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Special Tribune Swiss Edition No.2, 2016

26 State of the Art SPECIAL TRIBUNE Swiss Edition Nr. 3/2016 · 2. März 2016 austauschbar und somit bedeu- tungslos. Wir müssen nicht puristi- scher und noch puristischer werden, sondern wir sollten unsere Sinne be- reichern und Schönheit als ein Zu- sammenspiel mehrerer Faktoren be- trachten: Ein Kreis beispielsweise ist schön. Er besitzt eine reduzierte Form, die sich überall in der Natur wiederfindet und Grundlage für komplexe Strukturen bildet. Meh- rere Kreise im Rapport ergeben eine Struktur, die ebenfalls schön sein kann. Vergleicht man nun die redu- zierte Form des Kreises mit der eines Tieres – zum Beispiel mit einem aus- gewachsenen Pferd – stellt sich die Frage, was schöner ist. Ist es die Re- duziertheit des Kreises oder ist es die Komplexität und Ästhetik eines an- mutigen Pferdes?! Das liegt im Auge des Betrachters und zeigt einmal mehr, dass Schönheit subjektiv ist. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren: Farbe, Grösse, Oberfläche, Quantität, Qua- lität. Was bedeutet Schönheit für Räume? Insbesondere für (Zahn-)Arzt- praxen ist Schönheit ein philanthro- pisches Modell. Die meisten Arzt- praxen werden jedoch nutzenorien- tiert gestaltet, das heisst, die Einrich- tung muss pflegeleicht sein und sich gut reinigen lassen. Dabei steht die Funktionalität im Fokus, nicht aber der Patient. Sterile, reinweisse Arzt- praxen können daher kein Modell für menschenzugewandte Haltun- gen sein. Wer Kosten und Mühen eines Komplettumbaus der Arzt- praxis scheut, kann bereits mit ein- fachen Mitteln Abhilfe schaffen und angestaubten Raumgestaltun- gen neues Leben einhauchen. Wie lässt sich etwas verändern? Mit Farben: Die richtigen Farben geben Räumen mehr „Menschenzu- wendung“. Dabei kommt es nicht auf die Fülle der Farben an, sondern auf deren Zusammenspiel. Indivi- duen mögen sinnvoll bunt gestaltete Räume – und sie mögen Farben. Seit den Völkerwanderungen zieht es die Menschen in den Süden, denn der Süden ist „schöner“. Dort gibt es leuchtende Farben und wärmere Farbnuancen in der Umgebung. Die Landschaft ist wohlwollend farbiger und nicht monochrom. Es sind hauptsächlich die roten Erdtöne,mit denen wir uns wohlig und geborgen fühlen. Es ist eben nicht nur die Wärme, die den Süden attraktiv macht, sondern es sind auch die Far- ben, die diese Wärme sichtbar ma- chen. Daher ist es wichtig und richtig, sich die Farben der Natur in die (Praxis-)Räume zu holen: Das kön- nen anregende Nuancen sein, solche die Ton-in-Ton-Farbharmonien fol- gen, aber auch solche, die gegensätz- lich sind und Temperament aus- strahlen.Leider ist es oft so,dass Ein- richtungen monothematisch gestal- tet werden. Jeder Raum benötigt aber zwei Sehachsen: eine beruhi- gende und eine anregende. In einem reinweissen Areal weiss man nicht, wohin man schauen soll. Alles ist gleich weiss.Mit zweierlei Sehachsen bekommt der Raum jedoch zweierlei Temperament. Das ist wichtig, wenn der Raum in seiner Gesamtheit har- monisch und ausgeglichen wirken soll,denn wir finden nur dann Erho- lung, wenn sich Ruhe und Anregung abwechseln. Und wenn es dann doch Weiss als „Farbe“ sein sollte, dann natürlich ein Weiss, welches auf den ersten Blick nicht als solches erkenn- bar ist. Das können angefärbte Nuancen sein, die einen leichten Farbschimmer besitzen. Es sind so- genannte Off-Whites oder ange- färbte Nebel- und Sorbet-Töne. Diese Farben bewegen sich zwischen cremigen Eistönen und farbig pastel- ligen Nuancen. Ein mit solchen Far- ben gestalteter Raum wirkt viel an- genehmer und erholsamer als sein reinweisses Pendant. Akzente setzt man hingegen mit kräftigen Nuan- cen. Mag man es harmonisch, emp- fiehlt es sich, einen artverwandten Farbton in gesättigter Form zu be- nutzen. Mag man es lieber anregend, kann der Akzentfarbton schon ge- wagter ausfallen: zum Beispiel als Komplementärfarbton – dieser liegt dem Ursprungsfarbton im Farbkreis direkt gegenüber. Mit Materialien: Die Oberflä- chenbeschaffenheit verleiht einem Raum erst den persönlichen Cha- rakter. Diese Haptik ist ein wesentli- ches Gestaltungsmerkmal und di- rekt mit der Farbe verknüpft. Die Farbe gibt uns den ersten Sinnesein- druck vor. Die Haptik verstärkt die- sen Eindruck. Was beispielsweise samtig ausschaut, darf sich gern auch samtig anfühlen. Nur so lässt sich ein authentischer Farb- und Materialmix erzeugen. Gemütlichkeit erzeugt man mit „hemdsärmeligen“ und starken Oberflächen: genarbtes Leder, pati- nierte Möbeloberflächen,rauer Stoff und schroffe Tapeten. Gegensätz- lich dazu können Materialien auch sehr feinfühlig sein: hochglänzende Oberflächen, samtiger Stoff, mat- tierter Kunststoff, glatt geschliffenes Holz, spiegelnde Kunststoffe. Kom- biniert man unterschiedliche Mate- rialien miteinander, erzeugt man ebenfalls spannungsreiche Raum- kompositionen: Das kann der hochglänzend weisse Schreibtisch sein, der mit dem Schreibtischstuhl aus patiniertem Rindsleder korres- pondiert, oder der abgezogene Die- lenboden, der mit den bläulich schimmernden Samtvorhängen um die Vorherrschaft des guten Ge- schmacks kämpft. Wichtig ist, dass Altes und Neues, Bewährtes und Modernes, aber auch Tradiertes und Hochmodernes miteinander kombi- niert werden können – ja kombiniert werden sollen. Erst diese Symbiose macht einen Raum besonders span- nend. Alte Möbelstücke können wunderbar mit ihren neuartigen Pendants in Einklang gebracht wer- den. Man denke nur an eine Altbau- wohnung der 1920er-Jahre: Stuck mischt sich hier mit den Vorzügen moderner Einrichtungsgegenstände. Mit Licht: Ohne Licht gibt es keine Farbe. Überall dort, wo das Geschick des Behandlers gefragt ist, muss eine optimale Lichtsituation vorherrschen. Das heisst, alle Berei- che werden mit tageslichtähnlicher Beleuchtung ausgestattet. Doch da, wo es emotional werden soll, wo be- haglich-ausgeglichene Stimmungen erzeugt werden sollen, wie etwa im Wartezimmer, trägt indirekt ge- dämpftes Licht zu einer angeneh- men Atmosphäre bei. Überall da, wo es behaglich werden soll, nimmt sich die Beleuchtung zurück, dort wo der Blick hinfallen soll, setzt gezielter Lichteinsatz einen Akzent. Mit Möbelrücken: Weniger ist mehr. Dieser Leitsatz besitzt immer noch seine Gültigkeit und verdeut- licht, dass zwar Quantität auch eine Qualität sein kann, es aber beson- ders darauf ankommt, in Räumen gezielt Highlights zu setzen und die Möblierung auf das wirklich nötige Mass zu reduzieren. Wir sind ge- neigt, jeden Winkel ausnutzen zu wollen: dort ein Tischlein, hier ein Stuhl, da ein Schrank. Vor lauter Möblierung vergessen wir, den be- reits vorhandenen Möbelstücken den Raum zum „Atmen“ zu geben, den sie brauchen. Wie in der Musik lebt auch eine Raumgestaltung von den Pausen – von den Farbpausen ebenso wie von den Möbelpausen. Man sollte überdenken, ob es wirk- lich nötig ist,einen weiteren Schrank in einen Behandlungsraum zu stellen, wenn dafür noch Platz im Backoffice vorhanden wäre. Schränke versperren die Luft und den Blick im Raum.Man sollte daher genau überlegen, wo sie platziert werden. In der Nähe einer Tür fallen sie beim Betreten eines Raumes nicht sofort auf. Es gilt daher: Grosse Möbelstücke weit weg vom Fenster. Ein grosses Möbelstück sollte immer einem kleinen gegenüberstehen. So erhält sich die Spannung im Raum und dieser wirkt nicht überladen. Mit Bildern: Wände sind in Räu- men die grössten Flächen. Diese lee- ren Flächen können aber durch grossformatige Bilder in den Hinter- grund treten: Denn je kleiner der Raum, desto grösser die Bilder. Wenn es das Budget zulässt, gern vom Boden bis zur Decke. Je grösser die Masse eines Bildes sind, desto makroskopischer darf die Auf- nahme, die darauf zu sehen ist, sein. Bilder sind ein probates Mittel, Räu- men noch die fehlende Atmosphäre zu geben. Auch muss ein Bild nicht zwangsläufig an der Wand ange- bracht werden, sie können auch ein- fach an die Wand angelehnt werden. Fazit Raumgestaltung ist ein indivi- dueller Prozess, der von mehreren Faktoren abhängig ist. Wichtig ist derjenige, der in diesen Räumen leben, arbeiten und Zeit verbringen wird. Im Grunde muss immer eine Kongruenz zwischen dem Grund- konzept einer (Zahn-)Arztpraxis und der Farbigkeit bestehen. We- sentlich ist, wenn solche Verbindun- gen hergestellt werden: Wie die Ver- packung, so der Inhalt. Es lohnt sich aber, bestehende Gestaltungsstruk- turen zu überdenken und experi- mentierfreudig zu überarbeiten. Denn auch das beste Konzept hat den Anspruch, einmal auf den Prüf- stand gestellt und angepasst zu wer- den. ST Infos zum Autor Kontakt Dipl.-Des. (FH) Alexander Jahn Ernst-Pinkert-Str. 15 04105 Leipzig Deutschland Tel.: +49 341 2489820 jahn@farbmodul.de www.farbmodul.de  Fortsetzung von Seite 25 © Naphat_Jorjee © Maxx-Studio Tel.: +493412489820

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