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Perio Tribune Swiss Edition

PERIOTRIBUNE Swiss Edition · Nr. 12/2014 · 3. Dezember 2014 User Report 29 Der Begriff der Hydrodynamik ist Zahnärzten geläufig. So ist etwa bekannt, dass elektrische Zahn- bürsten hydrodynamische Ener- gien in den Biofilm übertragen können.1–25 In der Endodontie nutzt man die hydrodynamische Spülung zur Entfernung von Debris und Mikroorganismen aus eröffneten Wurzelkanälen.26–30 Neben reinen Druckwellen kön- nen in Prophylaxe und Therapie unter anderem auch Kavitationen, d.h. zerplatzende Luftbläschen, eine Rolle spielen. Aus physikalischer Sicht wir- ken im Mund eines Patienten die Gesetze der Strömungsmechanik: So nennt sich die Teildisziplin der Physik, die sich mit der Untersuchung des Verhaltens von Gasen und Flüssigkeiten beschäf- tigt. Von grosser Bedeutung ist sie insbesondere für den Maschi- nenbau und hier vor allem für die Luft- und Raumfahrt sowie für die Schifffahrt. In letzterem Bereich spielt auch der sogenann- te hydrodynamische Effekt eine Rolle, der unter anderem fahrende Schiffe quasi tiefer ins Wasser hineinzieht. Schall, Scherspannungen, Kavitation–ersteEinschätzungen Um die Möglichkeit einer Ent- fernung von oralen Biofilmen durch Fernwirkung abschätzen zu können, muss man alle wirkenden Kräfte einkalkulieren. Dazu zäh- len Flüssigkeitsbewegungen, das Entlanggleiten von im Speichel mitgeführten Gasbläschen an der Gewebeoberfläche und die Kavita- tion solcher Bläschen mit ihrer „Sprengkraft“. FürdieAbschätzungderEffekte einer bestimmten Zahnbürste bei ausgeschlossenem mechanischem Kontakt der Borsten zum Biofilm, sprich: nur über die drei angespro- chenen Fernwirkungen (n = 1,2,3), ist nun zu entscheiden: • Wenn die Fernwirkung n stärker als die Kohäsionskräfte/Adhä- sionskräfte des anhaftenden Bio- films ist, dann wird der Biofilm aufgebrochen. • Wenn die Fernwirkung n weniger stark als die Kohäsionskräfte/ Adhäsionskräfte des anhaftenden Biofilms ist,dann wird der Biofilm allenfalls verformt, aber in seiner Integrität nicht beeinträchtigt. Dabei sei ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen: Schall istetwasanderesalsScherspannung, denn Schall erzeugt nur Druck- wellen. Allein diese Überlegung führt schon zu: Vermutung 1: Schall vermittelt via Druckwelle nur Zug-Druck- Spannungen. Noch dazu werden diese von dem Speichel-Zahn- pasta-Gemisch, dessen Konsistenz zwischen Suspension und Schaum liegt, deutlich gedämpft (vgl. Sälzer etal.31).Schallalleindürftedamitzu keinem Aufbrechen des Biofilms führen. Vermutung 2: Oszillierend- rotierende und/oder pulsierende Borsten könnten theoretisch einen hydrodynamischen Effekt erzeu- gen, d.h. einen Strömungsgradien- ten bzw. unterschiedlich schnell fliessende Flüssigkeitsanteile. In- folgedessen könnte es zu Scher- spannungen an der Zahnober- fläche kommen. Ihre Stärke hängt von der Bewegungsfrequenz der Borsten, von ihrem Abstand zur Zahnoberfläche und von der Kon- sistenz bzw. Zähigkeit der/des Speichel-Zahnpasta-Suspension/ Schaums ab. Vermutung 3: Zu Kavitations- effekten kommt es durch Zahn- bürsten nicht. Dafür sorgt allein das teilweise schaumartige Spei- chel-Zahnpasta-Gemisch. Es ver- hindert die Bildung von Bläschen, die dann an die Zahnoberfläche transportiert würden und dort „explodierten“. Etwas anderes wäre es übrigens, wenn es sich um eine inkompressible Flüssigkeit handeln würde, wie etwa um reines Wasser. Man kennt das von der Nierensteinzertrümmerung oder von der Instrumentenreini- gung im Ultraschallbad: Hier kommt es tatsächlich zu Kavita- tionseffekten. Das führt zum folgenden Zwi- schenergebnis: Kavitationseffekte (Fernwirkung 3) werden durch Zahnbürstennichtausgelöst.Daher konzentrieren sich die weitergehen- den Überlegungen auf Zug-Druck- Spannungen (Fernwirkung 1) und Scherspannungen (Fernwirkung 2). Ein Vergleich von oszillierend- rotierender Zahnbürste und Schall- zahnbürste zeigt demgemäss:Wenn überhaupt, so könnte eher die os- zillierend-rotierender Zahnbürste eine hinreichend grosse Scherspan- nung erzeugen, um den Biofilm aufzubrechen bzw. abzulösen. Diskussion Vorstehend wurden plausible Vermutungen zurAbschätzung von Fernwirkungen elektrischer Zahn- bürsten auf den Biofilm aus physi- kalischer Sicht vorgeführt. Danach lässt sich festhalten: Ein Schall- Effekt von entsprechend konstru- ierten elektrischen Zahnbürsten im Sinne eines Aufbrechens bzw. AblösensdesanderZahnoberfläche haftenden Biofilms ist nicht vor- handen.Allenfalls kommt es zu De- formationen. Ein weiterer Aspekt wird in einem aktuellen Review von Sälzer et al.31 thematisiert: „Da der Biofilm ein dynamisches Ökosys- tem darstellt,ist davon auszugehen, dass er in der Lage ist,sich an verän- derte mechanische Belastungen vor allem durch laminare Strömungen anzupassen.“ Die durch die Borstenbewegung bewirkten Scherspannungen könn- ten zumindest bei oszillierend- rotierendenZahnbürstenzurZerstö- rungdesBiofilmsbeitragen.Füreine genauere Abschätzung sei an dieser StelleeinIn-vitro-Modellmitrealis- tischen Zahnformen in realistischer Aufstellung auf der Grundlage der Scans realer Gebisse vorgeschlagen. Besonders interessant wären dabei möglicheEffekteindenApproximal- räumen. Kavitationen, wie sie zur Zer- trümmerung von Nierensteinen oder bei der Ultraschallreinigung genutzt werden, dürften im Mund nicht auftreten. Unberücksichtigt blieben in den hier vorgeführten Überlegungen und Modellrech- nungendieWirkungendesdirekten Borstenkontakts. Er erzeugt die für die Entfernung des Biofilms ent- scheidenden Spannungen. Auf die- sem Gebiet erwies sich die oszillierend- rotierende Techno- logie in einem Cochrane Review32 aus dem Jahr 2014 zum wiederholten Male als das überle- gene Putzsystem, ein Ergebnis aus dem sich eine fun- dierte Empfehlung für die Praxis ablei- ten lässt. Procter & Gamble Germany GmbH www.dentalcare.com PT Fernwirkung im Fokus – Borstenkontakt bleibt Bedingung für Plaqueentfernung Um Plaque von der Zahnhartsubstanz zu lösen, müssen die mit den Borsten der Zahnbürste ausgeübten Scherkräfte die Haftkraft des Biofilms an Schmelz bzw. Dentin überwinden. OdergehtesauchdurchSchallwellen?ImFolgendenwirdaufderBasisphysikalischerGrundlagendarüberdiskutiert.VonDr.ChristianEhrensberger,FrankfurtamMain,Deutschland. 1 Infos zum Autor Literaturliste Abb. 1: Zwar erzeugen elektrische Zahnbürsten Flüssigkeitsströme und somit hydrodynamische Energien, für die Biofilmentfernung im eigentlichen Sinne jedoch ist der Borstenkontakt entscheidend. 2 Abb. 2: Aus der Luftfahrt bekannt, für die zahnmedizinische Prophylaxe interessant: Schubspannung wirkt auf die Oberfläche eines umströmten Körpers, schafft aber eine effektive Plaqueentfernung nur bei Borstenkontakt.– Abb.3:Als entscheidend erweist sich,dass die durch die Borsten ausgeübten Scherkräfte dieAdhäsionskräfte des Biofilms überwinden. 3

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