legten Fehler gemacht werden. Was sollte ein Behandler tun, wenn sich ein Misserfolg abzeich- net, und wie kann er verhindern, dass es wieder passiert? Bei den ästhetischen Misser- folgen treten diese meist früh auf. Sie erfordern in den meisten Fällen die Entfernung des fehlpositio- nierten Implantats. Um eine Implantatinfektion in der Häufigkeit zu reduzieren, ist eine regelmäßige Betreuung des Patienten durch eine Dentalhygie- nikerin notwendig, wobei das In- tervall auf das Risikoprofil des Pa- tienten abgestimmt werden muss. Tritt eine Infektion auf, in der Frühform eine Mukositis, später eine Peri implantitis, muss diese therapiert werden. Dann emp- fiehlt es sich, das Betreuungsinter- vall zu verkürzen und die tägliche 1 Abb. 1: Ästhetische Misserfolge infolge zu bukkaler Implantatinsertion. Links ein Titan- implantat, rechts ein Zirkonimplantat. Die faziale Fehlposition hat bei beiden Im- plantaten zur typischen Mukosarezession geführt, welche die Patienten enorm stört. Bei beiden muss das Implantat entfernt werden, um das Problem zu beheben. Hygiene durch geeignete Maßnah- men zu optimieren. Gibt es den einen Fehler, der am häufigsten gemacht wird? Es gibt nicht den einen Fehler, den man am häufigsten sieht. Die meisten Fehler werden aber klar bei der Implantatchirurgie gemacht. Diese Fehler verursachen die meis- ten ästhetischen Misserfolge und sie sind oft auch die Ursache für die dargelegten Implantatinfektionen. Die gefühlt steigende Zahl von sol- chen Komplikationen wird dadurch begünstigt, dass chirurgisch un- qualifizierte Zahnärzte Implantat- operationen durchführen, denen es entweder an der nötigen chirurgi- schen Ausbildung fehlt und/oder an der notwendigen implantatchirur- gischen Erfahrung. Schlimm ist es, wenn beides kombiniert auftritt. qualität zunimmt. Zentraler Punkt ist die Frage, welcher Prozentsatz der Zahnärzte chirurgisch tätig sein soll, um die Bevölkerung flächen- deckend mit einer guten Behand - lungsqualität zu versorgen. Titan vs. Zirkon – gibt es Studien darüber, bei welchem Implantat- material es zu weniger Komplika- tionen kommt? Dazu gibt es meines Wissens keine Studien, die das belegen wür- den. Titanimplantate sind durch Langzeitstudien hervorragend do- kumentiert, während es für Zir- konimplantate zurzeit noch keine 10-Jahres-Studien gibt. Viele der Argumente sind marketinggetrie- ben von Implantatfirmen, die Zir- konimplantate verkaufen, oder von Referenten, welche sich über dieses Thema profilieren wollen. Zirkon- 3 Abb. 3: Zwei desintegrierte Titanimplantate 20 Jahre nach Insertion. Die kurzen 6 mm- Implantate wurden damals verblockt. Beide Implantate zeigen eine dünne Aufhellung entlang des Implantat-Knochen-Interfaces. Beide Implantate zeigten während 20 Jah- ren nie Anzeichen einer periimplantären Infektion. Mit welchen Maßnahmen könnte man denn die Häufigkeit dieser Misserfolge reduzieren? Hier muss man beim chirurgi- schen Bereich ansetzen. Die chirur- gische Ausbildung der Zahnärzte ist heute klar im Bereich der Weiter- bildung angesiedelt, das heißt, dass die Studierenden während des Stu- diums keine Ausbildung in den chirurgischen Disziplinen wie der Oral chirurgie, der Parodontalchi- rurgie und eben auch der Implan- tatchirurgie erhalten. Was in Mit- teleuropa fehlt, ist eine zielführende Strategie, wie die zukünftige Zahn- ärztegeneration im Rahmen der Weiterbildung chirurgisch so ge- schult wird, dass die Behandlungs- implantate erfordern aber ebenfalls eine erstklassige Behandlungsqua- lität. Die notwendigen Langzeit- studien müssen jetzt die Langzeit- stabilität von Zirkonimplantaten belegen. An unserer Klinik werden seit acht Jahren Zirkonimplantate verwendet, wenn sie vom Patienten gewünscht werden und wenn es die anatomische Situation auch zulässt. Die bisherigen Erfahrungen sind vielversprechend, weshalb der Pro- zentsatz von Zirkonimplantaten langsam ansteigt. Er liegt aber immer noch im tiefen einstelligen Bereich. Vielen Dank für das aufschluss- reiche Gespräch.