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Dental Tribune Austrian Edition

Trotz rückläufiger Bevölkerungszah- lenistindennächstenJahrenundJahr- zehnten mit einem deutlichen Anstieg der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre zu rechnen1. Durch zunehmen- den Wohlstand, eine bessere Ernäh- rung und verbesserte Lebensbedin- gungen könnte es dazu kommen, dass Menschen künftig nicht nur länger le- ben, sondern auch länger gesund blei- ben. Während 2008 noch 20 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt wa- ren,werdenes2030voraussichtlichfast 30 Prozent und 2050 sogar fast 40 Pro- zentsein.InsbesonderewirdderAnteil der über 80-Jährigen stark zunehmen. Hingegen wird es voraussichtlich bis zum Jahr 2030 zu einem Rückgang auf etwa15ProzentinderAltersgruppeder unter 20-Jährigen kommen. Parallel dazu ist mit einem deutlichen Anstieg der Pflegebedürftigen zu rechnen. Während 2005 noch 2,1 Millionen Menschenpflegebedürftigwaren,wer- den es 2030 voraussichtlich 3,4 Millio- nen Menschen sein.2 Hinzu kommt, dassdasDurchschnittsalterderpflege- bedürftigen Menschen ebenfalls an- steigenundderAnteilderüber80-Jäh- rigendeutlichzunehmenwird. Es erscheint deshalb von enormer Wichtigkeit,dieparodontalePrävalenz sowiedenparodontalenBehandlungs- bedarf in der älteren Allgemeinbevöl- kerung als auch unter Pflegebedürfti- genabschätzenzukönnen.DieseInfor- mationen sind unter anderem für die zukünftige Ressourcenplanung sowie die Abschätzung von Präventionsbe- darf notwendig. Um die Entwicklung der parodontalen Prävalenz und Schwere bis 2020 abschätzen zu kön- nen, betrachten wir drei für eine Pro- gnose notwendige Aspekte. Dies sind die bisherige Entwicklung der paro- dontalenPrävalenzinDeutschland,die bisherigeEntwicklunginanderenLän- dern sowie die Entwicklung und Pro- gnose für verschiedene parodontale Risikofaktoren. MaterialundMethoden Die Aussagen zur parodontalen PrävalenzundzuparodontalenTrends basieren auf den Deutschen Mundge- sundheitsstudien und der regionalen Study of Health in Pomerania (SHIP). DieersteDeutscheMundgesundheits- studie(DMSI)wurdeerstmals1989in den Bundesländern der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland durch- geführt.3 Nach dem Fall der Mauer wurde 1991 eine weitere Studie in den neuen Bundesländern durchgeführt, umVergleiche hinsichtlich der Mund- gesundheit zwischen den alten und neuen Bundesländern zu ermög- lichen.4 Die nachfolgenden Studien DMSIIIundDMSIVwurdenjeweilsin denJahren19976 und20056 inGesamt- deutschland erhoben. In DMS III und DMSIVwurdenunteranderemdieAl- tersgruppen der 35- bis 44- (Erwach- sene)sowie65-bis74-Jährigen(Senio- ren) untersucht. Das Untersuchungs- programm umfasst jeweils ein zahn- medizinisches Interview sowie eine zahnmedizinische Untersuchung. Die Erhebung der Sondierungstiefen und derAttachmentverlustwerteerfolgtein DMS III halbseitig an zwei Flächen (mesiobukkal,mittbukkal),inDMSIV an 12 Indexzähnen an drei Flächen (mesiobukkal, mittbukkal, distolin- gual).FürbeideStudienwurdedieglei- che parodontale Sonde genutzt (PCP 11.5 WHO probe, M+W Dental, Bü- dingen). Für den Vergleich zwischen DMSIIIundDMSIVwurdendieparo- dontalen Variablen basierend auf den in beiden Studien gemeinsam erhobe- nen Zahnflächen berechnet (Zähne: 11,16,17,44,46,47; mesiobukkal und mittbukkal). Zum SHIP-Projekt gehören zwei voneinander unabhängige Kohorten- studien–SHIPundSHIP-Trend.7 Zwi- schen 1997 und 2001 wurden insge- samt 4.308 Probanden imAlter von 20 bis 81 Jahren aus der Region Vorpom- merninnerhalbderBasisstudie(SHIP- 0) untersucht.8, 9 In SHIP-Trend wur- den von 10.000 eingeladenen Erwach- senen aus der RegionVorpommern7,10 insgesamt 4.420 untersucht. Beide SHIP-Studien beinhalten ein umfang- reiches Untersuchungsprogramm, welches auch ein zahnmedizinisches Interview sowie eine zahnmedizini- scheUntersuchungeinschließt.8–10 Die Erhebung der Sondierungstiefen und der Attachmentverlustwerte erfolgte halbseitig an vier Flächen (mesiobuk- kal, mittbukkal, distobukkal, mittlin- gual/mittpalatinal)unterVerwendung einer parodontalen Sonde (SHIP-0: PCP11; SHIP-Trend: PCP15; Hu- Friedy,Chicago,IL,USA). Die CDC/AAP-Klassifikation wurde herangezogen, um die Proban- den nach ihrem parodontalen Schwe- regrad in gesund/milde Parodontitis, moderate oder schwere Parodontitis einzuteilen.DMSIIIundSHIP-0sowie DMS IV und SHIP-Trend wurden je- weils etwa im gleichen Zeitraum erho- ben.Für die DMS-Studien wurden die Analysen teilweise für die alten und neuen Bundesländer getrennt durch- geführt. DieErgebnisse Zahnzahlundparodontale PrävalenzundSchwere inDeutschlandvor15Jahren Basierend auf der DMS III-Studie sind 22,9 Prozent der Senioren in den altenBundesländernund34,2Prozent derSeniorenindenneuenBundeslän- dernzahnlos;diemittlereZahnzahlbei bezahntenPersonenlagjeweilsbei14,1 und 12,4 Zähnen.Für die RegionVor- pommernlagderAnteilderzahnlosen Senioren bei 33,6 Prozent (Abb. 1a); die mittlere Zahnzahl bei bezahnten Seniorenlagbei12,1Zähnen(Abb.1b). Insbesondere lag ein deutliches Ost- West-Gefälle vor, welches sich durch eine geringe Zahnzahl in den neuen Bundesländern ausdrückte (Abb. 1a und b). Verglichen mit anderen aus- gewählten annähernd zeitgleich durchgeführten Studien aus Japan,12 den USA13 und Schweden14 liegt für Deutschland eine deutlich geringere Zahnzahlvor. AnhandderSHIP-Datenzeigtsich für die Prävalenz der Parodontitis ein stimmiges Bild. Legt man die CDC/AAP-Definition11 zugrunde, waren in SHIP-0 unter den 55- bis 64- Jährigen 47,4 Prozent moderat und 32,7 Prozent schwer parodontal er- krankt(Tab.I).DiePrävalenzsteigtmit zunehmendem Alter an und erreicht bei70-bis81-Jährigenjeweils47,6Pro- zent und 37,0 Prozent.Verglichen mit der amerikanischen Oral INfections and Vascular disease Epidemiology STudy (INVEST)15 liegt für Deutsch- land für die 55- bis 81-Jährigen eine doppeltsohohePrävalenzfürschwere Parodontitisvor.16 Berücksichtigtman ineinemRegressionsmodelldieunter- schiedliche Verteilung parodontaler Risikofaktoren, verbleibt ein 1,4-fach höheresRisikofüreinemoderateoder schwere Parodontitis in SHIP-0, ver- glichenmitINVEST.16 TrendvonZahnzahlparodontaler Prävalenz undSchwere indenletzten10Jahren Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sich die Mundgesundheit auch in Deutschland weitestgehend verbes- sert. Insbesondere in den neuen Bundesländern konnten eine Reduk- tionderZahnlosigkeitauf23,3Prozent (DMS Ost) bzw. 14,7 Prozent (SHIP- Trend) beobachtet werden (Abb. 1a). In den alten Bundesländern blieb der Anteil der zahnlosen Senioren unver- ändert(von22,9auf23,0Prozent).Pa- rallel dazu hat die mittlere Zahnzahl bei bezahnten Senioren in den alten (von 14,1 auf 18,3) als auch neuen Bundesländern(von12,4auf16,3)zu- genommen(Abb.1b). Für die CDC/AAP-Definition, welche basierend auf den in DMS III und DMS IV gemeinsam erhobenen approximalen Zahnflächen bestimmt wurde,zeigte sich folgendes Bild(Tab. II).In den alten Bundesländern ist die Prävalenz der schweren Parodontitis von 13,2 auf 9,8 Prozent abgesunken, während der Anteil moderat erkrank- ter Probanden um 8,2 Prozent (von 42,0 auf 50,2 Prozent) angestiegen ist. In den neuen Bundesländern ist die Prävalenz der schweren Parodontitis ebenfalls um 2,7 Prozent zurückge- gangen (von 13,6 auf 10,9 Prozent), während der Anteil moderat erkrank- ter Probanden um 15,8 Prozent ange- stiegenist.HierwareineVerschiebung zu den moderaten Parodontitiden zu beobachten. Betrachtet man die Schwere der parodontalen Erkrankung, ist für die alten Bundesländer eine Stagnation der mittleren Sondierungstiefe (von 2,62 auf 2,52mm) zu beobachten. Ähnliche Verhältnisse finden sich in den neuen Bundesländern (von 2,54 auf 2,45mm). Ganz anders sieht es für den mittleren Attachmentverlust aus. Die Werte stagnieren in den alten Bundesländern (von 3,80 auf 3,74mm), zeigen aber in den neuen Bundesländern eine Zunahme um etwa0,3mm(von3,88auf 4,16mm). FürSHIPzeigtesichsogareinweit- auspositiveresBild(Tab.I).Fürdie55- bis 64-Jährigen hat die Prävalenz der schweren Parodontitis um 5 Prozent, überwiegendzugunsteneineshöheren Anteils an gesunden oder mild paro- dontal erkrankten Probanden, abge- nommen. Ähnliche Verhältnisse konntenfürdie65-bis74-Jährigenbe- obachtet werden. Bei den 75- bis 81/83-Jährigen zeigten sich eine Ab- nahme des Anteils schwer erkrankter Probanden (10,3 Prozent) sowie eine deutlicheZunahmedesAnteilsmode- rat erkrankter Probanden um 15,7 Prozent. Anders sieht es nun aus,wenn wir die mittlere Sondierungstiefe sowie den mittleren Attachmentverlust be- trachten(Abb.2).ÜberalleAltersklas- sen hinweg war eine Stagnation der mittleren Sondierungstiefe zwischen SHIP-0 und SHIP-Trend zu beobach- teten.Hingegenwurdeinnahezuallen Altersklassen eine Abnahme des mitt- lerenAttachmentverlustesbeobachtet. Hier können wir von einer Verbesse- rung der parodontalen Situation aus- gehen. PrävalenzvonParodontalerkrankungen beiPflegebedürftigeninDeutschland Neben der mobilen Bevölkerung, welche durch DMS und SHIP erfasst wird, nehmen auch die Pflegebedürf- tigen eine wichtige Stellung in der Alterszahnmedizin ein. Aufgrund ih- rereingeschränktenMobilitätundder begrenzten Möglichkeiten zur häus- lichenMundhygienezeigtsichbeiPfle- International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 3/2014 · 5. März 20144 Die orale Situation beim älteren Patienten von heute und 2020 Mit der Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung ist ein vermehrtes Auftreten von Parodontalerkrankungen bei Patienten in dieser Altersgruppe zu verzeichnen. Daher gilt es als zukünftige Herausforderung, den parodontalen Behandlungsbedarf richtig abschätzen zu können. Von Dr. rer. nat. Birte Holtfreter, Greifswald, Deutschland. Alter (Jahre) CDC/AAP-Klassifikation SHIP-0 SHIP-Trend (n = 1.094) (n=1.228) 55–64 Gesund/milde Parodontitis 19,9 % 28,0 % Moderate Parodontitis 47,4 % 44,4 % Schwere Parodontitis 32,7 % 27,6 % 65–74 Gesund/milde Parodontitis 14,4 % 19,0 % Moderate Parodontitis 50,2 % 49,8 % Schwere Parodontitis 35,4 % 31,2 % 75–81/83* Gesund/milde Parodontitis 15,4 % 10,0 % Moderate Parodontitis 47,6 % 63,3 % Schwere Parodontitis 37,0 % 26,7 % SHIP-0: 75–81 Jahre; SHIP-Trend: 75–83 Jahre. Befundschema:Half-mouth,vierFlächen(mesiobukkal,mittbukkal,distobukkal,mittlingual/mittpalatinal) Tabelle I: Prävalenz der Parodontitis (%) nach der CDC/AAP-Fallklassifikation für 55- bis 83-jährige Probanden in SHIP-0 und SHIP-Trend. Region CDC/AAP-Klassifikation DMS III DMS IV (n = 610) (n = 672) Alte Bundesländer Gesund/milde Parodontitis 44,8 % 40,0 % Moderate Parodontitis 42,0 % 50,2 % Schwere Parodontitis 13,2 % 9,8 % Neue Bundesländer Gesund/milde Parodontitis 50,9 % 37,7 % Moderate Parodontitis 35,6 % 51,4 % Schwere Parodontitis 13,6 % 10,9 % Befundschema: Zähne 11–16–17–44–46–47, mesiobukkale Fläche. Tabelle II: Trend von Parodontalerkrankungen (%) nach der CDC/AAP-Falldefinition für 65- bis 74-jährige Probanden der DMS III und DMS IV.