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Dental Tribune Austrian Edition

State of the Art PERIOTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2015 · 10. Juni 201518 keine signifikante Modifikation des subgingivalenBiofilmesverursacht. Die Konzentration von Zytokinen wie Interleukin-1 beta (IL-1␤) und Interleukin-6 (IL-6) in der Sulkus- flüssigkeit ist erhöht. Ebenso ist das Verhältnis zwischen RANKL (Receptor Activator of Nuclear Factor kappa-B Ligand) zu Osteo- protegerin (OPG) verschoben und damit das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau in RichtungeinesverstärktenKnochen- abbaus gestört. Das Ausmaß dieser Abweichungen steht in Relation zum Status der glykämischen Kon- trolle (Taylor et al. 2013). Als weite- rer Mechanismus wird der Einfluss der beim Diabetes vermehrt auftre- tenden Endprodukte der fortge- schrittenen Glykierung (Advanced Glycation End Products, AGE) dis- kutiert. AGEs sind die Folge der Bindung von Glukose an freie Ami- nogruppen von Proteinen und be- wirken die Freisetzung von ent- zündungsfördernden Zytokinen und die Apoptose von Fibroblasten und Osteoblasten,was wiederum zu einem verstärkten Gewebeabbau und einem geringeren Kollagen- und Knochenaufbau führt (Graves et al. 2007). Gleichzeitig gibt es vermehrte Evidenz,dass es sich um eine gegen- seitige Beeinflussung beider Krank- heitsbilder handelt, dass also der glykämische Status auch abhängig von chronischen parodontalen Ent- zündungen ist. So wird eine chroni- sche Dysregulation peripherer Zy- tokine,dieauchalsFolgeeinerchro- nischen Parodontitis auftritt,als be- deutsamer pathogenetischer Faktor sowohl für den prädiabetischen Zu- stand als auch für den manifesten Diabetes angenommen (Kolb und Mandrup-Poulsen 2010). Die Konzentration zirkulieren- der Mediatoren wie C-reaktives Protein (CRP), Tumornekrosefak- tor-alpha (TNF-␣) und IL-6 ist bei parodontalen Entzündungen signi- fikant erhöht (Bretz et al. 2005, En- gebretson et al. 2007, Paraskevas et al. 2008, Demmer et al. 2010). Aus epidemiologischen Beobachtungen ist bekannt, dass parodontal er- krankte Personen eher ein metabo- lisches Syndrom entwickeln (Mo- ritaetal.2010)unddasseinezuneh- mende Glukoseintoleranz und ein steigenderHbA1c-Wertimdirekten Zusammenhang mit dem Ausmaß der parodontalen Erkrankung, ge- messen anhand des klinischen At- tachmentlevels, stehen (Demmer et al.2010,Saitoetal.2004).DasRisiko zurAusbildungeinesDiabetesTyp2 ist abhängig vom Schweregrad der parodontalen Erkrankung (Dem- mer et al. 2008). Systematische Parodontaltherapie sinnvoll? Zunehmendes Interesse ge- winntdaherdieFrage,obdurcheine systematische Parodontaltherapie eineVerbesserung der Stoffwechsel- kontrolle bei Diabetikern erreicht werden kann.In mehreren systema- tischen Reviews von randomisier- ten klinischen Studien wird eine SenkungdesHbA1c-WertesalsMaß für die langfristige Stoffwechsel- kontrolle allein durch nichtchirur- gische Parodontaltherapie um etwa 0,4 Prozent angegeben (Engebret- son und Kocher, 2013; Teeuw et al. 2010, Simpson et al. 2010). Dieser Effekt konnte in einer neueren randomisierten Studie mit einem vergleichsweise großen Untersu- chungskollektivvon514Probanden nicht bestätigt werden (Engebret- son et al. 2013).Allerdings sollte bei der kritischen Würdigung dieses Studienergebnisses berücksichtigt werden, dass zum einen nur relativ wenige Patienten mit schweren pa- rodontalen Befunden in die Unter- suchung eingeschlossen waren, also auch nur ein geringerer Effekt der Therapie zu erwarten ist,zum ande- ren mit einem BOP-Wert (Bleeding on Probing) von über 40 Prozent nach nichtchirurgischer Therapie letztlich keine zufriedenstellende parodontale Ausheilung erreicht wurde. Damit bestehen zumindest deutlicheHinweisedarauf,dasseine nichtchirurgische Parodontitisthe- rapie fast den Effekt einer ergänzen- den antihyperglykämischen Medi- kation erreichen kann, ohne aller- dings die Inzidenz von zum Teil schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen zu steigern (Na- than et al. 2008). In den bisherigen StudienistinderRegelnurderkurz- fristige positive Effekt der Paro- dontaltherapie über drei bis sechs Monate dokumentiert, Beobach- tungen über einen längeren Zeit- raum in der unterstützenden Paro- dontitistherapie (UPT) sind selten. Aufgrund des chronischen Charak- ters beider Krankheitsbilder wäre hingegen die Überprüfung des langfristigen Einflusses eines syste- matischen parodontalen Betreu- ungskonzeptesauf dieKontrolledes DiabetesmellituseinewichtigeAuf- gabe für die zukünftige Versor- gungsforschung. Die bekannten Wechselwirkun- gen zwischen den Krankheitsbildern eröffnenauchfürdiefrühzeitigeDia- gnose des Diabetes interessante Per- spektiven: Eine in der zahnärztlichen Praxis diagnostizierte Parodontitis kann bei Vorliegen weiterer, vom Pa- tienten in derAnamnese zu erfragen- den Diabetes-Risikofaktoren (Fami- lienanamnese, Übergewicht, Blut- hochdruck) wertvolle Hinweise auf eine bisher unerkannte Diabeteser- krankung liefern (Lalla et al.2011). Ganzheitlich interdisziplinär agieren Schon aus dieser kurzen Zu- sammenfassungwirddeutlich,dasses sich bei beim Diabetes mellitus, aber auchbeiderParodontitisletztlichum Systemerkrankungen handelt, die ei- nen ganzheitlichen interdiszipli- nären Ansatz zur optimalen Betreu- ung der Patienten erfordern. Bei be- kannter Diabetesdiagnose sollte der Patient schon vom behandelnden Internisten oder Diabetologen ge- nauso über sein erhöhtes Parodonti- tisrisiko aufgeklärt werden,wie es für andereDiabetes-komplikationenwie etwadieRetinopathieoderdasdiabe- tische Fußsyndrom seit Langem üb- lichist.NachderErstdiagnosedesDi- abetes und danach einmal jährlich ist eineÜberweisungzurzahnärztlichen Untersuchung angezeigt. Wichtig ist dann natürlich, dass bei der zahnärztlichen Kontrolle auch der Schwerpunkt auf die parodontale Diagnostik gelegt wird. Für das zahnärztliche Team gilt bei der Betreuung von Diabetikern: •Die Patienten müssen intensiv über die bestehenden Zusammenhänge zwischen ihrer Diabeteserkran- kung und einer möglichen Paro- dontitis informiert werden. • Die parodontalen Parameter müs- senzumindestanhanddasParodon- talen Screening Index (PSI) einmal jährlich kontrolliert werden, um eine rechtzeitige Diagnose sicherzu- stellen. Bei Verdacht auf eine beste- hende Parodontitis ist eine vollstän- dige parodontale Befunderhebung notwendig. • Diabetiker benötigen eine beson- ders intensive prophylaktische Be- treuung und, bei Bedarf, eine sorg- fältige Parodontalbehandlung mit einer funktionierenden Erhaltungs- therapie (Deschner et al. 2011, Chapple et al.2013). •Patienten mit hohen oder stark schwankenden Blutglukosewerten (HbA1c > 7% oder Blutglukose nüchtern > 100mg/dl) sollten vor einer umfangreicheren Behandlung zu einem diabetologischen Konsil überwiesenwerden. Fazit Dem Screening von bisher un- bekannten Diabeteserkrankungen muss in der Zahnarztpraxis in Zu- kunft verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden, da viele unserer Patienten außer einer vielleicht einmal jährlichen zahnärztlichen Untersuchung für das Bonusheft der gesetzlichen Krankenversicherung ohne konkreten Anlass keinen Arzt aufsuchen.BeibestehenderParodon- titis und zusätzlich bekanntem Dia- betesrisiko (erbliche Belastung, er- höhter BMI) sollte eine Überweisung zur Stoffwechselkontrolle beim Diabetologen erfolgen. Zusätzlichistessinnvollundkein übermäßiger Aufwand, die Ver- dachtsdiagnose„Diabetes“zusätzlich durch einen Schnelltest des Blutglu- kosespiegels oder des HbA1c-Wertes in der Zahnarztpraxis zu untermau- ern. Die Verifizierung dieser Werte, die in der Regel aufgrund von verfah- rensbedingten Messungenauigkeiten keine endgültige diagnostische Aus- sage erlauben, muss dann beim Facharzt geleistet werden. Erstveröffentlichung: Dentalhygiene Journal 4/2014 PT Prof.Dr.PeterHahner,M.Sc. praxisHochschule Neusser Str.99 50670 Köln,Deutschland p.hahner@praxishochschule.de Infos zum Autor Kontakt Á Fortsetzung von Seite 17 Zahnmedizinisches Wissen für unterwegs ZWP online App DOWNLOAD FÜR ANDROID DOWNLOAD FÜR iPAD www.zwp-online.at Kostenfrei Tägliche News Großer Bilder-/ Videofundus Umfangreicher Eventkalender28 Montag ANZEIGE Abb. 2: Ablaufschema zur interdisziplinären Betreuung von Diabetikern und an Parodontitis erkrankten Patienten Literaturliste

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