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Dental Tribune Austrian Edition

Ein hoher Anteil der kieferorthopädi- schen Behandlungen in Deutschland wird mit modernen festsitzenden Ap- paraturendurchgeführt.Zudenunbe- strittenen Vorteilen der festsitzenden kieferorthopädischenBehandlungmit Multibracketapparaturen (MB) gesel- lensichjedochauchNebenwirkungen: NebendenWurzelresorptionengehört hierzuvorallemdiehäufigzubeobach- tende Entstehung von Demineralisa- tionen, den sogenannten White-Spot- Läsionen (WSL) des Schmelzes wäh- rendderMultibracketbehandlung. Ätiologischspielendabeinebender vorübergehend erschwerten Pflegbar- keitderBracketzwischenräume(Abb.1) bei der häuslichen Mundhygiene und demeingeschränktenSelbstreinigungs- effekt der Zähne während der kiefer- orthopädischen Behandlung auch das individuelle Kariesrisiko (Säurepuffer- kapazität und Fließrate des Speichels) und das Unterschreiten eines Mindest- maßes von lokalen Fluoridierungs- maßnahmen (Zahncreme, Mund- spüllösungen, Bracketumfeldversiege- lungen)eineRolle.Dahergehörtneben der Aufklärung über das WSL-Risiko während einer MB-Behandlung und dem Anbieten von fluoridfreisetzen- den Bracketumfeldversiegelungen vor allem das regelmäßige Kontrollieren der Mundhygiene, das Aufzeigen von Pflegedefiziten sowie das Mundhy- giene-Remotivieren zu den Aufgaben desbehandelndenKieferorthopäden. DennochlässtsichinvielenFällen die Entstehung von WSL nicht zuver- lässigvermeiden,wasmitderDynamik derWSL-Formationzusammenhängt: Obwohl es erwiesen ist, dass beson- ders lang andauernde Bracketbehand- lungen die Entstehung von WSL sig- nifikant begünstigen, können initiale Schmelzdemineralisationen bereits nachsehrkurzenBehandlungszeiträu- men von nur wenigen Wochen oder Monatenauftreten. Folglichentwickelteinbestimmter Prozentsatz festsitzend behandelter Patienten White-Spot-Läsionen, die jedoch oft erst nach Entfernen der Brackets als ästhetisch störend wahr- genommen werden (Abb. 2, 3). Das verantwortliche Arbeiten mit Multi- bracketapparaturen erfordert somit vonseiten des Behandlers über Kon- troll- und Prophylaxemaßnahmen hinaus auch die Handlungsfähigkeit bei trotz Präventionsmaßnahmen auftretenden WSL, was in einigen Fäl- len den vorzeitigen Abbruch der MB- Behandlungbedeutenkann. Obwohl aktive WSL als opak er- scheinende Schmelzveränderungen eine initialkariöse Läsion darstellen (ICD-10/K02.0), werden diese nach dem Debonding durch eine bessere Pflegbarkeit oft in einen inaktiven Zustand mit glatter, pseudointakter Schmelzoberfläche überführt. Damit gehtofteinegeringeoptischeVerbesse- rung der WSL einher, was neben einer Glättung und Härtung der Läsions- oberfläche durch lokale Fluoridie- rungsmaßnahmen vor allem auf den mechanischen Schmelzabrieb durch Bürstabrasion bei entsprechend gu- ter Zugänglichkeit der betroffenen Schmelzbereiche nach Entfernen der Bracketszurückzuführenist.Eserfolgt also nicht zwangsläufig ein Fortschrei- tenundVertiefenderLäsion,allerdings bleiben auch inaktive WSL, insbeson- dere im ästhetisch relevanten Front- zahnbereich, als deutlich sichtbare, opake Schmelzflecken zurück. Die klinische Sichtbarkeit dieser Flecken erklärt sich durch das veränderte Lichtbrechungsverhalten: Einfallen- dendes Licht wird in White-Spot- Läsionen diffus gestreut, statt wie von gesundem Schmelz reflektiert zu werden. Ein Ansatz zur Vermeidung von WSL trotz festsitzender kieferortho- pädischer Behandlung bietet sich in der Befestigung der Brackets auf den lingualen Schmelzflächen. Obwohl auch hier Brackets Pflegehindernisse darstellen, ist durch das verbesserte Umspülen der gefährdeten Bereiche mitSpeichelimVergleichzurbukkalen Bracketbefestigung die Inzidenz von WSL erniedrigt (v.d.Veen et al.,2010) und eine ästhetische Beeinträchtigung nicht gegeben. Aufgrund der Kom- plexität und den damit verbundenen Kosten dieser Behandlungstechnik wird jedoch der bei Weitem überwie- gende Anteil der MB-Behandlungen mit bukkal befestigten Apparaturen durchgeführt. Daher gehört es zu den einfachstenundzugleichelementarsten Maßnahmen der WSL-Prophylaxe, entsprechendeRisikopatientenanhand von Plaquekontrollen vorab zu selek- tieren und eine Multibracketbehand- lungerstbeiErreicheneinesadäquaten Mundhygieneniveauszuinitiieren.Bei anhaltend schlechter Mundhygiene bereits im Vorfeld einer festsitzenden Behandlung ist vom Eingliedern von Multibracketapparaturen abzuraten und lingualen oder abnehmbaren Ap- paraturen derVorzug zu geben,bis ein adäquatesPflegeniveauvomPatienten zuverlässig eingehalten werden kann. Die Anwendung von Bracketumfeld- versiegelungen und fluoridfreiset- zendenAdhäsivenundZementenzum Befestigen von Brackets und Bändern ist bei festsitzenden kieferorthopädi- schen Behandlungen grundsätzlich zu empfehlen. Beim Befestigen der MB- Apparatur sind Schmelz-Ätzintervalle vonmehrals15SekundenunddasVer- größern der anzurauenden Schmelz- flächenüberdasArealderBracketbasis hinaus zu vermeiden, um das Entste- henvonWSLnichtiatrogenzutriggern oder zu begünstigen.Dies gilt ganz be- sonders in Fällen, in denen keine Bra- cketumfeldversiegelung durchgeführt werdenkann(Knöseletal.,2012). NachBeginneinerMB-Behandlung sindzurWSL-ProphylaxedasAufrecht- erhalteneinergutenMundhygieneund die Verwendung fluoridierter Zahn- creme grundlegend und unabdingbar. Insbesondere beim größten Anteil der mit festsitzenden Apparaturen be- handelten Patienten, der Altersgruppe der 12–16-Jährigen, kommt durch die häufig schnell nachlassende Motiva- tion den regelmäßigen Kontrollen der MundhygieneimRahmenderService- IntervalledurchdenKieferorthopäden einebesondereRollezu.Alszusätzliche wirkungsvolleMaßnahmekanndastäg- liche Mundspülen mit niedrigkonzen- triertenFluoridlösungen(200–450ppm) zur Reduzierung des WSL-Risikos empfohlenwerden,wassystematischen Übersichtsarbeiten zufolge die WSL- Formation erheblich reduzieren kann (Bensonetal.,2013).Leideristtrotzdes Spektrums der Prophylaxemaßnah- men die WSL-Entstehung ein alltäg- liches Problem in der kieferorthopä- dischen Praxis: Fast die Hälfte aller mit bukkalen MB-Apparaturen behandel- ten Patienten entwickelt eine neue WSLwährenddererstenzwölfBehand- lungsmonate, wobei insbesondere die ersten sechs Monate einer aktuellen Studie zufolge als kritisch angesehen werden; drei Viertel der betroffenen Patientensindmännlich(Tufekcietal., 2011). Bewährte und neue Therapieansätze Geringgradig ausgeprägte WSL werden meist noninvasiv therapiert, was durch lokale Fluoridierungs- maßnahmen das Remineralisieren des Schmelzes und das Inaktivieren der WSL zum Ziel hat. Die optische Er- kennbarkeit dieser inaktiven Läsionen verringert sich dabei geringfügig,den- noch stellen die meist trotzdem noch International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 5/2014 · 7. Mai 20144 White-Spot-Läsionen während Multibracketbehandlungen Obwohl die Vorteile festsitzender Multibracketapparaturen unbestritten sind, geht ihre Anwendung auch mit Nebenwirkungen einher. Den entstehenden Demineralisationen des Schmelzes kann durch Prophylaxestrategien und Camouflage durch mikroinvasive Infiltration entgegengewirkt werden. Von Prof. Dr. Michael Knösel, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland. Abb.1: Multibracketapparaturen stellen Hygienehindernisse dar und begünstigen eine vermehrte Plaqueakkumulation. – Abb.2: Unzureichende Pflege- und Fluoridierungsmaßnahmen erhöhen das Schmelz-Demineralisations- risiko und führen rasch zuWhite-Spot-Läsionen. – Abb. 3:White-Spot-Läsionen werden von vielen Patienten oftmals erst nach Entfernung der Brackets als ästhetisch störend wahrgenommen. ª 1 2 3