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Dental Tribune German Edition No. 12, 2016

4 DENTAL TRIBUNE German Edition Nr. 12/2016 · 5. Dezember 2016 In zahnärztlich gut versorgten Regionen führen Okklusionsfehler häufiger zu Zahnschmerzen als Ka- ries. Schuld sind zu breite Kontakt- flächen, fehlende Kontakte, Vor- kontakte und interzeptive Nah- kontakte. Die Hauptsymptome sind Kaltempfindlichkeit, Blitzschmer- zen und dumpfe Schmerzen beim Essen, Frakturen und Food Impac- tion. Der Artikel zeigt, wie man ein- schleift, Höcker reduziert, Abfluss- rillen anbringt und Komposit an- setzt. Der Patient hat sofort nach der Korrektur ein besseres Kau- gefühl, zwei Wochen später nimmt die Kaltempfindlichkeit ab und etwa nach sechs Wochen ist sie ver- schwunden und offene Zahnzwi- schenräume sind wieder geschlos- sen. Einleitung Okklusionsfehler findet man gewöhnlich bei stark abgenutzten Zähnen und Füllungen, bei langen Höckern und lange getragenen Por- zellankronen. Ihre Zahl nimmt mit dem Rückgang der Karies und mit den vermehrten behandlungsfreien Jahren zu. Sie verursachen in der Praxis des Autors seit zehn Jahren doppelt so viele Notfälle wie Karies (Abb. 1), und 70 Prozent der Patien- ten haben mindestens einmal im Leben okklusionsbedingte Schmer- zen (Abb. 2). Okklusionsfehler sind Fehlbe- lastungen. Sie können jahrelang klein und schmerzfrei bleiben, je- doch durch die hohe Zahl der Kau- zyklen Ermüdungsrisse verursa- chen. Sie können aber auch enorm groß werden und extrem schmer- zen. Solche Zähne werden oft nicht eingeschliffen, sondern wurzelbe- handelt (Abb. 3) oder extrahiert (wenn gelockert oder frakturiert). Dies betrifft vor allem Zähne mit steilen, langen Höckern. Beträgt der Winkel zwischen ihnen (Hö- ckerwinkel) weniger als 90 Grad, ist die Spaltkraft bei zähem Kaugut höher als die Beißkraft (Abb. 6). Die Schmerzen haben nicht nur anatomische, sondern auch topolo- gische und psychologische Ursa- chen. Das heißt, neben den Kontak- ten, Abflussrillen und Höckerwin- keln sind auch interzeptive Nah- kontakte, die Kiefergelenke und Zeichen des Bruxismus zu beach- ten. Ein Registrat mit Analyse und Einschleifplan ist im Notfall aber nicht praktizierbar. Dagegen ist Einschleifen und Ansetzen sehr wirksam, zweckmäßig und wirt- schaftlich. Die einfachsten Okklusionsfeh- ler findet man auf einen Blick und ohne Farbband. Dazu gehören der hohe Randwulst des hintersten Mo- laren (Abb. 4), die flache Okklusion abgenutzter Zähne (Abb. 5) und die langen, steilen Höcker respektive tiefe Zentrik bei abgenutzten Fül- lungen (Abb. 6). Etwas anspruchsvoller (aber empfehlenswert) ist prophylakti- sches Einschleifen und Ansetzen bei neuen Füllungen. Dazu färbt man vorgängig die alte Füllung an. Bei einer tiefen Zentrik wird der an- tagonistische Höcker gekürzt und die neue Füllung entsprechend er- höht. Bei einem breitflächigen Kon- takt sind zuerst Abflussrillen anzu- bringen (Abb. 7). Einen randständi- gen Kontakt kann man zur Zahn- mitte verschieben, indem man den antagonistischen Höcker seitlich anschrägt und/oder einen zentra- len Höcker modelliert (Abb. 8). Am schwierigsten kann Ein- schleifen und Ansetzen bei akuten Kauschmerzen sein. Praxisrelevant sind die gute Befragung bei der Anamnese und die Untersuchung mit Farbband, da Röntgenbilder keinen Befund zeigen. Interzeptive Nahkontakte sind nicht anfärbbar, sondern an den Folgen erkennbar. Material und Methode Material • COLTENE, Deutschland: Arti- kulationsband Ref. Nr. 480922, geschnitten, 100 Streifen. • BUSCH GmbH, eiförmiger Dia- mantschleifer, 379 / FG / mittel / 023. • Rettungsdecke (12µ-Folie, Auto- zubehör), zerschneiden in Streifen zu 0,5 x 4 cm. Anamnese Patienten mit Okklusionsfeh- lern erzählen häufig eine lange Leidensgeschichte. Die Schmerzen entstehen bei Kälte, während oder nach dem Essen, sind häufig nicht genau lokalisierbar, ausstrahlend, manchmal nur sporadisch, tags- über, nachts oder morgens. Im schlimmsten Fall schmerzt und pocht der Zahn, sobald ihn die Zunge berührt (etwa ein end- ständiger wurzelbehandelter Prä- molar gegenüber einem Implan- tat). Die drei Leitsymptome sind am besten mit geschlossenen Fragen zu ermittelnwie„SpürenSiemanchmal einen Blitzschmerz beim Kauen?“: • Der Blitzschmerz entsteht, wenn das Parodont eines einzelnen Zah- nes gequetscht wird. Er klingt nach einigen Minuten ab und kann durch Schonen vermieden werden. • Der dumpfe Schmerz während oder nach dem Essen entsteht, wenn eine Zahngruppe überlastet wird. Er entsteht nur bei zähem Kaugut und dauert etwa eine Stunde. • Der Kaltschmerz entsteht, weil der Apex beim Bruxen bewegt und die Pulpa dort gedehnt und gestaucht wird. Sie entzündet sich wegen der mechanischen Dauerstörung, ihr pH-Wert sinkt (sie wird rot) und die Nervenfasern feuern entspre- chend früher. Die Pulpitis ist bak- terienfrei und reversibel. Folgende Zusatzinformationen sichern die Diagnose ab: • Schmerzen bei nächtlichem Er- wachen oder morgens beim Auf- wachen deuten auf Bruxismus. • Schmerzen von wenigen Minuten Dauer nach Süß oder Sauer deuten auf empfindliche Zahnhälse. • Ein spontaner mehrstündiger Schmerz weist auf Karies. • Ein zentraler Vorkontakt kann eine subgingivale Entzündung anzeigen. International Science Einschleifen und Ansetzen Eine Methode zur Vermeidung von Wurzelbehandlungen und Extraktionen. Von Dr. Walter Weilenmann, Wetzikon, Schweiz. Information Interzeptive Nahkontakte entste- hen zwischen zwei nahegelege- nen Höckern, die zähes Kaugut einklemmen können. Entsteht ein Druck in sagittaler Richtung, wird ein Diastema mit Food Impaction von okklusal hervorgerufen. Wirkt der Druck transversal gegen eine Höckerwand, entsteht ein dumpfer Schmerz während oder nach dem Essen. Wirkt er transversal zwischen einem herabhängenden Höcker und einem Zahnzwischen- raum, so entsteht Food Impaction von lateral. 3 Abb. 3: Der anamnestisch kaltempfindliche 15 nach Wurzelbehandlung bei einem Endodontologen. Das Provisorium hat keinen Kontakt. Der interzeptive Nahkontakt beim 16 palatinal (minimal angefärbt) führte nach kurzer Zeit zu schmerzhafter Food Impaction. – Abb. 4: Hoher Randwulst. Links: natürliche Abrasion bei Klasse II (rot: Korrektur- bereich). Rechts: 17 kaltempfindlich, da der distopalatinale Höcker bei Klasse I eine große Angriffsfläche hat. – Abb. 5: Flache Okklusion. Links: Kaltempfindlicher 36 mit Blitz- schmerz bei harten Körnchen. Rechts: Kaufläche durch zwei Abflussrillen verkleinert. – Abb. 6: Kleiner Höckerwinkel und tiefe Zentrik. Links: 46 schwach angefärbt wegen Kauschmerz (Höckerwinkel 90 Grad). Mitte: kräftig angefärbt nach Einschleifen. Rechts: Dieser 24 könnte schon beim nächsten Pfefferkorn brechen (Höckerwinkel 0 Grad). 5 6 Abb. 1: Die Kurve der Okklusionskorrekturen bei Schmerzpatienten ist zugleich die Lernkurve des Autors. Anfangs diagnostizierte er nur selten einen Okklusionsfehler, heute fast täglich. – Abb. 2: Unter den 6.488 Patienten, die der Autor bis 2015 in seiner Praxis behandelte, beträgt die Inzidenz der Okklusionsstörungen 20 Prozent. Bei den Patienten, die schon 30 und mehr Jahre die Praxis besuchen, beträgt sie 70 Prozent. Davon haben 10 Prozent rezidivierende Kauschmerzen (Bruxer mit tiefem Deckbiss, Kopfbiss, Lückengebiss, Parodontitis und Zungenpressen usw.). 1 Fortsetzung auf Seite 6  2 4 56

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