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Dental Tribune Austrian Edition

International Interview DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 9/2013 · 4. September 20138 Bisphosphonate sind aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken und so- mitistauchderUmgangmit Bisphosphonat-Patienten für die Zahnärzteschaft heute von wachsender Be- deutung. Dieser Patienten- gruppe gebührt eine beson- dere Aufmerksamkeit. Prof. Grötz, einer der führenden Spezialisten auf diesem Ge- biet, sieht es als zwingend notwendig an, die unter- schiedlichen Risikoprofile der Betroffenen zu identi- fizieren, um eine angemes- sene orale Rehabilitation gewährleisten zu können. Entgegen der Lehrmeinung dervergangenenJahrzehnte spielt die Implantologie dabei eine wichtige Rolle. Georg Isbaner: Thema dieses Kongresses ist die „Implantologie zwischen Standard- und Extremfällen“. Herr Prof. Grötz, ich möchte Sie in diesem Zusammenhang zu ei- ner besonderen Patientengruppe befragen: den sogenannten Bis- phosphonat-Patienten, die aus zahnärztlicher Sicht einer geziel- ten Behandlung bedürfen. Was unterscheidet denn den Bisphos- phonat-vomnormalenPatienten? Prof. Dr. Dr. Grötz: Das ist tat- sächlich die Eingangsfrage,die ganz wichtig ist. Die Bisphosphonate sind eine Medikamentengruppe, die mittlerweile seit über 30 Jahren im klinischen Einsatz ist und in ih- rer Indikation nicht hinterfragt werden kann – auch in ihrer Janus- köpfigkeit. Auf der einen Seite sind sie bei bestimmten Erkrankungen Segen stiftend, auf der anderen Seite aber können sie auch Anlass für Kiefernekrosen sein. Das ist erst seit 2003 bekannt und in das Bewusstsein von Zahnärzten, Oral- und MKG-Chirurgen ge- treten. Was unterscheidet also den Bisphosphonat-PatientenvomNicht- Bisphosphonat-Patienten? Bisphosphonate beeinflussen den Knochen insofern, als dass sie sowohl den Abbau als auch den Knochenaufbau vermindern, aber so, dass der Knochenabbau stärker vermindert wird als der Aufbau. Das führt zu einer positiven Kno- chenbilanz, das heißt der Osteo- porose-Patient hat eine Stabilisie- rung seines Skelettes, onkologische Patienten mit Knochenmetastasen haben einen nachhaltigen Vorteil durch diese Stabilisierung. Aber, und das ist die andere Seite des Januskopfes: Durch diese Vermin- derung der knochenabbauenden Aspekte haben wir auch eine Re- duktion der Knochenneubildungs- rate und eine Verringerung des Bone Remodeling, also der eigent- lichen Umbaurate. Beides ist für den Kieferknochen von herausra- gender Bedeutung. Es kann auf dieser Basis in der Endstrecke zu einer Kiefernekrose kommen und deshalb unterscheiden sich diese PatientenvonNicht-Bisphosphonat- Patienten. WelcheKonsequenzhatdasfürdie zahnärztliche Behandlung? Nach all dem, was wir jetzt in den letzten zehn Jahren über die Problematik Kiefernekrose unter Bisphosphonat-Medikationen ge- lernt haben,ist es offensichtlich ganz selten die Bisphosphonat-Medika- tion alleine, die zu dem Eklat Kiefer- nekrose führt. Vielmehr ist es das Zusammentreffen von kontinuierlich vorhandener Infektion oder einer Keimeintrittspforte und der Bis- phosphonat-Medikation. Das bedeu- tet, wir müssen im Grunde zunächst einmal in der Mundhöhle das ma- chen, was jedem Patienten zugute kommt: Infektionen beseitigen, In- fektionen vermeiden. Das sind in ersterLiniedrei„Baustellen“:Erstens – die Parodontitis, also die entzünd- liche Zahnhalteapparaterkrankung, dabeiinsbesonderediemarginalePa- rodontitis. Die apikale Parodontitis, also das Geschehen um die Wurzel- spitze,spielt hier eine nachgeordnete Rolle. Zweitens – Prothesendruck- stellen, die dann Anlass geben, dass Keimeintrittspforten eröffnet sind, und als Drittes ist die „unkompli- zierte“ Zahnextraktion ohne plas- tische Deckung zu nennen. Dies sind die drei Hauptauslöser einer Kiefernekrose. Es gibt ja nicht nur den einen Bis- phosphonat-Patienten, sondern auch eine große Patientengruppe, die aufgrund unterschiedlicher onkologischerErkrankungenganz differenziert mit Bisphosphonat- Präparaten behandelt wird. Wie schlägt sich das dann bei der Therapie nieder? DasEntscheidendeistdabeitat- sächlich, dass diese Patienten ganz unterschiedliche Risikoprofile ha- ben, eine Kiefernekrose zu entwi- ckeln, und dass es schwierig und aufwendig ist – für den Zahnarzt, den Implantologen, den Oral- oder MKG-Chirurgen, dieses Risikopro- fil zu evaluieren. Es ist schon ange- sprochenworden:Unterschiedliche Patientenkollektive erhalten Bis- phosphonate: Osteoporose-Patien- ten, also mit einer nichtmalignen Grunderkrankung; onkologische Patienten, in erster Linie Mamma- und Prostatakarzinom-Erkrankte mit ossärer Metastasierung, aber auch das primäre maligne Gesche- hen innerhalb des knöchernen La- gers,also das multiple Myelom.Das verleitet so ein bisschen dazu, dass man denkt, es gibt zwei Gruppen: Osteoporose- und onkologische Patienten – leider falsch. Es gibt viele onkologische Patienten, die eine Hormontherapie erhalten und dieauf BasisdieserHormontherapie eine Osteoporose entwickeln und die deshalb dann eine osteoporose- bedingte Bisphosphonat-Medika- tion bekommen,aber letztlich auch Risikoaspekte des onkologischen Patienten mit einbringen. Dasheißt,dieRisikoprofilesind sehr sehr verschieden. Sie können durch ganz unterschiedliche Fak- toren beeinflusst sein: durch die Grunderkrankung, die Art des Bis- phosphonats, welches genommen wird, die Art der Applikation (oral oderintravenös),dieDauerderBis- phosphonat-Einnahme und durch weitere Aspekte. Deshalb müssen dieseAspekteleiderauchallebeider Risikoanalyse erfasst werden, was die interdisziplinäre Kommunika- tion zwischen den Bisphosphonat- Verordnenden auf der einen Seite und den Mundhöhlen-Betreuen- den auf der anderen Seite schwierig macht. Wie könnte die interdisziplinäre Kommunikation aussehen? Wir haben schon 2007 unter dem Dach der ASORS, also der Ar- beitsgemeinschaft Supportive Maß- nahmen in der Onkologie innerhalb derKrebsgesellschaft,einen Laufzettelentwickelt,deres den Bisphosphonat-Ver- ordnenden und auch dem Hauszahnarztleichtmacht, die wichtigen, das Risiko- profil beeinflussenden Fak- toren zu dokumentieren. Damit ist die Kommuni- kation hergestellt und der Patient als Bisphosphonat- Patient erkennbar, wenn er diesen Zettel bei sich trägt. Das erleichtert schon ein- mal die Einordnung in die für den jeweiligen Patien- ten notwendige Betreuung. Wichtig ist dabei auch zu wissen, dass das Ganze dy- namisch ist. Es gibt nicht nur mehrere Bisphospho- nate, die immer weiter ent- wickeltwerden,esgibtnoch eine weitere Medikamen- tengruppe, nämlich den monoklonalen Antikörper, Denosumab, Handelsna- me PROLIA® für Osteoporose-, XGEVA® für onkologische Patien- ten.DiesermonoklonaleAntikörper geht, das haben alle Zulassungsstu- dien gezeigt, mit dem gleichen Risi- kopotenzial für eine Kiefernekrose einher wie es auch von den Bisphos- phonaten bekannt ist. Das bedeutet, auch dieser Medikamentengruppe müssen wir Aufmerksamkeit wid- men, um die Patienten dann ent- sprechend evaluieren zu können. Niedriges, mittleres oder hohes Ri- siko – das sind näherungsweise Ein- ordnungskriterien. In Wirklichkeit ist das ein Kontinuum von ganz niedrigem bis zu sehr hohem Risiko, dasesproPatienteinzuschätzengilt. Wichtig scheint also die wirklich intensive Kommunikation zwi- schen Verordnendem, Patient, Zahnarzt, Oralchirurg, und dazu dann den von Ihnen angesproche- nen Laufzettel als erste Maß- nahme, um die Risikoprofile der jeweiligen Patienten überhaupt erst mal zu identifizieren. Jetzt wollenwirüberdasThemaThera- pie sprechen. Inwiefern hat sich denn die Implantologie für diese Patientengruppe etabliert? Wir haben im Rahmen der S3-Leitlinie, die mit relativ großem Aufwand etwas Notwendiges be- werkstelligt hat, nämlich einen Konsens in der Betreuung der Pa- tienten zwischen Bisphosphonat- Verordnenden und Zahnärzte- schaft/Mundhöhlen-Betreuenden herzustellen, eine Nomenklatur entwickelt: Wir differenzieren in der zeitlichen Abfolge Prophylaxe bei diesen Patienten vor Beginn einer Bisphosphonat-Therapie, Prävention lebenslang unter Bis- phosphonat-Therapie oder auch danach. Therapie haben wir nur als Begrifflichkeit für die manifeste „In Wirklichkeit ist das ein Kontinuum von ganz niedrigem bis zu sehr hohem Risiko, das es pro Patient einzuschätzen gilt.“ Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (links) im Gespräch mit Redakteur Georg Isbaner über den Umgang mit Bisphosphonat-Patienten. (Foto: OEMUS MEDIA AG) Interview als Video Was Sie bei Bisphosphonat-Patienten beachten sollten: Diagnose- und Therapiestrategien Am Rande des diesjährigen Ostseekongresses, den 6. Norddeutschen Implantologietagen am 7. und 8. Juni 2013 in Rostock-Warnemünde, traf Georg Isbaner, Redakteur des Oralchirurgie Journals, Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz aus Wiesbaden zum Interview.