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Perio Tribune Swiss Edition

30 Perio News PERIO TRIBUNE Swiss Edition Nr. 12/2016 · 5. Dezember 2016 Seit der Entdeckung der DNA- Struktur im Jahr 1953 war für viele von uns klar: Unsere Merkmale sind uns in die Wiege gelegt. Das stimmt jedoch nur bedingt. In den letzten Jahren ist diese Sichtweise, ja sogar die Darwin’sche Evolutionstheorie, erschüttert wor- den. Es scheint, dass wir selbst unser Genom beeinflussen können und dies vor allem durch Ernährung. Wie soll das funktionieren? Nicht alles ist vererbt … Ob Gene an- oder abgeschaltet werden, hängt von zwei Mechanis- men ab: von der DNA-Methylierung und der Modifizierung von Histon- proteinen. Diese beiden epigeneti- schen Mechanismen spielen eine Rolle, ob Genabschnitte gelesen und in weiterer Folge Proteine synthe- tisiert werden. Die „Epigenetik“ im Allgemeinen lässt sich als alle meiotischen und mitotischen Ver- änderungen der Genexpression de- finieren, die nicht in der DNA- Sequenz festgelegt sind. Bisphenol A (BPA), welches als Weichmacher in Plastik zu finden war und teils immer noch ist, kann zu Untermethylierung von DNA- Abschnitten führen. Es imitiert das Hormon Östrogen und ist daher ge- rade für Kinder eine bedenkliche Substanz. Das Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, dass BPA von Neugeborenenintensiv- stationen sowie von Stationen für Dialysepatienten verbannt werden sollte, da Gesundheitsrisiken für möglich gehalten werden. Was tun gegen epigenetisch wirksame Substanzen? Nachdem schon beinahe alles in Plastik verpackt ist, fragt man sich, was man denn nun gegen mög- liche gesundheitsschädliche Verpa- ckungen und Beschichtungen tun kann. Wer nicht den Bio-Laden ums Eck hat oder selbst Obst und Ge- müse anpflanzt, kann sich zumin- dest an gewissen Lebensmitteln orientieren: Gegen die Modifizierung ein- zelner DNA-Abschnitte können bestimmte Lebensmittel, wie z.B. Brokkoli, Granatapfel, Bohnen, Kur- kuma und insbesondere grüner Tee, helfen. Dass die Krebsrate in Japan, wo aufgrund des stressigen Lebensstils ein höheres Auftreten von Krebs ver- mutet werden könnte, signifikant niedriger ist als in anderen Indus- trienationen, ist wahrscheinlich auf den hohen Konsum des grünen Tees zurückzuführen. Dies wird auch als „Japanisches Paradox“ bezeichnet. Der Inhaltsstoff Epigallocatechin-3- Gallat des grünen Tees kann die DNA-Methylierung hemmen und somit dem Entstehen von Krebszel- len entgegenwirken. Bin ich nur für mich verantwortlich…? Welche Gene an- oder abge- schaltet wurden, hängt nicht nur von einem selbst ab. Diese epigene- tischen Änderungen können auch direkt vererbt werden. Eindrucksvoll liess sich dies anhand vermehrten Auftretens chronischer Erkrankun- gen dokumentieren, die bei Nach- kommen von Personen auftraten, deren Eltern oder Grosseltern wäh- rend der Schwangerschaft Hunger erleiden mussten. In Untersuchun- gen über Diabetes konnte gezeigt werden, dass bei grossen Hungers- nöten der letzten 100 Jahre die Mangelernährung während der Schwangerschaft zu einem erhöhten Diabetesrisiko in den Folgegenerati- onen führte. Ein epigenetischer Me- chanismus wird dahinter vermutet. Im Tierexperiment konnte ebenfalls gezeigt werden, dass durch epigenetische Einflüsse hervorgeru- fene Merkmale direkt an nächste Ge- nerationen vererbt werden können. Fliegenlarven wurden in einem Ex- periment an der ETH Zürich in Basel unter Prof. Renato Paro beispielsweise unüblicher Hitze aus- gesetzt. Dies hatte zur Folge, dass Fliegen mit roten Augen zur Welt kamen. Deren Nachkommen hatten zum Teil auch wieder rote Augen, ohne dass nochmals ein Hitzereiz gesetzt wurde. Mit anderen Worten: Die DNA-Sequenz, welche für die Augenfarbe verantwortlich ist, blieb gleich, die Augenfarbe änderte sich jedoch. Die Darwin’sche Evolutionsthe- orie, nach welcher es z.B. Mutatio- nen für Änderungen des Phänotyps braucht,gilt zwar nicht als widerlegt, jedoch um einen wesentlichen As- pekt ergänzt. Die epigenetische Prä- gung beginnt bereits vor der Geburt, je nachdem, wie sich die werdende Mutter ernährt und welchen Toxi- nen sie sich aussetzt. Nach der Ge- burt formt sich das Erwachse- nen-Epigenom, welches durch Er- nährung, Krankheit, Medikamente, Toxine und durch das Altern selbst beeinflusst wird. Dass Ernährung ein wesentli- cher Faktor für die phänotypischen Ausprägungen ist, wird uns im Tier- reich erstaunlich vor Augen geführt. Eine Bienenkönigin wird zu einer solchen nicht etwa, weil ihre DNA anders codiert ist als die einer Arbei- terin. Ihr Erscheinungsbild ändert sich lediglich über eine veränderte Ernährung, wobei Gelée royale epi- genetisch wirksam ist. Epigenetische Mechanismen führen auch bei der Agouti-Maus zu einem anderen Aussehen. Ist die Agouti-Maus mit unmethylierter DNA gelb, fettleibig sowie anfällig für Diabetes und Krebs, so erscheint die Agouti-Maus, deren DNA-Abschnitte methyliert sind, braun und dünn. Verantwort- lich für das veränderte Erschei- nungsbild ist lediglich die Ernäh- rung der Maus in der Schwanger- schaft. Ein Mix aus Vitamin B12, Folsäure und Cholin reicht für der- art tiefgreifende Änderungen aus. Was hat das nun mit Parodontitis zu tun…? Wenn man durch Aufnahme von Plastikbestandteilen Krebs be- günstigen kann,wie sieht es dann bei anderen Erkrankungen aus, deren Ätiologie noch nicht vollständig geklärt ist? Die Forschung arbeitet schon seit einiger Zeit an epigeneti- schenAspekten der Parodontitis,um auch dort abnorme Muster der DNA-Methylierung aufzuspüren. Warum reagieren wir unterschied- lich auf entzündliche Reize? Dies wurde bislang teilweise auf genetische Polymorphismen zu- rückgeführt. Nun scheint es aber, dass Mechanismen wirken können, die nicht genetischen, sondern epi- genetischen Ursprungs sind. Bei Parodontitis wurde im Konkreten festgestellt, dass manche DNA-Abschnitte eine veränderte Methylierung aufweisen und da- durch die Produktion von pro- inflammatorisch wirksamen TNF-α gesteigert wird. Es wird jedoch auch vermutet, dass nicht nur die verän- derte DNA-Methylierung, sondern auch eine Modifikation der Histone bei Parodontitis eine Rolle spielen. Diese durch Bakterien induzierte epigenetische Modifikation wird für die Heraufregulierung des Entzün- dungsmediators NF-kB verantwort- lich gemacht. Fazit Das holistische Konzept rückt für die Parodontitisprävention und -therapie nun wieder vermehrt in den Vordergrund. Kann man durch Ernährung nachweislich epigeneti- sche Veränderungen steuern, die auch das Parodontium positiv be- einflussen? Die Forschung darüber hat gerade erst begonnen. PT Literatur: – de Rooij SR, Roseboom TJ, Painter RC (2014) Famines in the last 100 years: implications for diabetes. Current dia- betes reports 14: 536. – Martins MD, Jiao Y, Larsson L,Almeida LO, Garaicoa-Pazmino C, Le JM, Squa- rize CH, Inohara N, Giannobile WV, Castilho RM (2016) Epigenetic Mo- difications of Histones in Periodontal Disease. Journal of dental research 95: 215–222. – Wilson AG (2008) Epigenetic regula- tion of gene expression in the inflam- matory response and relevance to com- mon diseases. Journal of periodontology 79: 1514–1519. Die Einflüsse der Epigenetik Warum bekommen viele Menschen Krebs, Parodontitis und andere Erkrankungen? Die Ursache kann in epigenetischen Veränderungen liegen. Von Univ.-Ass. Dr. Hady Haririan, MSc, Wien, Österreich. Infos zum Autor Kontakt Univ.-Ass. Dr. Hady Haririan, MSc Zahnerhaltung und Parodontologie Universitätszahnklinik Wien Medizinische Universität Wien Sensengasse 2a 1090 Wien, Österreich Tel.: +43 1 40070-4720 hady.haririan@meduniwien.ac.at Die Forschung widmet sich seit jüngster Zeit epigenetischen Aspekten der Parodontitis, um auch dort abnorme Muster der DNA-Methylierung aufzuspüren. © vitstudio/Shutterstock.com © Syda Productions(Shutterstock.com Tel.: +43140070-4720

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