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Implant Tribune Austrian Edition

State of the Art IMPLANTTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 10/2015 · 7. Oktober 201518 Blutzuckerwerte jedoch über einen längeren Zeitraum erhöht, so kommt es zur irreversiblen Verzuckerung („Glykosylierung“)desHämoglobins. Da die mittlere Halbwertszeit der Erythrozyten und damit des glyko- sylierten Hämoglobins bei 60 Tagen liegt, spiegelt der HbA1c-Wert den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten sechs bis zehn Wochen wi- der. JehöherderBlutzuckerwert,desto stärker verläuft die Glykosylierung unddamitsteigtderHbA1c-Wertan. In Zukunft sollen die Blutzucker- werte als Standard in mmol/mol als IFCC(InternationalFederationof Cli- nicalChemistry)angegebenwerden. WiewichtigdieKontrollebzw.die Einhaltung des therapeutischen Be- reichs ist, zeigt die Tatsache, dass es klare Zusammenhänge zwischen dem Auftretenmikro-undmakrosvaskulä- ren Komplikationen und den HbA1c- Werten gibt (Cohen und Horton 2007).Außerdem konnte gezeigt wer- den,dasserhöhteLangzeitblutzucker- werte einen direkten Zusammenhang mitderMorbiditätundMortalitätauf- weisen(Boltrietal.2005).Daheristdas Anstreben von HbA1c-Werten, die sichimtherapeutischenBereichbefin- den, von höchster Priorität (Rodbard etal.2009). DiepathophysiologischenUnter- schiedezwischenTyp-I-und Typ-II-Diabetesundderen AuswirkungaufdenKnochen Die Osseointegration von denta- len Implantaten ist von zwei wesentli- chen Faktoren abhängig – der Einhei- lungsphase,diemiteinerRegeneration des Knochens einhergeht, und dem Erhalt bzw. physiologischen „Turn- overs“ des Knochens um das Implan- tatimLangzeitverlauf. Knochenphysiologischisteswich- tig, die Diabetestypen zu unterschei- den.Sowohlderabsolutealsauchrela- tive Insulinmangel sowie die redu- zierte Ansprechbarkeit der Zellen auf Insulin wirken sich unterschiedlich auf den Knochenstoffwechsel aus. In vitrokonntegezeigtwerden,dassInsu- lin einen direkten anabolen Effekt auf die Proliferationsrate von Osteoblas- ten hat (Hashizume & Yamaguchi 1993)unddieKollagensynthese(Craig etal.1989)ebenfallserhöhtwird.Wei- terhin beeinflusst Insulin andere Wachstumsfaktoren,wiezumBeispiel IGF-I („Insulin like growth factor“), welcher die Osteoblastenfunktion ebenfalls positiv anregt. In vivo zeigt sich beispielsweise,dass durch Insulin die Knochenformation günstig beein- flusstwird(Cornishetal.1996). Zudem ist bekannt, dass Typ-II- Diabetespatienten eine höhere Kno- chendichte(BMD–bonemineralden- sity) aufweisen als Typ-I-Diabetiker. Die Knochenformation und Kno- chenfestigkeit sind bei beiden Diabe- tesarten erniedrigt (Liu et al. 2013). Was das Frakturrisiko betrifft, so zei- gen beide Diabetesformen deutlich höhere Werte als beim gesunden Pa- tienten(Vestergaard 2007). Hyperglykämie– dieGlykosylierung EineVielzahl von Faktoren beein- flusst die Physiologie beim diabeti- schenPatienten.Einerderwichtigsten Gründe scheint jedoch die Hypergly- kämie zu sein, deren Auswirkung auf den Gesamtorganismus vielfältig ist. Als zentrale pathophysiologische Me- chanismen der Hyperglykämie zählt die Verursachung von erhöhtem oxi- dativem Stress,welcher zu einer signi- fikantenVeränderungdergenetischen Expression in der Vaskularisierung führt. Ferner kommt es zu einer Ver- änderung von antiinflammatorischen und antithrombotischen Effekten. HinzukommteineStörungindenvas- kulären Reparaturmechanismen und damit zu gravierenden Komplikatio- nen in vielen Organen, welche mit ei- ner erhöhten Morbidität (unter ande- rem Wundheilungsstörung) für beide Diabetesformeneinhergeht(Fengetal. 2005,Crimietal.2007,Fadini2006). Weitere durch die Hyperglykä- mie verursachte schädliche Stoff- wechselprodukte sind die AGEs. AGEs stehen als Abkürzung für Advanced Glycation Endproducts und entstehen durch die dauerhafte Anlagerung von Glukose an Eiweiß- und Fettverbindungen, deren Funk- tion dadurch verändert wird. Die AGEs spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung diabetesbedingter Folgeerkrankungen an Augen, Nie- renundNerven.DerAnstieganAGEs bei diabetischen Patienten spiegelt sich in der Erhöhung der AGEs in gefäßreichen Geweben wider und verändert endotheliale Zellen, Ma- krophagen und die glatten Muskel- zellen. Das vermehrte Vorkommen von AGEs im Knochen führt zu einer ver- minderten Knochenformation und in einer präklinischen Frakturstudie zu einer verminderten Heilung (Santana et al. 2003). Es scheint, dass die AGEs das Wachstum, die Differenzierung und die Aktivität der Osteoblasten di- rektüberdieBindungandementspre- chenden Rezeptor RAGE beeinflussen (Mc Carthy et al. 2001, Schwartz et al. 2003). In der Mundhöhle spielen die AGEs insofern eine wichtige Rolle, da gezeigtwerdenkonnte,dassdiekorres- pondierendenRezeptoren(RAGE)im Parodontium exprimiert werden und die Verbindung AGE – RAGE den devastierenden Effekt der akuten parodontalen Erkrankung zusätzlich fördert(Tayloretal.2013). Diabetesmedikamente undderKnochenstoffwechsel Eine weitere wichtige Tatsache ist, dass manche für den Typ-II-Diabetes zugelassenen Medikamente den Kno- chenstoffwechsel negativ beeinflussen können. Auch bei neueren antidiabe- togenen Präparaten wird Zurückhal- tung bei Patienten mit einem bereits erhöhtem Frakturrisiko empfohlen (MeierCetal.2015).WiesichdieGabe der Medikamente auf die implanto- logischeBehandlungauswirkt,istder- zeitnichtbekannt. DiabetesinderImplantologie In den Reviews zum Thema Dia- betes und Implantologie schwanken die Implantatverlustraten zwischen Null und 14,7 Prozent,mancheAuto- ren in Übersichtsarbeiten berichten sogardavon,dassbiszu31Prozentih- rer Patienten mit Diabetes zumindest einen Implantatverlust im Beobach- tungszeitraumerlitten(Bornsteinetal. 2008,Oatesetal.2011).DieDatenlage ist generell sehr heterogen, und das Problem vieler Reviews ist, dass auf- grund der eingeschränkten Angaben in den Publikationen nur wenige Pa- rameter die möglichen Zusammen- hängezwischenDiabetesundImplan- taterfolg und -verlustraten statistisch robust berechnet werden können (Chranovicetal.2014). Es fehlen oft wichtige zusätzliche Informationen. Beispielsweise wer- den oft Rauchen, schlechte Mundhy- giene,derAusbildungsstanddesOpe- rateurs, die Medikamenteneinnahme und die genauen Blutzuckerwerte für dieRisikoabschätzungdesImplantat- erfolges bzw. des Implantatverlustes nichtberücksichtigt. Generell zeigt ein Großteil der präklinischenimplantologischenStu- dien, dass der unkontrollierte Diabe- tes die knöcherne Regeneration und damit die Einheilung der Implantate negativbeeinflussenkann(Glössletal. 2008). Diese Beobachtungen decken sich mit den oben genannten osteolo- gischen Studien, die zeigen, dass die Hyperglykämie die Knochenforma- tion, den Bone turnover und die me- chanische Festigkeit der Knochen ne- gativ beeinflusst. Die mögliche Erklä- rung dafür liegt in der eingeschränk- ten Proliferation der Osteoblasten und der Kollagenproduktion (Hashi- zume & Yamaguchi 1993, Craig et al. 1989,Liuetal.2013). IndenletztenJahrenlagderFokus in den implantologischen Studien auf der Untersuchung der Zusammen- hänge zwischen den Blutzuckerwer- tenundderImplantateinheilungbzw. des Überlebens (Javed & Romanos et al. 2009). Übersichtsarbeiten, die den Faktor „Blutzuckerwerte“ be- rücksichtigten, zeigten ähnliche Im- plantatüberlebensraten bei gut einge- stelltendiabetischenPatientenwiebei nichtdiabetischen(Oatesetal.2013). Einewichtigeundaussagekräftige Studie, die zeigt, dass die Implantat- einheilung zwar funktioniert, jedoch durchdieBlutzuckerwertewesentlich beeinflusst werden kann, ist die 2009 erschienene Arbeit von Oates und Mitarbeitern. In dieser Studie wurde bei allen Implantatpatienten der Langzeitblutzuckerwert(HbA1c)und die Implantatstabilität mittels Reso- nanzfrequenzanalyse (Osstell®) ge- genübergestellt.DieerhobenenWerte zeigten deutlich, dass es bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten zu ei- nem deutlichen Abfall der Implantat- stabilitätinderEinheilphasekam,sich die Werte aber im Zeitverlauf von 16 Wochen erholten und auf ein Durchschnittsniveauanpassten.Trotz dieser sichtbaren Auswirkung der Hyperglykämie auf die Implantat- stabilität kam es zu keinem Implan- tatverlust oder einer Wundheilungs- störung. In einer Folgestudie von Oates et al. 2014 wurden die Blut- glukosewerte im Zusammenhang mit der Implantatstabilität weiter verfolgt und es zeigte sich, dass sich nach sechs und zwölf Monaten keine UnterschiedeinderImplantatstabili- tät zur anderen Gruppe zeigte. Diabetes – Periimplantitis und Blutzuckerwerte Aus den umfassenden parodon- tologischen Forschungen ist be- kannt, dass es einen deutlichen Zu- sammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes gibt (Wilson 1989). In den implantologischen Studien zeigte sich, dass Diabetes tendenziell zu einer periimplantären Mukositis und Periimplantitis führen kann (Ferreira et al. 2006). Erste Studien, die auch die Blutzuckerwerte dazu untersuchten, kamen zu ähnlichen Ergebnissen. RezenteArbeitenbestä- tigen, dass der periimplantäre Kno- chenverlust deutlich von den Blut- glukosewerten abhängt. So konnte deutlich gezeigt werden,dass Typ-II- Patienten mit schlecht eingestellten Blutzuckerwerten schlechte periim- plantäreParameteraufweisenundei- nen periimplantären bzw. margina- len Knochenverlust zeigen (Gomez- Moreno et al.2015). Conclusio Aufgrund der demografischen Veränderungen und dem Ansteigen der Diabetesprävalenz werden die Patienten, die in Zukunft eine im- plantologische Versorgung in An- spruch nehmen, steigen. Die Studien zur Pathophysiologie des Knochens und des Immunsystems unter hyperglykämischen Bedingungen zeigen deutlich, dass der Diabetes ei- nen negativen Einfluss hat. Die Da- tenlage zur implantologischen Ver- sorgungbeimdiabetischenPatienten unddieErkenntnisauspräklinischen Versuchen sind nach wie vor hetero- gen. Es bedarf noch einiger For- schung,um zu klären,welche zusätz- lichen Risikofaktoren die Auswir- kung des Diabetes beim implantolo- gischen Patienten negativ beein- flussen. Die Einstellung der Blutzu- ckerwerte scheint einer der wichtigs- ten Faktoren für das Implantatüber- lebens zu sein und sollte in der tägli- chen chirurgischen Praxis berück- sichtigt werden. IT Fortsetzung von Seite 17 Ass.-Prof.Priv.-Doz.Dr.Dr. UlrikeKuchler Bernhard-Gottlieb- Universitätszahnklinik Sensengasse 2a 1090Wien,Österreich ulrike.kuchler@meduniwien.ac.at Tel.: +43 1 40070-4151 Infos zur Autorin Kontakt 1 2 3 Abb. 1– 3 Selbstmessung des aktuellen Blutzuckerspiegels: Nach Desinfektion der Fingerbeere, Schaffung eines Blutpunktes mit einem Nadelpen (Abb. 1). – Messung mit einem Einwegstreifen (Abb. 2 und 3). Abb. 4 – 6 Fallbeispiel eines 72-jährigen diabetischen Patienten: Zustand nach Oberkiefersinuslift beidseits mit jeweils drei IMZ-Implantaten 1995. Durch einen Schlaganfall verschlechterte sich die Mundhygienesituation und die Blutzuckerwerte.Implantat 25 mitTaschentiefen von 9 mm und Mobilität Grad 3.Das Implantat zeigte einenvollständigenperiimplantärenKnochenverlust(Abb.4).–DasImplantatwurdeentfernt,durchdieEntzündungwarenTeiledesfürdenSinusliftverwendetenKnochenersatzmate- rialsebenfallsbereitsbindegewebigumgebaut(Abb.5und6).DiepostoperativeWundheilungwarproblematisch.DieblandeAbheilungkonnteerstdurchdiegezielteEinstellungderBlut- zuckerwerte erreicht werden. (Bilder: © Kuchler 2011) – Abb.7 und 8: In präklinischen histologischen Studien konnte immer wieder gezeigt werden, dass es bei erhöhten Blutzuckerwer- ten zu geringeren Knochen-Implantat-Kontakten kommt.(Bildquelle Kuchler et al.2011) 4 5 6 7 8 Tel.: +43140070-4151 123 45678

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