Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Dental Tribune German Edition

Aufgrund der stetig wachsenden Zahl älterer Menschen nehmen deren Probleme ein größeres Feld in der zahnärztlichen Tätigkeit in Anspruch. Wir Zahnärzte müssen uns häufig die Frage stellen, welche Behandlung ist noch adäquat, was mussgemachtundwelcheTherapie kann außer Acht gelassen werden. Häufig sind ältere Patienten mul- timorbid, nehmen verschiedene Medikamente ein und werden im Laufe der Zeit immer gebrechlicher undsindinihrenBewegungeneinge- schränkt.DieseGegebenheitenkön- nen unsere Behandlungsmöglich- keiten beeinflussen.1 Anhand der Behandlungsab- folge von Herrn C.D. möchte ich einige dieser Probleme schildern. Als dieser Patient mit 70 Jahren das erste Mal zu uns kam, gab er in der Anamnesean,dassergerneallevor- handenen Zähne behalten würde und dass er mit seiner Prothese zu- recht käme. Er war seit fünf Jahren in Rente und früher in einer Auto- werkstatt tätig. Herr C.D. machte einen sehr rüstigen Eindruck und war gut orientiert. Bei ihm wurde bisher keine Parodontalbehand- lung durchgeführt, und er verwen- det keine interdentalen Hilfsmittel. SeitzehnJahrenisterNichtraucher, er ist übergewichtig und sein BMI beträgt 32 (Körperlänge 173 cm, Körpergewicht95kg),zudemhater einen schlecht eingestellten Diabe- tes mellitus Typ II (HbA1c 8,1 Pro- zent, Behandlung mit Metformin). Sein hoher Cholesterinspiegel wird mitStatinenundderhoheBlutdruck mitAmlopidintherapiert.SeineRen- te ist knapp bemessen, er wünscht günstigen Zahnersatz. Von klinischer Seite her beste- hen keine großen Auffälligkeiten, seine Sondierungstiefen weisen im Durchschnitt 5 bis 6 mm auf – außer an Zahn 14, der auch stark gelockert war. Der Zahn 14 konnte nicht erhalten werden. Der Patient wurde in Mundhygiene unterwie- sen, ein Deep Scaling durchgeführt und eine neue Einstückgusspro- these angefertigt. Trotz schlech- ter Blutzuckereinstellung war das parodontale Behandlungsresultat günstig,2 die Sondierungstiefen wurden auf durchschnittlich 3 bis 4 mm reduziert. Die weitere Behandlungsab- folge war unauffällig, der Patient kam zwei bis drei Mal im Jahr zur Erhaltungstherapie.EinmalimJahr wurde die Anamnese erneuert, und dabei zeigte sich, dass der Patient jetzt mit Rivaroxaban (Xarelto) wegen Vorhofflimmern antikoagu- liert wird.Wie gehen wir Zahnärzte mitdiesemneuenGerinnungshem- mer um, was müssen wir darüber wissen?3 Mit 78 bekam unser Patient ein Prostatakarzinom, das operativ entfernt wurde. Drei Jahre später wurden ihm wegen Metastasen Bis- phosphonate verordnet. Durch Zu- fall bekamen wir dies mit, er sprach darüber mit einer unserer Prophy- laxehelferinnen. Wie müssen wir Zahnärzte auf diese Information reagieren? Macht es einen Unter- schied,ob wir parodontal erkrankte oder parodontal behandelte Patien- ten vor uns haben, die wegen eines metastasierenden Tumors Bisphos- phate bekommen oder bekommen sollen?4 Bis zu seinem 85. Lebensjahr kam es durch seine gute Mitar- beit zu keinem weiteren Verlust am Zahnhalteapparat, und der Pa- tient verlor keine weiteren Zähne. Seine Mundhygiene wurde jedoch schlechter, ihm fiel es zunehmend schwerer, Interdentalbürsten zu gebrauchen, und auch auf den Glattflächen fanden sich häufig Beläge. Welche Maßnahmen müssen unsere Helferinnen in den Erhal- tungssitzungen bei diesen Patien- ten durchführen? Ist es noch an- gebracht, hochbetagte Patienten auf Mundhygienedefizite hinzu- weisen, oder entfernen wir die Be- läge, ohne dies weiter zu kommu- nizieren? Wie gehen wir und das gesamte Praxispersonal damit um, dass unsere älteren Patienten zu- nehmend schwerhöriger, langsamer und auch vergesslicher werden? WiesollendieseSeniorenvonunse- rem Praxispersonal angesprochen werden? Nach seinem 85. Lebensjahr kam der Patient nicht mehr zu uns in die Sprechstunde. Seine Tochter informierte uns, dass ihr Vater inzwischen stark gehbehindert sei und deshalb die Praxis nicht mehr aufsuchen kann. Sie berichtet außerdem, dass ihr Vater über lockere Zähne in der Unterkie- ferfront klagt und erkundigt sich, ob wir nicht die Therapie bei ihm zu Hause fortsetzen könnten. Was kann bei der aufsuchenden Behandlung gemacht werden, und welche Organisationsmöglichkei- ten gibt es dabei? Zudem wollte die Tochter von uns wissen, ob sie weiterhin die Zähne ihres Vaters putzen und ob sie die Prothesen rei- nigen solle. Sind diese Maßnahmen reine Kosmetik oder haben sie auch Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit? Japanische Kollegen5 konnten zeigen, dass auch Patienten in Pfle- geheimen von einer regelmäßigen Zahnreinigung und Mundhygie- nemaßnahmen profitieren. Die behandelten Patienten bekamen im Vergleich zu Kontrollgruppen seltener eine Pneumonie, und die Mortalitätsrate war während der zweijährigen Beobachtungsphase reduziert. Viele der von mir angerissenen Fragenwerdenauf derJahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGParo), die vom 19.bis 21.September 2013 in Erfurt stattfindet, behandelt werden. Literatur 1 Böhm K. et al., Gesundheit und Krank- heit im Alter, Robert Koch-Institut 2009. 2 DemmerRT.etal.,Theinfluenceof type 1 and type 2 diabetes on periodontal disease progression: prospective results from the Study of Health in Pomerania (SHIP).Diabetes Care.2012. 3 Bayer Vital Information zu Xarelto für Zahnärzte, Postsendung Zahnärzte April 2013. 4 Grötz KA. et al., Bisphosphonat-assozi- ierteKiefernekrose(BP-ONJ)undandere medikamenten-assoziierte Kiefernekro- sen S 3 Registernummer 007/091, Leit- linieAWMF online: www.awmf.org 5 Yoneyama T. et al., Oral care reduces pneumonia in older patients in nursing homes, Journal of the American Geria- trics Society 2002,50(3)430–433. PT Practice PERIOTRIBUNE German Edition · Nr. 6/2013 · 5. Juni 201320 Prof.Dr.ThomasKocher Ernst-Moritz-Arndt-Universität Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung Parodontologie Walther-Rathenau-Straße 42a 17487 Greifswald,Deutschland kocher@uni-greifswald.de www.uni-greifswald.de Kontakt Unser Tipp: Wirksam gegen Periimplantitis +++ 2-wöchige CHX Wirkdauer +++ Tel: 0203 . 80 510 45 www.zantomed.de ANZEIGE 4 Der Patient wurde von Dr.Andreas Rühling, Kiel, behandelt, und er hat auch die Fotos zurVerfügung gestellt. Abb.1: Vorstellung 1990, 70 Jahre alt. – Abb. 2: OPG 1990, Erstaufnahme. – Abb. 3: 2005, 85 Jahre alt. – Abb. 4: 85 Jahre alt. 3 Parodontale Therapie am älteren Patienten – notwendig vs. machbar Der demografische Wandel wird zunehmend auch in der Zahnarztpraxis zu einem wichtigen Thema. Von Prof. Dr. Thomas Kocher, Greifswald. 21 Infos zum Autor