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Dental Tribune Austrian Edition No.1+2, 2016

6 DENTAL TRIBUNE Austrian Edition Nr. 1+2/2016 · 3. Februar 2016International Science zahn bei minimaler und maximaler Drehzahl und Anpresskraft. Sie werden zwar keinen Schmerz, aber trotzdem Angst und Abwehrreflexe spüren. Anästhesien alleine bewir- ken zu wenig Reizarmut in Bezug auf Knochenschall, Vibrationen, Lärm und kalter Motorluft. Zwei Beispiele: • Reizarme Zangenextraktion: den Zahn behutsam kippen und gleichzeitig langsam rotieren, ohne ruckartige Bewegungen zu riskieren. • Reizarme Exkavation ohne An- ästhesie: minimale Anpress- kraft, neue Bohrer, nur miniatu- risierte Hilfsmittel (wenn überhaupt), blutungsfrei präpa- rieren, Ausschläge verhüten, das Winkelstück bimanuell halten. Zunächst den Schmelz ohne Dentinkontakt entfernen. Dann das Dentin trocken exkavieren, Drehzahl unter 2.000 rpm, bis zur Stelle, die minimal empfind- lich ist. Sie kann unverhofft rasch oder auch erstaunlich spät kom- men. Der Patient signalisiert sie mit einem Zucken, Brummen, Handzeichen usw., und sie ist stets hart und kratzfest (Abb. 4). Bei einer hochaktiven Karies ist das Dentin übermäßig empfind- lich. Dann die Kavität nicht aus- blasen, sondern mit Pellets trock- nen und die Motorluft abkleben (Abb. 5). In diesen Fällen wird manchmal doch der Wunsch nach einer Anästhesie geäußert. Gute Erinnerung Die Behandlung wird mit eini- gen behutsamen Polituren im ästhe- tischen Bereich oder Ähnlichem ver- längert, wenn zuletzt noch ein Schmerz oder Schreck entstanden sein sollte. Langsame Techniken Entwarnung Angstpatienten haben oft über- triebene Befürchtungen, und der vermeintlich dringende Behand- lungszwang steigert ihre Not. In die- sen Fällen bauen Entwarnungen am Telefon und bei der ersten Sitzung die Angst ab. Die Leitidee heißt: „Im Mund besteht bei Schmerzlosigkeit keine unmittelbare Gefahr.“ Atmung, Tonus, Logorrhö Übermäßige Erregung zu Be- ginn der Behandlung im Stuhl zeigt sich in stockender oder rasender At- mung, Verkrampfungen oder Re- deschwall. Zur Beruhigung wird der Patient angeleitet, bewusst zu at- men, seinen Nacken zu entspannen, seine Hand auf den Bauch zu legen oder wieder aufzustehen und her- umzugehen (oder zur Mutter zu- rückzukehren). Bild und Modell „Kontrolleure“ (nicht „Aus- blender“) interessieren sich für Bil- der und Zahnmodelle. Primarschü- ler öffnen für ein Bild mit der Intraoralkamera gerne den Mund, auch wenn sie ihn sonst vor Angst verschließen. Erklärungen am Zahnmodell können die Angst vor einer Wurzelbehandlung abbauen. Oft gelobt wird auch ein an der OP- Lampe befestigter Spiegel, in dem der Patient die Behandlung beob- achten kann. Handzeichen Der Patient kann eine Hand auf die Brust legen und sofort mit den Fingern ein Zeichen geben, wenn etwas schmerzt oder wenn er eine Pause wünscht. Eine solche Ab- machung gehört zum System II und versagt oft, auch bei einem „Kon- trolleur“. Deshalb sind die sponta- nen Angstsignale von System I weiterhin maßgeblich. Pause und Frage In der Pause soll der Patient auf- sitzen, spülen und eine einfache Frage beantworten, zum Beispiel: „Wie gehts?“. Durch Nachdenken aktiviert er System II, und mit seiner Antwort kontrolliert er die weitere Behandlung. Sozialer Angstabbau Kommt ein Angstpatient mit Begleitung, so möchte Letztere auf Distanz („Ausblender“) oder in der Nähe bleiben („Kontrolleur“). Im letzteren Fall kann der Mut der einen Person auf die andere übertra- gen werden. Beispiel: Mutter und Kind erscheinen zwecks Extraktion von 14 wegen Platzmangel. Das Kind liegt, die Mutter hält ihre Hand auf sein Bein. Sie war selber ein „Ex- Fall“. Beide haben kalte Hände („die sind zu Hause immer so kalt“). Aber die Füße des Kindes zittern. Süß- getränk, Stirntuch, Handwärmer, dem Kind beteuern, dass es der Mutter gut geht, und umgekehrt. Nun erkläre ich der Mutter und dem Kind die Anästhesie: „In der Um- schlagfalte ein weißes Feld zwischen roten Äderchen suchen“, und zeige es der Mutter. Lippe zu steif, erste Pause mit Aufsitzen und Süßge- tränk. Dann wieder das weiße Feld suchen, nun mit der Sonde berüh- ren und leicht dagegen drücken. Tut nicht weh, aber die Lippe wehrt ab. Zweite Pause mit Aufmunterung. Dann Versuch, das Feld mit der Na- del zu berühren. Wieder Verkramp- fung, dritte Pause und Gespräch mit der DA: „Willst du den Zahn weg haben?“ Es will. „Also: wenn du den Mund öffnest, dann lass die Lippe weich!“ Neuer Versuch, und nun ge- lingt es: Nadel einen Millimeter tief einsinken lassen und langsam inji- zieren. Die Mutter zeigt Freude, und die Hände werden wärmer. Vierte Pause mit Erklärungen. Nun prob- lemlos reizarme Injektion mit Peri- press und Ex wie oben beschrieben. Die Sitzung endet nach 39 Minuten. Beide haben warme Hände und lä- cheln, und das Kind sieht viel älter aus: wie ein mutiger, stolzer, zwölf- jähriger Bursche. Ich darf ihn foto- grafieren (Abb. 6). Resultate 1. 25 Prozent weniger Anästhesien: Abbildung 7 zeigt die Zahl der Anästhesien bei konservierenden Sitzungen insgesamt. Sie sank von 30,8 auf 23,5 Prozent (2004: 339/1101, 2015: 213/908). 2. Weniger Angst, aber 100 Prozent mehr Angstpatienten: Etwa die Hälfte der Angstpatienten ver- liert die Angst nach wenigen Sit- zungen und wird in normalen Terminen behandelbar. Etwa ein Viertel empfindet nach einigen Sitzungen keine Angst mehr, möchte aber auf keinen Fall den Zahnarzt wechseln. Diese Patien- ten reagieren immer noch heftig bei jedem Ausschlag, „um zu ver- hindern, dass der Zahn verletzt wird“. Sie benötigen aber nur wenige Behandlungspausen. Die übrigen klagen auch nach mehre- ren Sitzungen und Jahren noch über die Angst und brauchen län- gere Termine. Deshalb markieren wir sie in der Krankengeschichte. Abbildung 8 zeigt ihre Statistik: Ihr Anteil bei den Neupatienten stieg auf über das Doppelte von 1,3 auf 3,2 Prozent (1995–2004: 25/1920, 2005–2015: 78/2429), und ihr Anteil bei den Sitzungen beim Zahnarzt stieg von 2,9 auf 5,8 Prozent (1995–2004: 533/ 18584, 2005–2015: 990/17214). Diskussion Die Abnahme der Zahl der An- ästhesien ist allein eine Folge der Technik „reizarm behandeln“. Sie wird nicht nur bei Angstpatienten, sondern auch bei den zahlreichen anderen Patienten, die keine Anäs- thesie mögen, angewendet. Etwa die Hälfte der Angstpati- enten braucht nach wenigen Sitzun- gen keine zusätzliche Behandlungs- zeit mehr. Dies ist ein Lerneffekt der Methode. Die Zunahme der Sitzungen mit Angstpatienten zeigt die gute Verträglichkeit der Methode. Die Steigerung der Neuanmel- dungen von Angstpatienten ist eine Folge von Empfehlungen in Social Media etc. Einige Angstpatienten reden lieber mit der DA als mit dem Zahn- arzt. Sie lassen sich gerne von ihr bemuttern und trösten, und sie re- den mit ihr in ihrer Umgangsspra- che oder in der gemeinsamen Mut- tersprache. In diesen Fällen kann die DA alle extraoralen Techniken durchführen und den Rhythmus von Behandlung und Pausen mode- rieren, während sich der Zahnarzt auf die intraoralen Techniken konzentriert. Verdankung Ich bin Frau Beate Witzgall zu besonderem Dank verpflichtet. Sie hat u.a. mit den Techniken „Hand- wärmer“ und „Patientenlagerung“ wesentlich zur Methode beigetra- gen. DT Infos zum Autor Kontakt Dr. med. dent. Walter Weilenmann Zentralstr. 4 8623 Wetzikon, Schweiz Tel.: +41 44 9303303 w.weilenmann@hispeed.ch www.zahnarztweilenmann.ch 3 5 4 6 Abb. 3: 45-jährige Patientin mit Stirntuch und Handwärmer. Beide erzeugen angenehme Gefühle. Einige Patienten möchten das Stirntuch fast während der ganzen Sitzung spüren, andere halten den Handwärmer bis zuletzt und finden ihn wirksamer als das Stirntuch. – Abb. 4: Exkavation ohne Anästhesie bei Zahn 5+ (männlich, 25 J.). Das Bild beruhigt den Patienten, weil kein Blut zu sehen ist. Nun folgt die erste Portion Komposit bis halbe Kronenhöhe, mit minimaler Teilmatrize und kurzem Keil, ohne Koffer- dam und Watterollen, dann die zweite Portion ganz ohne Hilfsmittel. – Abb. 5: Reizarm Exkavieren: Ein Kleber am Winkelstück hält die Motorluft ab. – Abb. 6: Sozialer Angstabbau mit Mutter und Kind. Beide haben ihre Angst mit dieser Methode überwinden können. Das Bild zeigt den zwölfjährigen Jungen nach der Extraktion in einer sehr guten Verfassung. Abb. 8: Seit dem Beginn der Methode erscheinen mehr Angstpatienten, und sie las- sen sich öfter behandeln. Abb. 7: Die reizarmen Behandlungen senken die Zahl der notwendigen Anästhesien. 8 7 Fortsetzung von S. 4 Tel.: +41449303303

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