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Dental Tribune Austrian Edition

Im Rahmen des 53. Bayerischen Zahnärztetages, welcher vom 18. bis 20. Oktober in München stattfand, sprach Oralchirurgie Journal Redak- teur Georg Isbaner mit Prof. Dr. Dr. JoachimE.Zöller,DirektorderKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- undPlastischeGesichtschirurgieund der Poliklinik für Orale Chirurgie und Implantologie der Uniklinik Köln, über Grenzbereiche sowie ak- tuelleundzukünftigeEntwicklungen der Chirurgie. Georg Isbaner: Sehr geehrter Herr Prof. Zöller, kann Chirurgie heute alles? Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller: Natürlich kann Chirurgie auch heute nicht alles. Es gibt weiterhin Grenzen.Aber die Chirurgie hat sich in den vergangenen Jahrhunderten entscheidend entwickelt. Welche Beispiele der jüngsten Zeit verdeutlichen Ihrer Meinung nach den chirurgischen Fortschritt am meisten? Es gehen immer wieder spekta- kuläreOperationendurchdiePresse. AlsderUS-AmerikanerDallasWiens sein Gesicht verlor, hatten die Ärzte wenig Hoffnung. Der 24-Jährige war in Kontakt mit einer Starkstrom- leitung gekommen, sein Gesicht bis zurUnkenntlichkeitverschmort.Der 14-jährigen Xiao Liewen war es ähn- lich ergangen. Die Chinesin, er- schöpft vom vielen Lernen, brach über einem Heizstrahler zusam- men. Ihr Gesicht verbrannte. Dallas Wiens und Xiao Liewen überlebten. Vielleicht hätten sie früher ihr Leben versteckt in einem Hinterzimmer verbracht. Doch beide haben wieder ein Gesicht und zeigen es der Öffent- lichkeit (Abb.1a und b). Das sind tatsächlich Schicksale, die durch die moderne Medizin eine andereWendungerhaltenhabenals es vor einigen Jahren noch möglich schien. Wie geht man bei solchen massivenEingriffenvor? Zwischenzeitlich gehört der mikrovaskuläre Gewebetransfer zum Standard. Der Körper dient als Ersatzteillager: Chirurgen entneh- men das zu verpflanzende Gewebe an verschiedenen Körperstellen. Die Transplantate können Haut, Blutgefäße, Muskeln und Knochen enthalten. So werden auch an der Kölner Uniklinik nahezu täglich Gewebeanteile,dieimRahmeneiner Tumoroperation entfernt werden müssten, durch mikrovaskuläre Lappen ersetzt (Abb. 2a und b). Da- mit können diese Patienten mit ei- ner guten Lebensqualität über- und weiterleben. Da man jeden Defekt decken kann, können heute mit diesen Methoden Tumore entfernt werden, die noch vor einigen Jahren als inoperabel galten. Die anatomi- schen Grenzen des Machbaren sind weiter verschoben worden,bestehen aber weiterhin. Lassen Sie uns dann auch konkret über die Grenzen sprechen. Wo lie- gendiese? ZumBeispielinFällen,beidenen der Tumor in den Sinus cavernosus (imBereichderSchädelbasis,Anm.d. Red.)eingedrungenist.Hieristschon eine erste Grenze aufgezeigt. Der Er- satz ist mehr oder weniger statisch. Das heißt: die Funktion ist deutlich eingeschränkt. Ersetztes Zungen- gewebe hat zum Beispiel nicht die gleiche Funktionalität wie das so- genannte Original. Und auch Nerv- rekonstruktionen gehen immer mit einer Beeinträchtigung einher. Da- mit die Operationserfolge hoch sind, ist weiterhin ein gut ausgebildetes und eintrainiertes Team notwendig. Mit welchen Einschränkungen muss darüber hinaus weiterhin gerechnetwerden? Eine weitere Grenze bilden auch schwer therapierbare Allgemein- erkrankungen, ein insgesamt redu- zierter Allgemeinzustand oder ein schlecht durchblutetes Transplan- tationslager. Hierbei muss es sich nicht unbedingt um einen Zustand nach Bestrahlung handeln, sondern auchVoroperationenkönnenzustar- ken Narbenbildungen führen. Man denke hier beispiels- weise an einen Kie- feraufbau, nachdem schon frühere Opera- tionen nicht erfolg- reich waren. Das ge- samte Transplanta- tionslageristindiesen Fällen vernarbt und die reduzierte Durch- blutung lässt eine schlechte Einheilung des Transplantates befürchten. Generell gilt: Wo man schnei- det, entstehen Nar- ben. Bei allem Fort- schritt der Wiederherstellungsme- dizin lassen sich die Narben, die bei solchen Hautverpflanzungen entste- hen,nichtwegzaubern.Diesgiltauch für die Laserchirurgie. Deshalb ist oftmals schon alleine die Schnittfüh- rung maßgeblich für den Erfolg. Inwieweit helfen die neuen Tech- nologien bei Ihrer chirurgischen Tätigkeit? ZunehmendziehtauchdieCom- puteranimation in die OP-Säle ein. Eine 3-D-Computeranimation eines Kieferdefektes vor der Operation kann helfen, das Ersatzstück später richtig einzupassen. Die Feinarbeit leistet jedoch am Ende die Hand des Chirurgen. Wo sehen Sie Erfolg versprechende Entwicklungen für die Chirurgie derZukunft? Eine weitere Innovation wird durch die Etablierung der Gewebe- züchtung kommen. Die experimen- tellen Ansätze dazu sind vorhanden. DochnochwissendieForschernicht, wie sie komplexes Gewebe samt Stützgerüst und Blutversorgung her- stellen können. Dies wird noch Jahre, viel- leicht Jahrzehnte, be- nötigen. Bisher haben wir überTechniken,Tech- nologien und Inno- vationen gesprochen. Doch die Eingriffe stellen ja auch allzu oft enorme psychi- scheBelastungenfür die Patienten dar. Als Chirurg sind Sie mit diesen Aspekten täglich konfrontiert. WiesehenSiedas? In der Tat bestehen auch hier mehrere Grenzen für den Chirurgen. Inwieweit ist es ethisch vertretbar und für die Psyche des Menschen zu- mutbar, dass er große Anteile seines Gesichts durch eine Tumoroperation verliert? Damit erleiden manche Patienten trotz hervorragender Re- konstruktioneinenIdentitätsverlust, der besondere Probleme aufwirft. Andererseits kann die Chirurgie persönliche Probleme, die beispiels- weise in eine „Schiefnase“ projiziert werden, niemals lösen. Diese Pro- bleme werden auch nach Beseiti- gung der Schiefnase weiterbestehen. AllerdingswirdunterUmständenein ungezwungeneres Auftreten ermög- licht, wodurch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Psychotherapie verbessert wird. Wie lautet Ihre Maxime als Chi- rurg im medizinischen Grenzbe- reich? Wichtig ist heute wie früher,dass der Chirurg ein wohlüberlegtes rea- listisches Ziel hat. Dieses Ziel muss in erster Linie auf medizinische Er- fordernisse eingehen, aber auch glei- chermaßen den Patientenerwartun- gen nachkommen. Dies war und ist die Voraussetzung, in den gesteckten Grenzen zum Wohle des Menschen erfolgreich zu sein. Herr Prof. Zöller, vielen Dank für dasGespräch. DT International Interview DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 3/2013 · 6. März 20138 „Die anatomischen Grenzen des Machbaren“ Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller im Interview mit Georg Isbaner, Oralchirurgie Journal, über die Grenzen und Möglichkeiten der heutigen Chirurgie. Prof.Dr.Dr.JoachimE.Zöller ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-,Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie und der Poliklinik für Orale ChirurgieundImplantologie der Uniklinik Köln. Info Prof.Dr.Dr.Joachim E.Zöller „... die Chirurgie hat sich in den vergangenen Jahrhunderten entscheidend entwickelt.“ „Damit die Operationserfolge hoch sind, ist weiterhin ein gut ausgebildetes und eintrainiertes Team notwendig.“ 1a 1b 2a 2b 3a 3b