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DTAU07+0813

Special News SPECIALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 7+8/2013 · 31. Juli 201320 Inden1980er-JahrenhieltderHand- schuh Einzug in die Zahnmedizin. AnlasswardiewachsendeInfektions- gefahr mit HIV/Aids und Hepatitis. DamalswurdenalleHandschuheaus Naturlatex (Natural Rubber Latex, NRL) hergestellt. Die Gefahren, die mit der Unwissenheit bezüglich der HerstellungvonNRLzusammenhin- gen,kamenerstinden1990er-Jahren ans Licht. In alarmierender Zahl tra- ten allergische Reaktionen bei medi- zinischemFachpersonalauf.Manche bekameneinelokaleKontaktallergie, doch vor allem fielen die wesentlich gefährlicheren sogenannten Typ-I- Reaktionen auf, die mit Symptomen wie tränenden Augen und Asthma- anfällen bis hin zum anaphylakti- schen Schock einhergehen. Beson- ders überraschend waren diese Pro- bleme im Nachhinein nicht: Heute wissen wir, dass Naturlatex mehr als zweihundert Proteine enthält, von denen dieWHO 14 alsAllergene ein- gestuft hat. Durch den Ausbruch der Latex- allergie und die daraus resultieren- den strengen neuen europäischen Normen für Latexhandschuhe für den medizinischen Sektor bemüh- tensichdieHerstellerinden1990er- Jahren um ein besseres Angebot an medizinischen Handschuhen. Die Produktionsanlagen für Latexhand- schuhe wurden erweitert,die Hand- schuhewurdenchloriertundeswur- den bessere Grundstoffe verwendet. Zudem wurden die synthetischen Alternativen Nitril und Vinyl ent- wickelt. Das medizinische Fachper- sonal stieg nach und nach auf diese Alternativprodukte um. Das Image von Latex als Grundstoff für Hand- schuhe ist seither mit einem Makel behaftet. Kontaktallergien (Typ IV) sind meist an einem Ausschlag rings um die Berührungsstelle zu erkennen (Abb.1):trockeneHaut,Juckreiz,rote Flecken,Bläschenetc.DieanderUni- versität Leuven (UZKU) arbeitende Expertin im Bereich Kontaktallergie, Prof. Dr. An Goossens, erklärt, dass durchHandschuheverursachteKon- taktekzemevorallemauf demHand- rücken auftreten, weil die Haut dort am dünnsten ist. Latexallergie Michiel Paping, Leiter des For- schungs- und Entwicklungsunter- nehmens BUDEV BV, bedauert, dass es Missverständnisse bezüglich der Latexallergie gibt. Er erläutert, dass man zwischen Typ-I- und Typ-IV- Reaktionen unterscheiden muss. „TypIisteineunmittelbareReak- tion auf die Allergene im Naturpro- dukt,TypIVeineverzögerteReaktion auf die Chemikalien, die im Pro- duktionsprozess eingesetzt werden. WennderzeitvoneinerLatexallergie, oder besser gesagt, einer Kautschuk- allergie die Rede ist, ist meist eine Typ-IV-Allergiegemeint.NeueTyp-I- Fälle kommen dank der Verbesse- rung der Qualität, der Produktions- prozesse und der Normen nämlich kaum mehr vor. Eine Typ-IV-Reak- tionkannmanjedochauchvonNitril oder Vinyl bekommen. Ich glaube sogar, dass die synthetischen Kaut- schukartenheutemehrKontaktaller- gien verursachen als NRL.“ Prof. Goossens bestätigt dies. „Nicht der unbearbeitete Rohkaut- schukistdieUrsachedesallergischen Kontaktekzems vom Typ IV, son- dern die Hilfsstoffe, die während der Herstellung hinzugefügt werden, wie Vulkanisierungsbeschleuniger, Weichmacher, Füllstoffe, Antioxi- danzien und Farbstoffe. Hilfsstoffe kommeninHandschuhenausNatur- undausSynthesekautschukgleicher- maßen vor.“ Nitrilhandschuhewurdenschnell zum meist verwendeten Hand- schuh, obwohl sie spürbar weniger Komfort bieten als Latex. „Latex schmiegt sich komplett an den Kör- per an, dehnt sich mit und fühlt sich dadurch wie eine zweite Haut an. Nitril ist im Vergleich dazu doch ein plastikartiges Material“, so M. Paping. Die kostengünstige AlternativeVinyl schneidet in punc- to Komfort und Elastizität noch schlechter ab und ist für die Zahn- medizin eigentlich nicht geeignet. Außerdem sind Kunststoffhand- schuhe durchlässiger für Chemika- lien,so Prof.Goossens. Wie die Verkaufszahlen zeigen, nahm das medizinische Fachper- sonal diese Nachteile in Kauf und war sich der Konsequenz seiner Ent- scheidung nicht hinreichend be- wusst. Der Verkauf von Latexhand- schuhen ging zugunsten von Nitril und in geringerem Maße auch Vinyl zurück. Die Diskussion um die Latexallergie verstummte und eine Zeitlang schien alles in Ordnung zu sein. Dünner und billiger Vor einigen Jahren kam eine Reihe wichtiger Veränderungen in Gang. Unter anderem durch das WirtschaftswachstumindenSchwel- lenländern und die Schweinegrippe stieg die Nachfrage nach medizini- schenHandschuhenunddieProduk- tion wurde massiv erhöht. Durch die Finanzkrise und den glimpflichen Verlauf der Schweinegrippe ent- standen jedoch Überkapazitäten – dieHerstellersuchtennachMöglich- keiten der Kosteneinsparung. Dies führte2010zurEinführungeinesfast 50 Prozent leichteren Nitrilhand- schuhs, meist als „Soft Nitril“ be- zeichnet. Gleichzeitig wurden die Pro- duktionsanlagen verkürzt und das sogenannte Vulkanisieren bei nied- rigeren Temperaturen durchgeführt, um Energiekosten zu sparen. Auch das Abtropfen wurde reduziert oder komplett eingespart. Händler äußern sich positiv überdieneueGenerationvonNitril- handschuhen,die wegen des dünne- ren Materials „mehr Tragekomfort“ bieten.Skeptiker sehen dies kritisch: „Es macht einen Unterschied für die Grundstoff- und Transportkosten, wenn man dünnere Handschuhe herstellt. Aber bei einem dermaßen dünnen Produkt und zur Vulkani- sierung bei niedrigeren Temperatu- ren braucht man unweigerlich zu- sätzliche und neue Chemikalien“, merkt M. Paping an. „Außerdem ist unvermeidlich, dass dünnere Handschuhe hinsichtlich Stabilität und Durchlässigkeit schlechter ab- schneiden.“ Zur Prüfung seiner Hypothese untersuchte BUDEV mehrere häufig verwendete Handschuhe. Nach der Laboruntersuchung wurden unheil- verkündende gelbe Flecken sichtbar (Abb. 2). „Vergessen Sie nicht, dass der Zahnarzt damit im Mund der Patienten arbeitet“,warnt M.Paping. Hautkontakt mit Acrylaten, die häufig in Füllungsmaterial vorkom- men, kann gesundheitsschädlich sein.In Tests,die BUDEV mit seinem eigenen Cleantexx–MPXX-Hand- schuh durchführte, wurde eine we- sentlich geringere Penetration, u. a. von Acrylat, beobachtet als bei der neuen Generation von Nitrilhand- schuhen. Und dies, obwohl Nitril ursprünglich angepriesen wurde, weilesdieHandgutvorChemikalien schützt. Die dünnere Ausführung macht diesenVorteil zunichte. Ein anderer Aspekt, bei dem der dickere Nitrilhandschuh früher besser abschnitt, ist das Verhalten von Abdruckmaterial beim Kontakt mit dem Handschuh. Verschiedene Lieferanten empfehlen die Verwen- dung von Nitrilhandschuhen, weil Latex die Aushärtung beeinträch- tigt. Die Untersuchung von BUDEV ergab, dass durch den Zusatz wei- terer Chemikalien die Vorteile der meistenNitrilhandschuhewegfielen und manche Latexhandschuhe bei der Aushärtung nun sogar besser abschneiden. Die Forschungsergebnisse von BUDEV werden durch neue Zahlen gestützt.„IndenletztenJahrenstellen wir fest, dass die Zahl der Kontakt- allergien gegen Kautschukadditive auch bei Nitrilhandschuhen merk- lich zunimmt“,so Prof.Goossens.Sie kann jedoch noch nicht mit Gewiss- heit sagen, worauf dieser Anstieg der Kontaktallergienzurückzuführenist. „Möglicherweise liegt es an einer höherenKonzentrationderzugesetz- ten Chemikalien oder am Vorhan- densein keimtötender Mittel, die durch die Okklusion im Handschuh zu Hautreizungen führen. Allergene Chemikalien können so leichter in dieHauteindringen,sodasseineSen- sibilisierung auftreten kann.“ Der Bericht Berufskrankheiten in Zahlen von 2011 besagt, dass die Zahl der Fälle mit „echter“ Latexal- lergie zwischen 2000 und 2010 von 31 auf vier Fälle pro Jahr zurückge- gangen ist. Im selben Bericht heißt es, dass bei latexfreien Handschuhen neben neuen Kontaktallergenen die Undichtigkeit doppelt so hoch ist (21,6 Prozent). Fazit: „Latexfreie Handschuhe sind kein Allheilmittel für die Haut.“ Dem steht gegen- über, dass Nitrosamine aus Latex- handschuhen möglicherweise ge- sundheitsgefährdend sind. Manche Latexhandschuhe werden übrigens nitrosaminfrei produziert. Das Comeback von Latex In der Zwischenzeit entwickelte man den Latexhandschuh weiter und dieProteine,dieeineLatexallergiever- ursachenkönnen,sindindenmeisten Ausführungen kaum noch enthalten und eine Typ-I-Kontaktallergie ist nahezu ausgeschlossen. Diese Ergeb- nisse in Kombination mit den benut- zerfreundlichen Eigenschaften von Latex zu Kosten,die auch nicht höher sind als bei Nitril, machen den Um- stieg auf Latexnochattraktiver. Prof.Goossenshältsichmiteiner Empfehlung in diese Richtung aller- dings zurück: „Derzeit ist eine defi- nitiveBeurteilungvonHandschuhen aus Naturlatex, aus dem bestimmte Proteine eliminiert wurden, noch nicht möglich, da keine ausreichen- denErfahrungenvorliegen.“DieZeit wird zeigen, ob die neue Generation von Latexhandschuhen das Problem tatsächlich lösen kann, aber die Zei- chen stehen gut. Bewusstsein schaffen Die Verbreitung neutraler Infor- mationenistdiesbezüglichsehrwich- tig.DieseAufgabekönntendieBerufs- verbändeübernehmen.Prof.Goossens empfiehlt, so weit wie möglich auf No-Touch-TechnikenwiedieAnbrin- gung von Abdruckmaterial mit einer Sprühpistolezurückzugreifen. M.PapinghälteingenerellesUm- denken für erforderlich.„In der Aus- bildungwirdderNitrilhandschuhals DER Handschuh präsentiert. In der Praxisarbeitetdaszahnmedizinische Fachpersonal dann aus Gewohnheit mit demselben Handschuh.“ „In Europa dürfen nur Hand- schuhe verkauft werden, die eine CE-Kennzeichnung haben. Diese Kennzeichnung darf bei Handschu- hen für medizinische Zwecke jedoch aufderGrundlageeinerSelbstbewer- tung angebracht werden. Diese Pra- xis ist natürlich fragwürdig.Auch die Empfehlungen unabhängiger Stellen sind nicht per se vertrauenswürdig“, so M.Paping. Am besten ist es, selbst Tester- gebnissezustudierenundbeimLiefe- ranten nachzufragen. Was wäre der ideale Handschuh? „Wichtig ist eine möglichst ge- ringe Durchlässigkeit gegenüber Produkten, mit denen man in Be- rührung kommt, wie Acrylate und Methacrylate. Außerdem muss der Handschuh flexibel sein und bleiben und so wenig sensibilisierend wir- ken wie möglich“, so Prof. Goossens. M. Paping schwebt ein Handschuh vor, der den Komfort von Latex mit Allergenfreiheit kombiniert und zu- dem pulverfrei ist. „Pulver beein- trächtigt nämlich die Wundheilung und kann über die Haut oder die AtemwegeAllergene übertragen.“ Erstveröffentlichung(ungekürzt):DTNederland7/12 BUDEV BV Tel.: +31 20 303 5071 www.mpxx.com HenryScheinDentalAustriaGmbH Tel.: +43 5 9992-0 www.henryschein-dental.at ST 2 Abb. 1: Typischer Fall einer Typ-IV-Kontaktallergie bei einer jungen Krankenschwester. DieAllergieentstanddurchdasTragenvonLatexhandschuhen,verschlimmertesichjedoch noch, als ihr eine synthetische Alternative angeboten wurde. Die Frau musste inzwischen ihren Beruf als Krankenschwester aufgeben. – Abb. 2: Einer der derzeit meistgekauften Nitrilhandschuhe im zahnmedizinischen Bereich. Die gelben Flecken sind Chemikalien- rückstände,die durch intensivesTragen der Handschuhe nach außen treten. 1 Was schützen soll, kann krank machen: Latex & Co. auf dem Prüfstand Kontaktallergie durch Handschuhe wird ein immer größeres Problem. Von Ben Adriaanse, Dental Tribune Nederland.