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Dental Tribune Austrian Edition

International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2015 · 10. Juni 20156 blematiken:Beispielsweisesollteeine ursprüngliche 9mm tiefe Tasche an einem Molaren, die nach der Hygie- nephase auf 7mm geschrumpft ist, einen chirurgischen Eingriff nach sich ziehen, da Taschen von mehr als 5mm Tiefe ein deutlich höheres Ri- siko haben, sich erneut zu vertiefen.9 Außerdem sollte stets berücksichtigt werden, dass eine vereinzelte Tasche bei einer schwierigenAusgangssitua- tion schon mal übersehen werden kann: Unwahrscheinlich jedenfalls, dass tiefe Taschen innerhalb eines halben Jahres „aus dem Nichts“ und ohnejedeerkennbareUrsacheheraus entstehen. Möglichkeiten der therapeutischen Antwort Im alltäglichen Praxisablauf ist die Gefahr groß, im Falle einer schlechten (oder nicht vorhande- nen)Heilungsantwortauf diebishe- rigen therapeutischen Versuche ein weitgehend unreflektiertes Inten- sivieren der bisher schon uneffekti- ven Maßnahmen zu veranlassen. So wird im Zuge der Maintenance hef- tigweitergescaltunddasRecallinter- vall verkürzt, ohne hingegen eine tatsächliche Korrektur der thera- peutischen Maßnahmen zu über- denken. Voraussetzung vor der Erwä- gung weiterführender therapeuti- scher Schritte sollte eine strenge und kritischeAnalysederbishererfolgten Behandlung sein: 1.Konnte die systematische Behand- lung tatsächlich perfekt durchge- führt werden? 2.Hält die Patientencompliance den KriterieneinerperfektenMitarbeit (Mundhygiene, Rauchen, Einhal- tung der Recalltermine) stand? 3.Wann wurde die Anamnese hin- sichtlich Rauchen, Stress und Me- dikamenteneinnahme zuletzt auf- gefrischt? 4.War bei dem betreffenden Patien- teneinezweifelsfreieErhebungder Parameter möglich, sodass eine korrekte Diagnose erstellt wurde, auf welche eine angepasste, ad- äquate Therapie erfolgte? Erste Kontrollpunkte auf der Checkliste sollten bei der kritischen Reevaluation der Hygienephase die sichere Eliminierung von Schmutz- nischen und natürlich die Entfer- nung aller tastbaren Konkremente sein – sodass gegebenenfalls umge- hend nachgebessert werden kann. TretenProblememitderCompliance auf, so kann ein Behandlerwechsel innerhalb der Praxis oder die Über- weisung zum Spezialisten oft Wun- der wirken, da dem Patienten dort ein unbefangener Neustart eine Ver- haltensänderung erleichtert. WelcheerweitertenBehandlungs- optionengibtestatsächlich? Sofern sie noch nicht erfolgt ist, stellt die Verwendung von Antibio- tika prinzipiell eine naheliegende Option dar, weil Bakterien schließ- lichdieprimäreätiologischeUrsache der Entzündungen darstellen.11 Lie- gen nur wenige problematische Ta- schen vor, erscheint die Verwendung topisch applizierbarer Antibiotika naheliegend: Doxycyclin hat sich wegen seines auch gegen anaerobe Bakterien wirksamen Spektrums als eines der besten topischen Antibio- tika bewährt. Eine Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte (placebokon- trolliert) die Wirksamkeit eines in einen Slow-release Carrier einge- betteten Doxycyclin-Gels14 an über 200 Patienten mit rezidivierender oder persistierender Parodontitis und guter Mundhygiene. Trotz ver- besserten Ergebnissen nach drei Mo- naten zeigten Test- wie Kontroll- gruppe nach einem halben Jahr er- neut Attachmentverlust. Ältere Untersuchungen mit niedrigdosier- tem Tetracyclin konnten ebenfalls nicht überzeugen.So zeigte sich zwar währendderAnwendungeinemode- rate Verbesserung der klinischen Werte,dieabermitdemAbsetzender Medikation wieder verstrich.8 In Fällen mit ausgeprägteren Restproblemen erscheint die Gabe systemisch wirkender Antibiotika sinnvoll zu sein. Am besten unter- sucht ist sicher die Kombination von Amoxicillin und Metronidazol.16 Mit einer Dosierung von 500mg Amoxicillin und 250mg Metronida- zol dreimal täglich über 14 Tage in VerbindungmitmechanischerReini- gungwurdenineinerStudievonHaf- fajee et al.5 14 Patienten mit ausge- prägten Restproblemen nach Initial- therapie weiterbehandelt. Das ernüchternde Ergebnis war, dass bei sechs dieser Patienten die Therapie klinisch nur äußerst verhalten an- schlug und die bakteriellen Taxa kaumabgesenktwerdenkonnten.Se- rino et al.12 beschrieben in einer Stu- die mit 17 Patienten mit Resttaschen bei sehr ähnlicher Therapie nur „für die Mehrheit der Patienten“ gute Er- gebnisse. Allerdings kam es bereits während des ersten postinterventio- nellenJahresbeizweiPatientenzuei- nem Attachmentverlust. Nach drei JahrenzeigtesichimMitteleinmode- rater Attachmentverlust bei den Patienten, die im Recall-Programm gut mitarbeiteten. Zwischen drei und fünf Jahren konnten nur fünf Patienten ein sta- biles Attachmentniveau halten. Be- merkenswerterweise forderten die Autoren in der Schlussfolgerung eine verbesserte mechanische Therapie, wasdemWunschnacheinemeinfach anwendbaren Mittelchen gegen die refraktäre Parodontitis leider nicht sehr nahekommt. Letztlich verfügt der Parodonto- loge in seinem therapeutischen Re- pertoire noch über chirurgische Ein- griffealsrechtsichereOptionzurEli- mination persistierender Taschen.10 Ein allzu radikales Vorgehen sollte aberangesichtsdergenerellerhöhten Entzündungsneigung15 dieser Pa- tienten(dasProblemscheintderWirt zu sein) kritisch gesehen werden,um weiterem Attachmentverlust nicht nochVorschub zu leisten. Wenn auch die frühzeitige Ex- traktion vor dem Hintergrund der begrenzten therapeutischen Optio- nen naheliegend erscheinen mag, sollte mit diesem finalen Rettungs- schuss vorsichtig gehaushaltet wer- den: Solange aktive Taschen vorlie- gen – oder unmittelbar nachdem sie vorgelegen haben –, ist das sinnvolle therapeutische Spektrum hinsicht- lich einer Implantattherapie (rasche Progredienz des periimplantären Knochenabbaus17 ) oder hinsichtlich einer klassischen Brückentherapie (kompromissloses Vertrauen auf die Nachbarzahnparodontien)7 emp- findlich eingeschränkt. Trotzdem sollte durchaus be- dacht werden, dass es beim sicheren VorliegeneinerrefraktärenParodon- titis, die nach allen Regeln der Kunst und mit einem wohlausgewogenen Therapiespektrum nicht in den Griff zu bekommen ist, angebracht sein kann, den Patienten vorsichtig auf einen bevorstehenden Zahnverlust vorzubereiten. Diese Information sollte, wenn sie geschickt vermittelt wird, nicht demotivierend wirken, sonderndenPatientenvielmehrdazu ermuntern, den Zahnverlust durch eine nach Kräften optimierte Mund- hygienesolangewiemöglichhinaus- zuzögern. Schlussfolgerung Erster Schritt bei der Verdachts- diagnose einer rezidivierenden Paro- dontitis sollte das selbstkritische Re- assessment der kompletten Be- funde – angefangen von der Anam- nese über die klinisch erhobenen Parameter – sein, um anschließend die durchgeführten Einzelschritte der Initial- und chirurgischen Phase kritischauf ihretatsächlicheQualität zu prüfen. Lassen sich neue Informationen aus der Anamnese oder Schwach- punkte in der Behandlung aufde- cken, so können diese umgehend nachgebessertwerdenunddieErgeb- nissenacheinemangemessenenZeit- raum neu überprüft werden. Erst wenn alle Behandlungs- schritte im Sinne der systematischen Therapie sauber durchgeführt wur- den und keine Defizite in der Com- pliance des Patienten bestehen, kann die Diagnose der refraktären Paro- dontitis korrekt gestellt werden. Zur Orientierung: Bei der eingangs er- wähnten Studie lag die Prävalenz der therapieresistenten Downhill- Gruppe bei unter fünf Prozent! Bei einem relativ hohen Prozent- satz dieser Patienten kann durch eine Antibiotikatherapie in Verbindung mit einem gewissenhaften supra- und subgingivalen Deep Scaling der weitere Attachmentloss aufgehalten oder verzögert werden. Da diese Zu- satzbehandlung aber keinen Schritt zur sicheren Problemlösung dar- stellt,sollte der Patient in ein engma- schiges Recallprogramm integriert werden, um eine optimale Compli- ance hinsichtlich Mundhygiene, RauchreduktionsowieStressundall- gemeinmedizinischer Implikationen zu garantieren. Der Wunsch nach einer ein- fachen Patentlösung für das Problem der refraktären Parodontitis ist ebenso nachvollziehbar wie uner- füllbar. Eine ehrliche und penible Suchenachmöglichen Unzulänglichkeiten in der erfolgten The- rapie sollte dem Ein- satz weiterführender Maßnahmen unbe- dingt vorangehen. DT Dr.PhilippSahrmann Universität Zürich Zentrum für Zahnmedizin Klinik für Präventivzahnmedizin, Parodontologie und Kariologie Plattenstr.11 8032 Zürich,Schweiz Tel.:+41 44 634-3412 philipp.sahrmann@zzm.uzh.ch Infos zum Autor Kontakt Kritisches Reassessment von Behandlung und erweitertemTherapiespektrum. Rezidiv nach systematischer Parodontitistherapie: 1 parodontale Ausgangslage zur Neuaufnahme.–2 Situation nach erfolgter Initial- und chirurgischer Behandlung (BTR).–3 Einzelzahnröntgen zwei Jahre nach Behandlung.–4 Sondierungstiefen von 7 mm (distovestibulär 13).–5 … und 5 mm distopalatinal. Entscheidungsbaum bei parodontalem Behandlungsmisserfolg. Literaturliste ➟ Tel.:+4144634-3412

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