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Dental Tribune Austrian Edition

Perio News PERIOTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 12/2013 · 4. Dezember 201320 In Deutschland sind ca. 20 Prozent der Bevölkerung stark und weitere 20 bis 30Prozentmäßigparodontal erkrankt. Wie gut sind wir Zahnärzte in der Lage, diese Krankheit erfolgreich zu be- handeln? Glockmann und Kollegenhabendeutschland- weit 599 Kollegen, die über 10.000 Zähne extrahiert ha- ben, befragt, weshalb sie die- se Zähne entfernt haben. Ca. 30 Prozent der Zähne wur- den aus parodontalen und ebenso viele aus Kariesgrün- den und weitere 12 Prozent sowohl aus kariologischen als auch parodontalenGründenextrahiert. Bei den Patienten über 45 Jahre überwogendieparodontalenBegrün- dungen.DieVierteDeutscheMundge- sundheitsstudiezeigt,dassdiemeisten unsererPatientennurwenigeTaschen 6 mm und tiefer haben und dass nur sehr wenige Patienten an sehr vielen Zähnen diese tiefen Taschen aufwei- sen. Durch eine systematische Aus- wertung von Röntgenbildern wurde gezeigt, dass die Prävalenz von tiefen Knochentaschen über ≥ 3 mm gering ist. Aus vergleichenden epidemio- logischen Studien ist bekannt, dass Deutschland im Mittelfeld der euro- päischen Länder in Bezug auf Zahn- verlust und Parodontalerkrankungen liegt.Weshalb gelingt es uns nicht,die parodontale Behandlungslast stärker zu reduzieren? Sind parodontale Be- handlungen zu kompliziert, obwohl tiefe Taschen über 6 mm nicht in zu großerZahlvorkommen? Deep Scaling Zahlreiche klinische Studien zei- gen, dass ein Deep Scaling langfristig zu einer vergleichbaren Reduktion der klinischen Sondierungstiefen bzw.einemähnlichenAttachmentge- winnwieeineLappenoperationführt. Insbesondere beim horizontalen Kno- chenabbau schrumpft die entzündete Gingiva stark. Parodontale Lappen- operationen von Molar zu Molar, wie sie in den 1980er- und 1990er-Jahren durchgeführt wurden, gibt es heute so gut wie nicht mehr. Bei den meis- ten unserer parodontal erkrankten Patienten kann ein Deep Scaling zum Erfolg führen. Deep Scaling ist eine Tätigkeit,die mit Sicherheit Zeit und manuelles Geschick braucht,die aber nicht zu den kompliziertesten Eingriffen in der Zahnmedizin ge- hört. Studien aus den 1980er-Jahren zeigten,dassDentalhygieniker/-innen dieselben Wundheilungsergebnisse erzielenkönnen wie Zahnärzte. Thema Zahnerhalt Für unsere Prophylaxehelfer/ -innen stehen die supragingivale Plaquekontrolle oder der Gingivitis- index im Mittelpunkt ihres täglichen Handelns; die parodontologisch tä- tigen Zahnärzte messen den Be- handlungserfolg in der Regel in der Taschentiefenreduktion oder dem Attachmentgewinn. Sie müssen sich aber stets bewusst sein, dass für Patienten nicht die supragingivale Plaque, das blutende Zahnfleisch oder die Zahnfleischtasche, sondern der erhaltene Zahn im Mittelpunkt steht. In der parodontologischen Li- teratur liegen leider keine randomi- sierten, kontrollierten Studien zum Thema Zahnerhalt vor, es gibt einige ältere Studien, die sich mit diesem wichtigstenThemaderParodontolo- gie beschäftigt haben und die zeigen, dass durch Parodontalbehandlun- gen Zähne erhalten werden können. Sicherlich am bekanntesten sind dazu die Studien vonAxelsson. DieberühmtenKarlstad-Studien in den 1980er-Jahren zeigten, dass gut motivierte und instruierte, paro- dontal gesunde Patienten, die sich regelmäßig einer professionellen Zahnreinigung unterzogen, in sehr geringem Umfang weitere kariöse Läsionen entwickelten oder Attach- ment- und Zahnverluste erlitten. Vergleichbare Ergebnisse erzielte Axelsson et al. auch bei der Behand- lungparodontalerkrankterPatienten. DieseStudienerfüllenabernichtmehr die wissenschaftlichen Standards der heutigen Zeit, sodass bei Übersichts- arbeiten ihre Validität in Zweifel ge- zogen wird und sie bei Metaanalysen nicht einbezogen werden. Letztendlichbestätigenaberretro- spektive Studien aus vielen Ordina- tionen, und unter anderem aus den Zahnkliniken in Frankfurt am Main und Kiel, dass parodontal erkrankte Patienten im Durchschnitt jährlich 0,1bis0,15Zähneverlieren,wennder Patient sich einer systematischen Pa- rodontalbehandlung unterzieht und erkontinuierlicheineunterstützende Parodontaltherapie wahrnimmt. Und die Zahnverlustrate? Einebishernichtausreichendbe- antwortete Frage ist,ob diese geringe Zahnverlustrate auch im Versor- gungsalltag realisiert wird.Eine indi- rekteAntwortdaraufgibtdieStudyof Health in Pomerania (SHIP), in der über zehn Jahre ca. 2.700 Probanden nachuntersucht wurden. Eine vor- läufigeAuswertungzeigt,dassdasam stärksten parodontal erkrankte Vier- tel der Bevölkerung innerhalb von zehn Jahren durchschnittlich vier Zähne und die restlichen Probanden maximal zwei Zähnen verlieren. SicherlichkannderjährlicheVer- lust von 0,15 Zähnen bei parodontal in Schwerpunktpraxen behandelten Patienten nur mit großer Einschrän- kung mit den 0,4 jährlich verlorenen Zähnen bei parodontal erkrankten Vorpommern verglichen werden. Aber dieses Zahlenverhältnis von 1:2 oder 1:3 (Zahnverlust bei parodontal Behandelten vs.parodontal Unbehan- delten) findet sich auch in einer Aus- wertungeinesPatientenregisterseiner amerikanischenVersicherung. Aus dem Vergleich dieser Zahlen ergibt sich die Frage, ob Parodon- talbehandlungen nicht in ausrei- chendem Umfang und mit entspre- chender Qualität in Deutschland durchgeführt werden, und wenn ja, wie kann dieser Umstand verbessert werden. Attachmentverlust bezogen auf das Alter Wahrscheinlich ist die Progres- sion des Attachmentverlustes über dieLebensspannehinwegnichtlinear, sondern sie ist stärker ausgeprägt in jüngerem und in höherem Lebens- alter. Die Konsequenz für den All- tag ist, dass wir auch bei den 30- bis 40-Jährigen nach Konkrementen tastensollten.DiesePatientengruppe mit ihren blutenden 4 bis 5 mm tie- fen Taschen im Approximalraum betrachten wir nicht als richtig parodontal erkrankt und als unsere Parodontalpatienten. BeidiesenPatientengenügenmit Sicherheit zwei professionelle Zahn- reinigungenzurMotivation,Instruk- tion und Konkremententfernung unddannimjährlichenAbstandeine professionelleZahnreinigung,sofern sie nicht Raucher oder Diabetiker sind. Ähnlich sollte auch mit Senio- ren verfahren werden, bei denen im Alter vermutlich die Abwehrkraft nachlässt. Da ältere Patienten in der Regel wenigerZähnehabenundmeistauch keine Molaren, sollten Parodontal- behandlungen ohne großes Problem durchzuführen sein. Diese Behand- lungenkönnengrößtenteilsdelegiert werden, aber dafür brauchen wir gut ausgebildetes Personal. Wenn wir Qualität erreichen wollen, muss diese Qualität auch kontrolliert und gegebenenfalls durch entsprechen- de weitere Ausbildungen verbessert werden. Verteilung des Budgets MitSicherheitträgtauchdieVer- teilung des zahnärztlichen Budgets der gesetzlichen Krankenversiche- rung das ihre zu diesem Ungleichge- wicht bei, denn in der GKV wurden 2012 von den ca. 11 Milliarden des Gesamtbudgets 355 Millionen für parodontologische Behandlungen ausgegeben. Sogar für die Position Kieferbruch wurde genauso viel und für die kieferorthopädische Behand- lung ungefähr das Doppelte wie für parodontologische Behandlungen ausgegeben.EingroßerTeilderparo- dontologischen Behandlungen wird in Deutschland privat abgerechnet, aber diese GKV-Verhältnisse wider- spiegeln den Stellenwert, den wir als Berufsorganisation dem parodon- tologischenZahnerhaltzumessen.Es besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen der parodontalen Erkran- kungslast in der Bevölkerung und der Verteilung der GKV-Ressourcen. Dieses Missverhältnis zeigt, dass es nur einen geringen Anreiz gibt, Parodontalbe- handlungendurchzuführen. Das Bonusheft als Chance Mit dem Bonusheft für gesetzlich Krankenversicher- te haben wir ein Werkzeug, das von der Bevölkerung gut angenommen wird. Die allermeisten unserer Patien- ten bringen dieses regel- mäßig zum Abstempeln in unsereOrdinationmit.Leider ist das regelmäßig geführte Bonusheft mit der Reduktion von Zahnersatzkosten verbunden und wirdnichtbeiparodontalerkrankten Patienten als Anreiz eingesetzt, Re- callbesuche zu motivieren und zu unterstützen.DiesesBonusheftbietet unserem Berufsstand eine große Chance auf Bevölkerungsebene, die wir bisher nicht ergriffen haben und um die wir uns kümmern sollten. Universitäten Die universitäre Ausbildung in Parodontologie trägt derzeit aus meiner Sicht auch nicht viel zum pa- rodontologischen Qualitätsbewusst- sein unserer Studenten bei. Es gibt in Deutschland nur sechs eigen- ständige, parodontologische Abtei- lungen (Münster, Gießen, Frankfurt am Main,Marburg,Dresden,Witten/ Herdecke) und zwei Zahnerhaltungen unter parodontologischer Führung (Bonn und Kiel). Unsere Studenten werden in der Vorklinik mit der Herstellung von Zahnersatz in die Zahnmedizin ein- geführt, und dort werden die prä- ventiven Aspekte der Zahnheilkunde nur theoretisch und nicht praktisch vermittelt. Werden zum Beispiel alle Lehrveranstaltungen in der Klinik ohne Gewichtung bezüglich Vorle- sung,KursoderSeminarinGreifswald oder Frankfurt aufsummiert, so ist in der klinischen Ausbildung die Pa- rodontologie für ca. 10 Prozent des Unterrichts verantwortlich. Damit ist auch für Studenten klar, wo sie ihre Schwerpunkte setzen müssen, und vermutlich prägen wir sie damit für ihrweiteresZahnarztleben. PT Prof.Dr.ThomasKocher Ernst-Moritz-Arndt-Universität Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung Parodontologie Walther-Rathenau-Str.42a 17489 Greifswald,Deutschland kocher@uni-greifswald.de www.uni-greifswald.de 1a Kontakt Infos zum Autor Parodontitis: Was brauchen wir als Grundlage unserer Therapie? Welche Ansatzpunkte gibt es, der parodontologischen Zahnerhaltung einen größeren Stellenwert zu vermitteln und die parodontale Behandlungslast stärker zu reduzieren? Eine Zusammenfassung von Prof. Dr. Thomas Kocher, Greifswald, Deutschland. „Weshalb gelingt es uns nicht, die parodontale Behandlungslast stärker zu reduzieren?“ 1d1b 1c Fallbeispiel:BehandlungadmodumAxelsson.Mann,Nichtraucher,geb.1960.–Abb.1a:VorOP,39Jahrealt.–Abb.1b:IntraOP.–Abb.1c:2JahrenachOP.–Abb.1d:50Jahrealt.