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Dental Tribune Austrian Edition

DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 1+2/2013 · 30. Januar 2013 International Events 9 Behandlersistes,inderindividuellen Situation eine maßgeschneiderte Therapie zu wählen, deren Grund- lage evidenzbasierte Daten sind.Dies wurde in vielen Vorträgen bei dieser Tagung betont. Prof. Dr. Dr. Terheyden: Nein, seit jeher hat in der Zahnheilkunde die Erhaltung der Zähne und die Vorbeugung von Erkrankungen die höchste Priorität und steht vor dem Zahnersatz. Welches sind die zentralen Risiko- faktoreninderaktuellenImplanto- logie und welche Lösungsansätze gibtes? Andreoni:EinsehrgroßesRisiko in der Implantologie sehe ich darin, dasszuvieleZahnärzteimplantieren, die keine fundierte implantologische Ausbildung haben. Zudem ist die Indikationspalette riesig. Es wird vom Einzelzahn bis zum totalen Kie- fer implantiert. Die Selbstüberschät- zung einzelner Zahnärzte ist hierbei sehr groß. Jeder Behandler sollte das machen,waserselberbeherrschtund gelernt hat, und Eingriffe, die man nicht erledigen kann, anderen Kolle- gen überlassen. Erst dadurch kann das Risiko von Misserfolgen und Komplikationenvermindertwerden. Zechner: Die Anforderungen an den implantatchirurgischen und/ oder implantatprothetischen Be- handler sind nicht nur medizinisch, sondern auch im Bereich der Doku- mentation, der Aufklärung und der Behandlungsplanung stark gestie- gen. Die Rückkehr auf langzeit- kontrollierte Studien, der Einsatz evidenzgestützter Medizinprodukte und die Verwendung genauer Pla- nungen und Planungssysteme sind dabeihilfreich.Einfürmichzentraler Risikofaktor stellt themenübergrei- fend zunehmend auch der Faktor Zeit dar,der nicht nur in der Implan- tatchirurgie,sondernvoralleminder Implantataufklärung und bei der WahlvonBelastungsprotokollenver- mehrt an Bedeutung gewonnen hat. Terheyden: Erwiesene systemi- sche Risikofaktoren sind unter ande- rem eine Parodontitis in der Vor- geschichte, Rauchen, ein schlecht eingestellterDiabetesmellitus,Medi- kationen wie bestimmte Rheuma- medikamente oder Bisphosphonate. Lokale Risikofaktoren sind Mangel an Knochenmenge und -qualität. Es ist wichtig, dass der erstversorgende Zahnarzt diese Probleme kennt und erkennt und im Sinne eines Teaman- satzes beispielsweise zum Knochen- aufbauSpezialisteneinbindet.Dieses Risikomanagement wird beispiels- weise durch die SAC-Klassifikation des ITI erleichtert. Die derzeitige Fülle an Behand- lungskonzepten, Materialien und Komponenten macht es dem Be- handleroftschwierig,diefürihnge- eignete Vorgehensweise auszuwäh- len. Etliche der neuen Techniken wiederum weisen kaum die wissen- schaftlicheEvidenzzurAnwendung in der täglichen Praxis vor. Sollte man die Diskussion zukünftig wie- der mehr auf die zentralen, Erfolg versprechendenAspektelenken? Andreoni: Ja, das finde ich abso- lut richtig, da viele Nischenprodukte oder-technikenangepriesenwerden, die nur in wenigen Fällen Anwen- dungfinden.HierbeispieltdieIndus- trie eine nicht zu unterschätzende Rolle, da sie neue Materialien und Techniken vorantreibt, die nicht für alle anwendbar sind und die vor al- lem keinen Langzeituntersuchungen unterstelltwurden.AndieserStelleist die Eigenverantwortung des Zahn- arztes gefragt. So sollten Techniken ausgewählt werden, die über viele Jahre hinweg Erfolg versprechende Resultate gebracht haben. Den Um- gangmitneuenTechnikenundMate- rialien sollte sich der Anwender hin- gegen Step-by-Step an kleinen Fällen aneignen und für die Praxis kritisch prüfen. Zechner: Grundlage einer pra- xistauglichen und in der Praxis ange- wandten Therapieform sollten in je- dem Fall evidenzbasierte Therapien sein. Aufgabe von Universitätsklini- ken und wissenschaftlichen Zentren ist es zudem, bei neuen Techniken oder Medizinprodukten Daten zu sammeln, in Studien zu belegen und zupublizieren:OhneWeiterentwick- lung wird die Schaffung von Lang- zeitdaten nicht möglich sein. Dies ist wiederum die Voraussetzung, unter den zahlreichen neuen Technologien diejenigen herauszuarbeiten und zu dokumentieren,die in weiterer Folge im niedergelassenen Bereich Einzug halten werden. Hier sind auch die drei wissenschaftlichen Schwesterge- sellschaften SGI, DGI und ÖGI ge- fragt, noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Terheyden: Die Behandlungs- konzepte sind im Grunde übersicht- lich, wenn man sich an die Evidenz- basierung hält. Die sehr reiche Aus- wahlanMaterialienundKomponen- ten wird auch überschaubarer, wenn man darauf achtet, welche Materia- lien sich langfristig bewährt und ei- ner wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten haben. Der Einsatz von neuen Materialien ist ein Balan- ceakt. Einerseits möchte man Inno- vationen aus der Industrie fördern und nutzen. Die Zulassungshürden liegen bei Materialien nicht ohne Grund niedriger als bei Medikamen- ten.Andererseitskannsichunterdem Stichwort „Innovation“ auch man- ches weniger effiziente Produkt oder ein „Me-too-Produkt“ verbergen, das unter Umständen in der Qualität dem Original nachsteht. Als Prakti- ker ist man gut beraten, wenn man auf bewährteQualitätsetztundnicht jedem Trend sofort ohne kritische Prüfungfolgt.Keinesfallssollteman– wiederSchweizerKongresspräsident Dr. Claude Andreoni in seiner Eröffnungsrede auch betont hat – in der derzeitigen gesamtwirtschaft- lichenLageaufBilligproduktesetzen. Denn Implantate können lebenslang im Körper bleiben und sollten dem auch standhalten. Können Sie einen Ausblick geben, was experimentell in Grenzberei- chenheutemöglichist? Andreoni: Das ist schwierig zu sagen.Was ich mir wünschen würde, wäre ein Implantat, das man sofort belasten könnte.Das wäre etwas,von dem ich sehr stark in meiner Privat- praxis profitieren würde. Ich könnte dasImplantateinbringenundmitei- ner provisorischen Krone versorgen, ohne Angst haben zu müssen, dass das Implantat nicht osseointegriert. Das wäre eigentlich dieser Grenzbe- reich, den ich mir wünschen würde, aber das steht natürlich noch in den Sternen geschrieben. Zechner: In mehrerenVorträgen der Gemeinschaftstagung waren auch thematische Ausblicke auf Weiterentwicklungenzufinden.Dies betrifft unter anderen die Weiterent- wicklung von minimalinvasiven Im- plantationsprotokollen, Modifika- tionen von Implantatoberflächen undnichtzuletztdenEinsatzmodifi- zierterAugmentationsmaterialien. Terheyden: Ein großer Fort- schrittistimBereichdesTissueEngi- neering von Knochen festzustellen, sowohl durch Wachstumsfaktoren als auch durch Gentechnik. Bislang scheitern diese Therapien jedoch noch an den enormen Kosten bezie- hungsweise an Zulassungshürden und einem nicht endgültig geklärten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Ein eben- falls experimentell sehr innovatives Feld ist die komplette digitale Pro- zesskette zur Herstellung von im- plantatverankertem Zahnersatz. Je- doch auch hier stehen Kosten und Nutzen für die Praxis derzeit noch in einem unklaren Verhältnis, eine Weiterentwicklung ist aber zu er- warten. Was sind die wichtigsten Botschaf- ten,diedieZahnärzteinihrePraxen mitnehmensollten? Andreoni: Gemäß des Titels „back to the roots“ glaube ich,dass es die Botschaft des Kongresses war, demZahnarzteinweniginsGewissen zu reden. Zusätzlich wurden viele sinnvolle Alternativen für die Im- plantologie aufgezeigt. Aus Behand- lungssicht sollten zuerst die Thera- piezweigederkonventionellenZahn- medizin für das Wohl des Patienten herangezogen und erst danach die Implantologie zu Hilfe genommen werden. Die implantologische Lö- sung ist in den meisten Fällen in den Hintergrundzuschieben,daschließ- lich auch das Risiko besteht, dass das Implantat an Periimplantiden er- krankt. So macht es Sinn, zuerst die Zähne zu erhalten und zu kurieren und–wennnötig–zueinemspäteren Zeitpunkt des Lebens Implantate zu setzen. Zechner: Wie auf der Tagung präsentierte Untersuchungen mit Langzeitergebnissen bis zu 15 Jahren Beobachtungsdauer gezeigt haben, ist der Einsatz von evidenzbasierten Protokollen sowohl für Behandler als auch für den Patienten wichtig und vorhersagbar. An dieser Stelle möchteichdahervorallemdieKolle- gen und Kolleginnen, die an dieser gelungenen Veranstaltung nicht teil- nehmen konnten, motivieren, sich bei wissenschaftlich hochwertigen Á Fortsetzung von Seite 1 Abb. 1: Dr. Claude Andreoni, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für orale Implantologie (SGI). – Abb. 2: Prof. DDr. Werner Zechner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Implantologie (ÖGI). – Abb. 3: Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI). 1 2 3 Der große Gemeinschaftskongress wurde im neu erbauten Kursaal Bern veranstaltet. ➟ Bilder „6. Internationale Jahrestagung SGI, DGI, ÖGI“ QR-Code einfach mit dem Smartphone scannen (z.B. mit dem Reader Quick Scan) Brisante Zukunftsfragen moderner Implantologie auf Gemeinschaftstagung in Bern diskutiert„Zurück zu den Wurzeln“ führte die 6. Internationale Gemeinschaftstagung der Schweizerischen, Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Implantologie vom 29.11. bis 1.12.2012 in Bern. Die Präsidenten der drei größten implantologischen Fachgesellschaften Dr. Claude Andreoni (SGI), Prof. DDr. Werner Zechner (ÖGI) und Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden (DGI) ziehen Bilanz. Von Tina Schneider und Jeannette Enders , Dental Tribune.