DENTAL TRIBUNE · D-A-CH Edition · Nr. 6/2017 Science 23 Experimentieren für die Zukunft der Endodontie Hypoxie-basierende Strategien für die Regeneration der Pulpa. Von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Hermann Agis, PhD, Medizinische Universität Wien, Universitätszahnklinik Wien, Fachbereich Zahnerhaltung und Parodontologie. Mikrogewebe Tissue Engineering zeigte sich in experimentellen präklinischen Studien als ein mögliches „Tool“ zur Regeneration der Pulpa. Zu- meist werden in diesen Studien Zellen auf einer Matrix aus Träger- material verwendet. Der Erfolg dieser Strategien verlangt die Um- wandlung und den Abbau des Trä- germaterials im Zuge der Heilung. Neu sind trägermaterialfreie Stra- tegien, die auf der Transplantation von kugelförmigen Mikrogeweben aus Pulpazellen, sogenannte Sphä- roide, basieren. Wir konnten in einer aktuellen Studie, welche im renommierten International Endo- dontic Journal publiziert wurde, zeigen, dass die Konditionierung von Pulpazellen mit Hypoxie bzw. Hypoxiemimetika die Produktion von proangiogenen Faktoren stei- gern kann, ohne dabei die Bildung der Mikrogewebe zu verhindern. Zukünftige Untersuchungen wer- den zeigen, ob dieser Ansatz von „Zelltraining“ die Effi zienz der Zelltransplantation für die Pulpa- regeneration steigern kann. Ein weiteres Zukunftswerkzeug für die regenerative Endodontie ist der 3-D- Druck. Die Partnerschaft in einem nationalen Forschungsnetzwerk zu den Themen Additive Manufactu- ring und 3-D-Druck (M3dRES), welches durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt wird, eröffnet unserem Competence Center ein innovatives Methoden spektrum, um neue Ansätze für die regenera- tive Endodontie zu entwickeln. Ziel wird sein, Patienten und Zahnärzte Die Vitalität des Zahnes wird durch die Pulpa über die Blutversorgung und Innervation gewährleistet. Zahntraumata, die gehäuft bei Kin- dern und Jugendlichen auftreten, können zu einem Sauerstoffmangel in der Pulpa führen. Hypoxie im oralen Gewebe spielt auch bei auto- loger Zahntransplantation oder bei experimentellen Ansätzen, wie bei Zelltransplantation oder dem Tissue Engineering, eine wichtige Rolle, da auch hier die Zellen tran- sienter Hypoxie ausgesetzt werden. Um diese Ansätze zu optimieren und weiter zu entwickeln, ist des- halb ein klares Verständnis der zel- lulären Antwort auf die niedrigen Sauerstoffspiegel notwendig. Auswirkungen des Sauerstoffmangels Das multidisziplinäre Team un- seres Competence Center for Tissue Engineering and Cell-Based Thera- pies erforscht deshalb die Wirkung von Sauerstoffmangel und Hypo- xiemimetika auf die Pulpa. In ak- tuellen Arbeiten konnten wir zei- gen, dass Pulpazellen unter dem Einfl uss von Hypoxie die Produk- tion von proangiogenen Molekülen steigern, welche die Blutgefäßbil- dung fördern und so möglicher- weise die Revaskularisation unter- stützen. Hierzu zählen Vascular En- dothelial Growth Factor und Angio- genin. Interessanterweise steigern die Zellen auch die Produktion von Angiopoietin-like 4, einem Faktor, welchem eine antiangiogene Wir- kung sowie die Förderung der Hart- gewebsresorption nachgesagt wird. Weiters zeigen unsere Studien, dass i n e W k n i i l k n h a z s t ä t i s r e v i n U © 2 i n e W k n i i l k n h a z s t ä t i s r e v i n U © 1 Abb. 1: Mögliche Hypoxie-basierende Strategien für die regenerative Endodontie bauen auf der Anwendung von Hypoxiemimetika (pharmakologisch simulierter Hypoxie), Gentherapie (durch Veränderung der Genetik der zellulären Sauerstoffsensoren) und Hypoxiekonditionierung (Absenkung der Sauerstoffspiegel) auf. Die Applikation kann in vivo oder ex vivo erfolgen und Zellen, Gewebe oder die Anwendung des Sekretoms (Zellüberstand) betreffen. Siehe auch: Müller AS, Janji K, Lilaj B, Edelmayer M, Agis H. Hypoxia-based strategies for regenerative dentistry–Views from the different dental fi elds. Archives of Oral Biology. 2017 DOI: 10.1016/j.archoralbio.2017.04.029. Hypoxie und Hy poxiemimetika auch einen Einfl uss auf die peri- pheren circadianen Uhren haben können, die auch in Zellen von oralem Gewebe wie der Gingiva, dem parodontalen Ligament und der Pulpa exprimiert werden. Regenerationsförderung Hypoxiemimetika sind also ein mögliches Werkzeug, um die pro- angiogene Kapazität der Zellen zu steigern und dadurch die Regenera- tion zu fördern. Eine weitere Schlüs- selrolle in der Regeneration kommt dem Wnt-Signalweg zu, welcher einer feinregulierten Kontrolle durch die Inhibitoren SOST und DKK-1 unterliegt. Aktuell erforscht unser Competence Center in einer Studie die Wirkung von Hypoxie auf SOST und DKK-1. Die Euro- pean Society of Endodontology unterstützt dieses Projekt mit dem Research Award. Die Klärung der Rolle von SOST und DKK-1 ist von klinischer Relevanz, da Medika- mente in der Entwicklung sind, wel- che die Wirkung von SOST und DKK-1 modulieren. Derzeit ist der Einfl uss dieser Ansätze auf die Pulpa unklar. i n e W k n i i l k n h a z s t ä t i s r e v i n U © 3 Abb. 2: Die Forschung an experimentellen Strategien für die regenerative Endodontie weist neue Wege in die Zukunft. – Abb. 3: Mikrogewebe und 3-D-Druck bieten innovative Möglichkeiten für die Endodontie. mit Innovationen die Zukunft der regenerativen Endodontie zu er- möglichen. DT Weiterführende Literatur: Müller AS, Janji K, Lilaj B, Edelma - yer M, Agis H. Hypoxia-based strate - gies for regenerative dentistry–Views from the different dental fi elds. Ar - chives of Oral Biology. 2017 DOI: 10.1016/j.archoralbio.2017.04.029. Janji K, Lilaj B, Moritz A, Agis H. For- mation of spheroids by dental pulp cells in the presence of hypoxia and hypoxia mimetic agents. Int Endod J. 2017 DOI: 10.1111/iej.12806. Janji K, Edelmayer M, Moritz A, Agis H. L-mimosine and hypoxia can increase angiogenin dental pulp-derived cells. BMC Oral Health. 2017 DOI: 10.1186/s12903-017-0373-6. production in Janji K, Kurzmann C, Moritz A, Agis H. Expression of circadian core clock ge - nes in fi broblasts of human gingiva and pe riodontal ligament is modulated by L- Mimosine and hypoxia in monolayer and spheroid cultures. Arch Oral Biol. 2017 DOI: 10.1016/j.archoralbio.2017.03.007. Janji K, Cvikl B, Moritz A, Agis H. Den- tal pulp regeneration. International Jour- nal of Stomatology & Occlusion Medicine 2016 DOI: 10.1007/s12548-015-0139-1. Müller HD, Cvikl B, Janji K, Nürnber - ger S, Moritz A, Gruber R, Agis H. Effects of Prolyl Hydroxylase Inhibitor L-mimo - sine on Dental Pulp in the Presence of Ad- vanced Glycation End Products. J Endod. 2015 DOI: 10.1016/j.joen.2015.08.002. Kontakt Infos zum Autor Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Hermann Agis, PhD Medizinische Universität Wien Universitätszahnklinik Fachbereich Zahnerhaltung und Parodontologie Competence Center Tissue Engineering and Cell-Based Therapies Sensengasse 2a 1090 Wien, Österreich Schiefer Biss könnte Zeichen für frühkindlichen Stress sein Amerikanische Studie an 6.654 Jugendlichen belegt Zusammenhang. Bisher galt ein geringes Geburts- gewicht als Kennzeichen für früh- kindlichen Stress, welcher die Le- benserwartung sowie die Anfällig- keit für Krankheiten des Kindes beeinfl usst. Forscher haben jetzt aber herausgefunden, dass auch ein asym- metrischer Biss ein Hinweis darauf sein kann. Die ersten 1.000 Tage nach der Geburt sind entscheidend für den weiteren Verlauf des Lebens. Bisher gilt lediglich ein geringes Geburtsge- wicht als Kennzeichen für frühkind- lichen Stress, der sich negativ auf die Lebenserwartung und das Immun- system auswirken kann. Für den wei- teren Verlauf der 1.000 Tage gab es bisher kein weiteres Merkmal, das weitere Rückschlüsse zuließ. Bis jetzt. Eine amerikanische Studie, die im American Journal of Human Bio- logy veröffentlicht wurde, hat her- ausgefunden, dass auch ein asymme- trischer Biss ein Zeichen für früh- kindlichen Stress sein kann. Sekundenschnelle Diagnose möglich Bisher nutzten lediglich Anthro- pologen solche Fehlstellungen, um Umweltbelastungen nachzuweisen. Dass sie aber durchaus auch am lebenden Objekt Rückschlüsse auf Stress zulassen, hat die amerikani- sche Studie festgestellt. Zudem be- steht der Vorteil, dass die Asymme- trie direkt in der Zahnarztpraxis in- nerhalb weniger Sekunden diagnos- tiziert werden kann. Im Gegensatz zu Über- und Unterbiss ist eine Asym- metrie, die nach links oder rechts verlagert ist, nicht genetisch, son- dern durch Umweltstress verursacht. Für ihre Untersuchungen wur- den die Daten von 6.654 Jugendli- chen im Alter von 12 bis 17 aus den Jahren 1966 bis 1970 ausgewertet. Das Ergebnis zeigte, dass einer von vier Jugendlichen einen asymmetri- schen Biss hatte. Außerdem stellten die Forscher fest, dass die unter- suchte Generation vermehrt an Dia- betes und Fettleibigkeit im Erwach- senenalter leidet. Es sind nun weitere Untersu- chungen notwendig, die belegen müssen, dass Asymmetrien im Un- tergesicht ein sicheres Zeichen für chronische Erkrankungen bei leben- den Menschen sind, sowie Schädel- asymmetrien bei Leichen bereits mit degenerativen Erkrankungen in Ver- bindung gebracht werden können. DT Quelle: ZWP online