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20th International Symposium on Dental Hygiene Basel, 2016

science ISDH 2016 12 Hintergrund Für Patienten mit stark ein- geschränkter Nierenfunktion ist eine Nierenersatztherapie zumeist eine unumgängliche, lebenserhaltende Massnahme.1 Aufgrund des häufig beeinträchtigten allgemeinen Ge- sundheitszustandes und unter Be- rücksichtigung einer möglichen multiplen Medikamenteneinnahme sind diese Patienten als Risiko- gruppe in der zahnärztlichen Praxis einzustufen. Zudem stellen diese Pa- tienten oftmals Kandidaten für eine Transplantation dar, wodurch sich ein besonderer Stellenwert in einer regelmässigen Diagnostik, einer ab- gleitenden bedarfsorientierten The- rapie und vor allem einer risikoorien- tierten Prävention oraler Erkrankun- gen ergibt. Anamnestische Besonderheiten Patienten unter Hämodialyse (HD), der am häufigsten angewende- ten Nierenersatztherapie1 , weisen verschiedene Besonderheiten auf (Checkliste). Aufgrund ihrer Grund- erkrankungen wie Diabetes mellitus und Hypertonie, sowie einer oftmals multiplen Medikamenteneinnahme ist ein grosser Teil der Patienten multimorbide. Weiterhin ist mit ei- nem erhöhten Blutdruck (Hyperto- nie) zu rechnen und die Hemmung der Blutgerinnung mittels Heparin (Heparinisierung) ist zu berücksich- tigen, da es bei Nichtbeachtung zu Blutungskomplikationen kommen kann. Generell scheint diese Patien- tengruppe eine Immunkompromit- tierung zu besitzen, durch welche sich eine erhöhte Anfälligkeit für In- fektionen ergibt.2 Das Ergebnis sind systemische (z.B. Infektionen), aber auch orale Erkrankungen (Karies, Gingivitis und Parodontitis).3 Mit anhaltender Dialysedauer stellt sich eine zunehmende Verschlechte- rung des Mundgesundheitszustan- des ein.4,5 Hierbei sind gesteigerte Bildung von Zahnstein, virale Infek- tionen und Erosionen, sowie das ge- häufte Vorliegen einer Hyposaliva- tion oder sogar Xerostomie rele- vant.6–10 Zudem begünstigt der verringerte Speichelfluss Pilzinfekti- onen (v.a. Candida albicans). Unter Umständen wirken sich verschie- dene Medikamente auf die Mund- höhle aus, besonders medikamen- teninduzierte Gingivawucherungen sind anzuführen, die z.B. durch eine begleitende antihypertensive Thera- pie mit Kalziumkanalblockern (Am- lodipin oder Nifedipin) begünstigt werden. Folglich besteht nicht nur ein erhöhtes Risiko für Entstehung und Voranschreiten oraler Erkran- kungen, sondern auch für systemi- sche Komplikationen, die daraus re- sultieren können. Mundgesundheitsverhalten Die zeitaufwendige Dialysethera- pie stellt eine erhebliche Belastung dar und beeinträchtigt die Patienten massgeblich in ihrer Lebensquali- tät.11,12 Bedingt dadurch nimmt die Mundgesundheit für die Patienten keinen hohen Stellenwert ein.13 Auf ergänzende Mundhygienemassnah- men (Interdentalraumbürsten, Fluo- ridgel) wird häufig verzichtet14–16 und die Mehrzahl der Patienten sucht den Zahnarzt nicht vorsorgeorien- tiert, sondern nur im Fall von Be- schwerden auf.16 Ziel und Aufgabe des Praxisteams sollte sein, den Pati- enten mehr zur Eigenverantwortung eines kontroll- und präventionsorien- tierten Verhaltens zu sensibilisieren und zu motivieren. Besonderheiten bei zahn- ärztlichen Behandlungen Insbesondere sind die erhöhte Blutungsneigung durch die Heparini- sierung im Rahmen des Dialyse- prozesses, aber auch die erhöhte In- fektionsgefahr bei/durch zahnärzt- liche Eingriffe zu erwähnen. Ausser- dembestehtbeivielenMedikamenten, die in der zahnärztlichen Praxis An- wendung finden, eine Metabolisie- rung über die Nieren.17 Eine poten- zielle Nephrotoxizität von Arzneimit- teln muss berücksichtigt werden, z.B. sollten Tetrazykline, Aminoglycoside und Polypeptidantibiotika nicht oder nur dosisreduziert gegeben werden.18 Zudem muss der Patient zwingend über mögliche Risikopotenziale auf- geklärt und sein Gesundheitsverhal- ten entsprechend geleitet bzw. sensi- bilisiert werden. Immens wichtig ist überdies der Zeitpunkt der Behand- lung, welche aufgrund der Heparini- sierung auf den Tag nach der (Hämo-) Dialyse zu legen ist.18 Notwendigkeit einer individuellen und risikoorientierten Prävention Der Langzeiterfolg einer zahn- ärztlichen präventionsorientierten Therapie aller und insbesondere von Risikopatienten ist von drei wesentli- chen Aspekten abhängig. 1. Individuell abgestimmtes und kon- tinuierliches Risikomanagement (Recallsystem) mit Aufklärung der Patienten zur Notwendigkeit von Schaffung und Erhalt mundgesun- der Verhältnisse. 2. Umfassende Diagnostik (kontinu- ierliches diagnostisches Monito- ring von Zähnen und Parodont) so- wie Überprüfung auf reduzierten Speichelfluss und Erkrankungen der Mundschleimhaut (Auftreten von Gingivawucherung). 3. Prophylaxe/Präventionsmassnah- men mit Motivation und Instruk- tion des Patienten sowie PZR mit dem Ziel der Sanierung/Schaffung und dem Erhalt mundgesunder Verhältnisse. Unabhängig davon müssen die Patienten in ein strukturiertes und individuell-risikoorientiertes Prä- ventionskonzept integriert werden. Dies kann in der Regel ohne appara- tiven Mehraufwand adäquat umgesetzt werden. Ein mögliches Therapieschema ist via QR-Code ver- linkt. Konsequenzen für die Praxis Der HD-Patient muss über seinen Status als Risikopatient aufgeklärt werden, da er sich dessen häufig nicht bewusst ist. Da diese Patienten häufig Kandidaten für eine Nieren- transplantation sind, ist eine früh- zeitige Therapie und entsprechende Vor- und Nachsorge oraler Erkran- kungen essenziell (Therapieschema).19 Seitens der Behandler (Allgemeinme- diziner, Internist, Zahnarzt) und Pa- tienten ist der Fokus verstärkt auf den umfangreichen Informationsaus- tausch sowie die interdisziplinäre Zu- sammenarbeit zwischen Zahnärzten und Nephrologen/Allgemeinmedizi- nern zu legen. Ebenso müssen sich die beteiligten Fachdisziplinen vor der Therapie, vor der Gabe von Medi- kamenten und bei der Frage einer notwendigen Antibiotikaprophylaxe abstimmen.20 In diesem Zusammen- hang ist die detaillierte Erhebung der Krankengeschichte und der Medika- mentenanamnese essenziell. Medi- kamente sollten immer unter Be- rücksichtigung potenzieller Nephro- toxizität, strenger Indikationsstel- lung und dosisreduziert eingesetzt werden. Bei chirurgischen Eingriffen ist möglichst atraumatisch zu arbei- ten, um Blutungskomplikationen zu vermeiden. Es ist besonders auf das Vorliegen eines Diabetes mellitus so- wie auf eine suffiziente Einstellung eventueller renaler Hypertonie zu achten. Fazit Insbesondere in dieser Patien- tengruppe zeigen sich deutliche Defi- zite im zahnärztlichen und Mundhy- gieneverhalten. Dies stellt zum einen eine grundlegend verbesserungsfä- hige Situation und Verpflichtung für Patienten und das gesamte zahnärzt- liche Team dar. Zum anderen ist es als Chance anzusehen, neben der Schaffung gesunder oraler Verhält- nisse den Patienten in einer lebens- langen individuellen risikoorientier- ten Prävention zu begleiten. Zukünf- tig empfiehlt es sich, hierfür spezielle Behandlungs- und Vorsorgekonzepte zu erarbeiten. Dialysepatienten als Herausforderung für Zahnarzt und Prophylaxeteam Patients on Dialysis a Challenge for Dentist and Prophylaxis Team Dialysepatienten sind in der Zahnarztpraxis als Risikopatienten einzustufen, wodurch bei der zahnärztlichen risikoorientierten Behandlung einige Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Von ZA Gerhard Schmalz/Leipzig und PD Dr. Dirk Ziebolz, M.Sc./Leipzig. Patients undergoing dialysis therapy are classified as high-risk patients in the dental practice. This entails a number of special features which have to be taken into account in a risk-oriented dental treatment. Gerhard Schmalz/Leipzig and PD Dr Dirk Ziebolz, M.Sc./Leipzig. Checkliste für die Anamnese von Dialysepatienten* – Welche Erkrankung liegt der Niereninsuffizienz zugrunde? – Ist der Patient auf der Warteliste für ein Nierentransplantat? – Liegt ein Diabetes mellitus vor? Wenn ja, wie ist der HbA1c-Wert? – Liegt ein Bluthochdruck (Hypertonie) vor? Ist dieser medikamentös eingestellt? – Wie lange befindet der Patient sich schon in Dialysetherapie und in welcher Frequenz wird sie durchgeführt? – Einnahme von Kalziumkanalblockern (z.B. Nifedipin, Amlodipin)? – Immunsuppressive Medikation? – Gibt es/gab es bereits Komplikationen? *Dies sind wesentliche Schwerpunkte, die in der Anamnese von HD-Patienten besonderer Berücksichtigung bedürfen; eine vollständige Anamneseerhebung bleibt Grundvoraussetzung. © pirke/Shutterstock.com Therapieschema

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