Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Dental Tribune Austrian Edition

Practice PERIOTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 6/2013 · 5. Juni 201320 Welche Methoden und Technologien zur Depuration von Wurzeloberflä- chen kennen Sie? Welche Geräte ha- benSiedafürinderPraxis–wissenSie, wasdiekönnen?ArbeitenSieeffizient? Auf Grundlage der derzeit besten Evi- denz zu den abgesicherten und neuen Methoden der Depuration erfolgt eine Beurteilung betreffend klinische LangzeitparameterundEffizienz. Parodontitis wird nicht durch Zahnstein ausgelöst! Es handelt sich vielmehr um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem neben pathoge- nen Mikroorganismen Faktoren wie genetischePrädisposition,zusätzliche Erkrankungen (Diabetes!) und per- sönlicheVerhaltensmuster (Rauchen, Stress, Mundhygienegewohnheiten, Diät) die entzündliche Immunant- wort desWirts modulieren. Eine multidirektionale Parodon- titistherapieberücksichtigtdaheralle genannten Risikofaktoren. Für das zahnärztlicheTeamamunmittelbars- ten zu beeinflussen sind die Mund- hygieneunddiebakterielleBesiedlung der parodontalen Taschen. „Ursachengerichtete Parodontal- therapie“ ist dafür die unabdingbare Basis. Sie zielt auf den funktionellen Langzeiterhalt der eigenen Zähne und stellt den zu Unrecht oft wenig ernst genommenen und dennoch wichtigsten Teil der Parodontitis- therapiedar.UnterBedachtaufSubs- tanzschonung werden „geschlossen“ (d.h. ohne chirurgischen Eingriff) die in Biofilmen organisierten Mi- kroorganismen im Mund, in den Taschen und auf den Wurzelober- flächen auf ein für die individuelle Wirtsabwehr tolerierbares Maß re- duziert. Begleitende Maßnahmen (Motivation,Instruktion,Extraktion von „Zahnruinen“, endodontische Maßnahmen, Füllungskorrektur, Ka- riessanierung)helfen,erneutePlaque- anlagerung zu verhindern. DiealleinigesupragingivaleReini- gungistnichtausreichend–wohlaber unbedingt notwendig, um den sub- gingivalen Biofilm dauerhaft auch zu HauseunterKontrollezuhalten. Durch subgingivale Instrumen- tation und mechanische Zerreißung des Biofilms kommt es zu einer (vo- rübergehenden) Veränderung der mikrobiellenFlora.Spülungen–mit welcher Chemikalie auch immer – habeneinezukurzeKontaktzeitund zu geringe Eindringtiefe und sind dafür nicht geeignet. Potenziell gewebsinvasive Mikroorganismen (A.a., P.g.) können durch alleinige mechanische Therapie oft nicht era- diziert werden, was möglicherweise nach der Depuration eine zusätzli- che Antibiose erfordert. Aus intra- oralen Reservoiren (Zungengrund, Tonsillen,Pseudotaschen,unbehan- delten Stellen) kann es innerhalb weniger Wochen zur Wiederbe- siedlung der behandelten Taschen kommen. Daher ist eine unterstüt- zende Langzeitbetreuung (Recall) im Sinne einer Tertiärprophylaxe unbedingt nötig. Zahnerhalt ist ein nur langfristig überprüfbarer Faktor, zur Erfolgs- kontrolle der Therapie werden daher klinische Parameter herangezogen, die rascher sichtbar sind. Bereits acht bis zwölf Wochen nach der sub- gingivalen Depuration sollten deut- liche Verbesserungen messbar sein, auchwenndiekompletteAusheilung bis zu zwölf Monaten betragen kann. Erfolgsparameter • Reduktion der Sondierungstiefen (ST) unter 4 mm.Als Faustregel für einwurzelige Zähne gilt: ST nach Therapie ist die Hälfte der alten ST plus 1 mm (z.B.: ST alt = 6 mm, STneu=6/2+1=4mm).Darauser- gibtsich,dassbeisehrtiefenTaschen im Anschluss an das geschlossene Vorgehen eventuell noch eine chi- rurgische Intervention nötig ist. • Attachmentgewinn (AL): Die Ver- ringerung der anfänglichen Son- dierungstiefe kommt sowohl durch Schrumpfung (Rezession) des Ge- webes als auch durch „New-“ und „Re-Attachment“ an der Basis der Tasche zustande. Achtung: Instru- mentationvonnormalenSulciführt zuAttachmentverlust! • Abwesenheit von Blutung auf Son- dieren (BoP) als Parameter mit großer negativer Voraussagekraft: Stellen, die im Recall nie bluten, haben ein geringes Risiko für zu- künftigenAttachmentverlust. Bei geschlossenem Vorgehen ist eine komplette Belagsentfernung nicht möglich: Abhängig von der Erfahrung des Behandlers, ST und Zahnmorphologie bleiben 20 bis 40ProzentdesKonkrementszurück, inTaschenab6mmsogarmehr.Eine „ganz saubere“ Wurzeloberfläche wäre nur bei kompletter Zement- entfernung und Ausdünnung des Dentins (Bakterien sind auch in Dentintubuli nachweisbar) unter Sicht zu erreichen. Ein derart über- mäßiger Substanzabtrag muss je- doch vermieden werden. Denn die Eröffnung von Dentinkanälchen führt zur Empfindlichkeit und er- höhtem Risiko für Wurzelkaries. Unabhängig von der Technik stellen Approximalräume,Furkationen,die Schmelz-Zement-Grenze und mehr- wurzelige Zähne zusätzliche Pro- blemstellen dar. Trotz dieser anatomischen Be- schränkungen bringt die subgin- givale Depuration – in mehreren systematischen Übersichtsarbeiten nachgewiesen – deutlichen Attach- mentgewinn und Reduktion der ST gegenüber der alleinigen supragingi- valen Reinigung. Dies macht deut- lich, dass es um die Veränderung der Mikroflora und nicht primär um die Zahnsteinentfernung geht. Depurationstechniken Handinstrumente Als „Goldstandard“ zur Zahn- steinentfernung werden seit mehr als 1.000Jahren(AbuI-Qasim,Córdoba, 10. Jahrhundert) erfolgreich Hand- instrumente angewandt. Bei Beherr- schung der schwierig zu erlernenden subgingivalen Technik sind Ergeb- nisse zu erzielen, an denen sich alle anderen Verfahren messen lassen müssen. Und auch hier kommen interessante neuere Entwicklungen (kürzere Arbeitsenden, neue Konfi- gurationen) auf den Markt. Der Nachteil besteht in der aufwendigen Instrumentenaufbereitung (regel- mäßigesSchärfenundSchleifen),der komplexen Technik und der Gefahr übermäßigen Substanzabtrags. Schall und Ultraschall (magnetostriktiv,piezoelektrisch,Vector®) Welche Technologie verwendet wird, hängt vom Praxissetting ab (mobiles Gerät oder direkt an der Einheit angeschlossen, Zusatzfunk- tionen wie Endodontie, Kavitäten- präparation, sterile Kühlmittelfüh- rung). Auf das Endresultat (ST, AL, BoP) bezogen, werden heute die Depuration mit Handinstrumenten und (Ultra-)Schall als gleichwertig betrachtet. Der Zusatz von Anti- septika zur Kühlung/Spülung ergibt keinen zusätzlichen Langzeiteffekt und ist daher nicht nötig. Der Effekt der Kavitation, oft ein Verkaufsargument, ist physikalisch nur bei Ultraschall möglich, stark abhängigvonderInsertdicke,bislang nur in vitro nachgewiesen und nicht voraussagbar. Bei Nichtbeachtung derrelevantenArbeitsparameter(An- stellwinkel des Inserts,Anpressdruck, Amplitude) ist auch bei (Ultra-) Schall eine schwere Schädigung von Wurzeloberflächen, Restaurationen und Pulpen möglich. Vorteile von (Ultra-)Schall sind die um bis zu 40%ige Zeitersparnis, die bessere Zugänglichkeit im Furka- tionsbereich sowie die leichter er- lernbare Technik. Größter Nachteil: Aerosolbildung (cave: infektiöse Pa- tienten!).Durchunmittelbarvoraus- gehende Spülung mit Chlorhexidin (15ml 0,12 Prozent oder 10ml 0,2 Prozent für eine Minute) kann die bakterielle Belastung jedoch deutlich minimiert werden. PhotodynamischeTherapie (PDT) Die lichtinduzierte Zytotoxizität eines Farbstoffs soll antimikrobielle Effekte in der Tasche bewirken. Ob- wohl diese in vitro sehr ausgeprägt sind,istderEinflussaufdieMikrobiota invivowenigerdeutlich.AlsMonothe- rapie ist die PDT gänzlich ungeeignet. Auch längerfristig (> sechs Monate) wurden zusätzlich zur Depuration gegenüber der rein mechanischen Therapie klinisch keine besseren Ef- fekte nachgewiesen. Nachteil ist der beträchtliche zusätzliche Zeitaufwand vonca.60Sekunden/Tasche. Glycin PowderAir Polishing (GPAP) Die seit vielen Jahren etablierte Pulverstrahltechnik wurde durch Entwicklung eines niedrigabrasiven wasserlöslichen Pulvers auf Glyzin- basis und Verwendung eines neuar- tigen Ansatzes auf den subgingivalen Einsatz im Recall ausgedehnt. Bei hohen ST ist die Datenlage bislang noch dünn. Im Recall hat sich GPAP als der (Ultra-)Schallbehandlung gleichwertig erwiesen und wird von Patienten als angenehmer empfun- den. Es ist nicht zur Konkrement- entfernung in der Basistherapie ge- eignet, die Zeitersparnis im Recall (30SekundenproStelleversus1,4Mi- nuten) ist beträchtlich. Vorsicht: Bei unsachgemäßer Anwendung sind Luftemphyseme möglich! Laser Grundsätzlich eignet sich für die Depuration in der Initialtherapie nur derEr:YAG-Laser.Erbesitzthämosta- tische und bakterizide Effekte sowie die Möglichkeit selektiver Konkre- mententfernung. Drei aktuelle syste- matischeÜbersichtsarbeitenkonnten in Studien mit bis zu zweijähriger Dauer jedoch keinen klinischen Vor- teil gegenüber der herkömmlichen Therapie feststellen. Auch der Ein- flussauf dieMikrobiotawarnichtsig- nifikant verschieden. Vorteil dieses modernen Marketing-Tools ist die kürzere Behandlungszeit, der aller- dingssehrhoheKostengegenüberste- hen.AuchdienötigeAusbildung,Ein- richtung eines Laserarbeitsplatzes so- wie die potenzielle Gefahr für die an- deren Hartgewebe sollten beachtet werden. Fazit Am wichtigsten ist die Entfer- nung des subgingivalen Biofilms. Der Erfolg zeigt sich primär klinisch durch Verringerung der Sondie- rungstiefen,GewinnvonAttachment und Reduktion der Blutung, lang- fristig im funktionellen Zahnerhalt. ZusätzlicheParametersinddieScho- nung von Zahnhartsubstanz und die Berücksichtigung von Patienten- wünschen. Besonders im Recall sind minimalinvasive Methoden zur Bio- filmentfernung zu bevorzugen. Der Einsatz von (Ultra-)Schall- geräten ergänzt bzw. ersetzt bei gleichwertigenErgebnissenunddeut- licher Zeitersparnis die klassische Handinstrumentation. Zukunfts- potenzial weisen PDT, GPAP und Laser auf. PT Dr.CorinnaBruckmann,MSc c/o BGZMKWien ZahnerhaltungundParodontologie Sensengasse 2a 1090Wien,Österreich Tel.: +43 1 40070-4785 corinna.bruckmann@ meduniwien.ac.at www.paroknowledge.at Kontakt Infos zum Autor 3 Abb.2: Vor der Therapie: deutliche livideVerfärbung und Schwellung der Gingiva (ST bis 8 mm mit BoP). – Abb.3: Nach der Thera- pie: blande Verhältnisse, ST bis 4 mm, kein BoP, deutliche Rezessionen (v.a. UK). 2 „Bearbeitung“ von Wurzeloberflächen bei Parodontitis: Wie viel ist nötig? Eine multidirektionale Parodontitistherapie muss immer alle Risikofaktoren berücksichtigen. Von Dr. Corinna Bruckmann, MSc, Wien. 1 Abb.1:OPGeiner46-jährigenPatientinbeiAufnahme:generalisierteschwereParodontitis.