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Dental Tribune Austrian Edition

DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2013 · 5. Juni 2013 International Science 5 •Kind auf dem Schoß der Eltern •Kind auf dem Schoß der Eltern auf einem normalen Stuhl, der so ge- stellt wird, dass die Behandlungs- leuchte noch den Mund erreicht •Knie-zu-Knie-Position •Kind sitzt im 90-Grad-Winkel auf dem Behandlungsstuhl, sodass die Beine nach unten hängen •Kind auf eine Decke auf den Fuß- boden legen Der Fantasie des Behandlers sind hierkeineGrenzengesetzt,häufigge- ben uns die Patienten auch die Posi- tion vor, die sie zu akzeptieren bereit sind. Keine Reizüberflutung Mit Geräuschen sollte man vor- sichtig sein, da sie oft als Rauschen gehört oder als Schmerz wahr- genommen werden. Eventuell sollte man das Kind oder die Eltern die Ohren zuhalten lassen, dies ist gut kombinierbar mit der Ball-Technik. EsgibtjedochauchKinder,beidenen zum Beispiel Musik besonders hilf- reich sein kann. Fallbeispiel Lea Lea ist vier Jahre alt,hat Trisomie 21 und Autismus. Die Mutter erzählt uns vor der Behandlung, dass Lea gern Musik hört und tanzt. Sie wei- gert sich zunächst, auf dem Behand- lungsstuhlPlatzzunehmen,wehrtab und weint. Im Hintergrund startet die Helferin eine CD mit Kinderlie- dern. Sobald Lea die Musik hört, schaut sie ganz aufmerksam hoch. Die Mutter fängt zudem noch an, ihr denBauchzustreicheln.Leaberuhigt sich innerhalb weniger Sekunden und setzt sich lieb auf den Behand- lungsstuhl. Körperkontakt Autistische Kinder akzeptieren Körperkontakt oft nur schwer oder gar nicht. Wir haben jedoch die Er- fahrung gemacht, dass Körperkon- takt bei der zahnärztlichen Behand- lung auch oder gerade bei autisti- schen Kindern sehr wichtig ist. Eine entscheidende Rolle scheint hierbei zu spielen, wer den Körper- kontakt aufnimmt und auf welche Weise dies geschieht. Nach unseren Erfahrungen wird der Körperkon- takt vernünftigerweise durch die Eltern hergestellt. Die Eltern kennen ihre Kinder am besten und wissen, was sie mögen und akzeptieren und was nicht. Wenn Körperkontakt vom Kind abgelehnt wird,sollte man ihn natürlich nicht zwanghaft ein- nehmen. Man sollte die Kinder berühren, umihreAufmerksamkeitzuerlangen. Oft ist ein„Halten“ auch notwendig, um unkontrollierte Bewegungen zu kontrollieren und Verletzungsgefahr für Kind und Team zu verringern oder zu vermeiden. Auch das „Wie“ der Berührung ist sicherlich ent- scheidend. So beschreibt Temple Grandin,8 dass Autisten in der Regel Druck mögen. Ein Halten oder Be- rührenderKindermiteinemleichten Druck ist daher meistens möglich. In Ausnahmefällen kann aber auch einmal Streicheln das Richtige sein. Wichtig ist hier immer, die Eltern zu befragen oder mit in die Behandlung einzubeziehen. Fallbeispiel Mahmut (Fallbeispiel aus der Kinderzahnarzt- praxis S.und J.Rienhoff 6) Mahmut,achtJahre,hatüberden Autismus hinaus auch eine geistige Behinderung und zeigt viele un- kontrollierte Bewegungen, vor allem derHände.SokamesamAnfangvor, dass er uns spitze Instrumente aus der Hand geschlagen hat.Um dies zu verhindern, haben wir uns mit dem Vater gemeinsam eine abgewandelte Ball-Technik überlegt. Der Vater nimmt hierzu die Hände des Kindes und legt sie mit den Handrücken an die Schläfen, sodass die Finger nach vorn zeigen und die Handgelenke die Ohren verdecken. Darüber legt der Vater seine eigenen Hände. Dadurch werden die Hände des Kindes gehal- ten, unkontrollierte Bewegungen sind nicht mehr möglich, und es kommt zusätzlich zu einem beruhi- genden Schläfengriff. Außerdem hat derVater auch noch die Möglichkeit, dabei die Ohren mit verschlossen zu halten, um laute Geräusche abzuhal- ten. Auf diese Art und Weise kann Mahmut gut behandelt werden. Sprache Wichtig ist es, das Kind mit sei- nem Namen anzusprechen, oft rea- giert es nicht auf „Du“, evt. sollte es sogar in der dritten Person angeredet werden. Weiterhin sollte man auch beachten, in einfachen Sätzen zu sprechen. Sarkasmus, Witze, Meta- phern und Redewendungen sollten vermieden werden, und man sollte das Kind nicht necken, da es alles wörtlich nimmt.3 Behandler und Assistenz sollten möglichst nicht gemeinsam reden, sondern immer nur einer. Die typi- schen Doppelinduktionstechniken und Konfusionstechniken sollte man bessernichtanwenden,dadieKinder die Stimmen nicht filtern können. Gut möglich ist es dagegen, „im Chor“ zu reden, indem z.B. Helferin und Zahnarzt gemeinsam im glei- chen„Singsang“ zählen. Allgemein sollten klare deutliche AnweisungengegebenunddieWahr- heit gesagt werden.3 Kinder mit Autismus mögen häufig Zahlen oder Buchstaben, daraus kann man bei der Behandlung ein Spiel machen. So können die kleinen Patienten bspw. aufgefordert werden, Buchsta- benindieLuftzumalenoderZahlen- folgen zu wiederholen. Interessant ist es z.B., immer wieder im Chor bis drei zu zählen. Dies kommt der von Autisten gern selbst verwendeten Echolalieentgegen.5 BeiderEcholalie werden Sätze, Wörter oder Geräu- sche immer wieder wiederholt.3 Hierzu können auch einfache Wort- folgen oder immer das gleiche Wort benutzt werden wie„putzen, putzen, putzen …“. Nach Möglichkeit sollte man keine abstrakten Fantasiege- schichten erzählen, da die meisten Kinder sie aufgrund mangelhafter Vorstellungskraft meist nicht verste- hen können. Stereotype Bewegungen Diese wiederkehrenden Bewe- gungsmuster können, wie Tito Mu- kopadhyay7 berichtet, von Kindern mit Autismus zum Stressabbau verwendet werden. Eltern können diese Bewegungsmuster durch ein „Halten“ sanft unterbinden.Sie kön- nen im Behandlungsraum allerdings auch als bewusste Pausenzeit einge- baut oder während der Behandlung auch genutzt werden, um den Stress der Kinder zu reduzieren. Fallbeispiel Can Der achtjährige Can zeigt viele unkontrollierteundstereotypeBewe- gungen. Wir wollten zunächst ledig- lich eine Untersuchung der Zähne vornehmen, was er aus früheren Be- suchen schon kannte. Immer wieder hat er uns die Instrumente durch seine Bewegungen aus der Hand ge- schlagen und hatte kurze aggressive Episoden.AucheinHaltenderHände durchdenVaterhattekeinerleiErfolg. Wir haben Can dann etwa zehn bis 15 Minuten mit einer Helferin und dem Vater im Behandlungszimmer gelassen. In dieser Zeit hat er sich auf den Zahnarztdrehstuhl gesetzt und sich darauf die ganze Zeit im Kreis gedreht. Durch diese Zeit, in der er sich seinen stereotypen Bewegungen hingeben konnte,hat er sich offenbar so entspannt, dass die zahnärztliche Untersuchung danach problemlos möglich war. Es wurde dabei festge- stellt,dasseinentzündeterMilchzahn extrahiert werden musste. Aufgrund der starken Bewegungen haben wir uns mit den Eltern gemeinsam dafür entschieden, die Extraktion durch eine Dormicumsedierung zu unter- stützen.Durch das Dormicum waren seine unkontrollierten Bewegungen auch etwas abgemildert. Bei der Be- handlunghabenwirvorallemmitder Zähltechnik gearbeitet. Die Mutter hat immer, wenn behandelt wurde, den Kopf in der Ball-Technik ge- halten. Sobald Behandlungspausen waren, durfte er sich hinsetzen und seinen Stereotypien nachkommen. Bei der Injektion und Extraktion hat die Helferin seine Hand gehalten und Hand und Unterarm leicht hin- und hergeschaukelt.Diese kleine Bewegung kam seinem natürlichen Bewegungs- muster sehr entgegen und hat ihn erheblich beruhigt. Mit diesen, vor allem nonverbalen Hypnosetechniken konntederZahnsehreinfachentfernt und so eine Behandlung in Narkose vermieden werden. Fazit Zusammenfassend kann man sagen, dass autistische Kinder gut in der zahnärztlichen Praxis behandelt werden können, wenn man kreativ an die Behandlung herangeht und sich als Behandler vorher Gedanken über die Welt der Kinder macht. Man muss sich vorher klar machen, was die Kinder verstehen können und was eben auch gerade nicht. Sehr wichtig ist es, die Eltern in die Behandlung mit einzubeziehen und vorher zu befragen,welcheVorlieben und auchAbneigungen das Kind hat. Die Eltern sind meistens die besten Therapeuten. Sehr bedeutend ist es auch,dieKindersehrgutvorzuberei- ten, sodass sie wissen, was auf sie zu- kommt. Die Eltern sollten auch auf jedenFallermuntertwerden,sehrre- gelmäßig mit dem Kind in die Praxis zu kommen, damit der Zahnarztbe- such an sich auch zu einer Routine für das Kind wird. Unserer Erfahrung nach läuft es von Besuch zu Be- suchimmerbesser. Zuletzt noch die Antworten auf die oben gestellten Fragen in Kurzform: •Körperkontakt problematisch ’ Grifftechniken Eltern •unerwartete Bewegungen ’ Kind halten (lassen) •anderes Schmerzempfinden ’ ruhiger Raum,Ohren zuhalten •Anweisungen verstanden? ’ evtl.mehrfach nachfragen •Veränderungen problematisch ’ Rituale schaffen •keine Fantasie ’ Wiederholungen,zählen •leicht aufbrechendeAngst ’ möglichst viel vorbereiten Ersterscheinung:ZWPZahnarztWirtschaftPraxis6/12 DT Kinderzahnarztpraxis Dr.SabineRienhoff Dr.JanRienhoff Hunaeusstraße 6 30177 Hannover, Deutschland Tel.: +49 511 628197 kontakt@magic-dental.de www.magic-dental.de Infos zum Autor Kontakt Aktuell, übersichtlich, crossmedial. VV Video Guided Tour ZWP online QR-Code einfach mit demSmartphonescannen (z. B. mit dem Reader Quick Scan) ANZEIGE Literaturliste