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Dental Tribune Austrian Edition

International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2013 · 5. Juni 20134 Der Begriff Autismus kommt aus dem Griechischen von („selbst“), man kann es am besten mit Selbst- bezogenheit übersetzen. Die WHO bezeichnet Autismus als tief grei- fende Entwicklungsstörung.1 Die Definition ändert sich laufend, und man spricht heute eher von einem Autismusspektrum aus atypischem Autismus, Autismus und Asperger- Syndrom. Entscheidend bei dieser Einteilung ist, wie schwer eine even- tuellegeistigeBehinderungist.Dabei geht auf der einen Seite der atypische Autismus einher mit schwerer geis- tiger Behinderung und auf der ande- ren Seite das Asperger-Syndrom mit weitgehend normaler oder sogar hoher Intelligenz.2 Diese verschiedenen Formen sind oftmals schwierig gegenei- nander abzugrenzen. „Autismus ist keine fest umrissene Störung wie z.B. Masern“3 und bleibt in der Regel das ganze Leben lang bestehen. „Es gibt aber auch Kinder, die nur in der frühen Kindheit autistische Ver- haltensweisen zeigen, die aber in der weiteren Entwicklung verschwin- den.“3 Jedes Kind ist dabei anders. Prävalenz und Geschlechtsverteilung Die Prävalenz lag bei früheren Untersuchungen bei circa 0,04 bis 0,05 Prozent,3 in neueren Untersu- chungenallerdingsbeibiszu1,16Pro- zent.4 Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen, man findet Zahlen von 4:13 bis 10:1.5 Symptome Die Symptome beim Autismus sind sehr vielfältig und bei jedem unterschiedlich ausgeprägt. Die drei wichtigsten sind: 1.abweichendes Sozialverhalten 2.gestörte Kommunikation 3.rigide,zwanghafteVerhaltensmuster5 Kinderzahnheilkunde In Bezug auf die Symptome ergeben sich für die Behandlung in Hypnose einige Probleme: • Körperkontakt problematisch ’ Grifftechniken schwierig • unerwartete Bewegungen ’ Verletzungsrisiko • anderes Schmerzempfinden ’ Geräuschempfindlichkeit • Anweisungen verstanden? ’ Unsicherheit für Behandler • Veränderungen problematisch ’ möglicheAggressionen •keine Fantasie ’ Erzählungen schwierig •leicht aufbrechendeAngst ’ plötzlicheAffektausbrüche Im Folgenden sollen Lösungs- ansätze aufgezeigt werden, wie diese KindertrotzallerWidrigkeiteninder zahnärztlichen Praxis mit Hypnose behandelt werden können. Kinderzahnärztliche Behandlung Wie auch bei gesunden Kindern ist hier ganz besonders zu beachten, dass die autistischen Patienten sehr unterschiedlich sind. Maßnahmen, die bei einem Kind funktionieren, müssenbeimnächstennichtzwangs- läufig auch hilfreich sein. Wichtig ist hier ein unkonventionelles Denken undkreativesAusprobierenverschie- dener Ideen.3 Vorbereitung der Erstbehandlung zu Hause Da neue Dinge oftmals Angst machen, sollten die Eltern ihr Kind vorher zu Hause gut auf den Zahn- arztbesuch vorbereiten, damit es weiß, was es erwartet. Sehr hilfreich kann es sein, vorher Fotos von der Praxis und dem Team zu zeigen.Dies kannz.B.erfolgen,indemdieWebsite der Praxis im Internet gemeinsam angeschaut wird.Die Eltern könnten auch vorher in die Praxis kommen und selbst Fotos von Räumen und Team machen. Auch kann vorher zu Hause, wenn vorhanden, schon der Mundspiegel gezeigt werden. Vorbereitung der jeweils nächsten Behandlung Beim Erstbesuch kann schon in der Zahnarztpraxis die Vorbereitung auf den nächsten Besuch erfolgen. Die erforderlichen Behandlungs- schrittefürdennächstenBesuchkön- nen z.B. am Finger oder am Modell geübt werden (Tell–Show–Do-Tech- nik). Dadurch lassen sich Ängste vor Unbekanntem deutlich reduzieren. Zu Hause muss dann unbedingt weitergeübt werden, wenn klar ist, was beim nächsten Besuch gemacht werden soll. So können z.B. folgende Dinge zu Hause trainiert werden: •Abdrucklöffel anprobieren •Röntgenfilme oder Watterollen in den Mund nehmen •mit dem Spiegel in den Mund schauen •Eltern praktizieren Grifftechniken Fallbeispiel Leon Leonistfünf Jahrealtundhatein Asperger-Syndrom.Er ist sehr ängst- lich,besonders neuen Dingen gegen- über und außerdem extrem geräusch- empfindlich. Beim ersten Besuch wird der Befund aufgenommen. Leon knirscht sehr stark und hat sich bereitseinenMilchfrontzahnsostark abgeknirscht, dass die mesiale Ecke abgebrochenist.Erhatansonstenein kariesfreies Gebiss. Die Befundauf- nahme geht prima. Danach zeigen wirihmdenAbdrucklöffel,umeinen Abdruck für eine Knirscherschiene zu nehmen. Er schaut ihn sich an, nimmt ihn auch in die Hand. Nach Aufforderung nimmt er ihn auch ein Stück in den Mund,fängt aber plötz- lich an zu weinen.Er bekommt einen Löffel mit nach Hause und erhält die Hausaufgabe, den Löffel in den Mund zu nehmen. Wir demonstrie- ren ihm auch noch dieAbformmasse auf derHanddesBehandlers,ertraut sich aber nicht, die Abformmasse zu berühren. Die ausgehärtete Ab- formmasse bekommt seine Mutter ebenfalls mit nach Hause, mit dem Auftrag, Leon solle sie zu Hause be- rühren. Eine Woche später folgt der zweite Besuch. Leon demonstriert gleich mit seiner Mutter zusammen, wie gut er geübt hat. Der Abformlöf- fel wird sofort in den Mund genom- men. Wir können die Abformmasse darauf geben, und die Mutter darf den Löffel mit Abformmasse in den Mund schieben. Die Hand der Mut- ter wird vom Behandler etwas korri- giert, damit der Löffel richtig plat- ziert ist. Wichtig ist hierbei, dass die Mutter als Co-Therapeut eingesetzt wird und das Kind eine Vertrauens- person in einer wichtigen Rolle hat. Es tritt ein leichter Würgereiz auf. Dieser wird durch entsprechende Grifftechnik (Scheitelgriff und KG 24) sofort behoben. Außerdem fangen Behandler und Helferin mit einer einfachen Zähltechnik an: „Eins, zwei, drei, vier, fünf …“ Danach er- folgtdieVorbereitungaufdienächste Behandlungssitzung. Beim nächsten Mal soll die abgebrochene Ecke am Schneidezahn mit einem Frasaco- Käppchen wieder aufgebaut werden. Der Vorgang mit Bürste, Ätzgel etc. wird am Finger des Kindes demon- striert. Er schaut sich alles ruhig an, fängt aber beim Sauger wieder ganz plötzlich an zu weinen. In der dritten Sitzung wird die Knirscherschiene problemlos einge- setzt. Nach guter Vorbereitung vom letzten Mal kann auch das Frasaco- Käppchen eingegliedert werden. Da- bei setzen wir die Mutter hinter den Kopf des Kindes und bitten sie, den Kopf in der Ball-Technik zu halten. DaLeoneineVorliebefürBuchstaben hat, erzeugen wir eine Trance, indem wir ihn Buchstaben in die Luft zeich- nenlassen.Dabeimusserständigan- geleitetwerden,umweiterzumachen. Der laute Sauger kommt in dieser Behandlung nicht zum Einsatz.Was- ser wird mit Watterollen aufgesaugt. Schließlich muss der Zahn nur noch poliert werden. Der Einsatz des Fi- nierdiamanten am Finger ist kein Problem, am Zahn fängt Leon aber sofortanzuweinen.DasGeräuschist offensichtlich zu laut und bereitet ihm regelrecht Schmerzen. Ein Zu- halten der Ohren ist nicht ausrei- chend. Wir steigen auf Polierschei- ben um und erzählen ihm in leiser Flüstersprache, dass die bunten „Glattmacher“ ganz leise sind. Dies wird akzeptiert und der Zahn kann poliert werden. Rituale schaffen Gerade bei autistischen Kindern ist es wichtig, Rituale und Routinen zu schaffen. Das Kind sollte, wenn möglich,immerimgleichenZimmer behandeltwerden,essollteimmerdie gleiche Helferin assistieren, das glei- che Spielzeug dabei sein und wenn möglichsolltedasTeamsogargleiche Kleidung tragen. Behandlungsplätze oder -positionen Manche Kinder haben Angst, sich auf den zahnärztlichen Behand- lungsstuhl zu setzen. Hier sollte man, noch mehr als bei gesunden Kindern, auch sehr kreative Be- handlungspositionen akzeptieren. Beispiele hierfür sind: BesondereBehandlungswegebeiKindernmitAutismus Autismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung, die in den ersten drei Lebensjahren beginnt. Die Symptome werden in der sozialen Umgebung mit Mitmenschen, in der Kommunikation und im Verhalten deutlich. Um eine effektive kinderzahnärztliche Behandlung zu erreichen, müssen daher besondere Behandlungswege eingeschlagen werden. Von Dr. Sabine Rienhoff, Hannover, Deutschland.