Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Dental Tribune Austrian Edition

Unter der Themenstel- lung „Qualitätsorien- tierte Implantologie – Wege zum Langzeit- erfolg“ fand im Oktober 2012 in Hamburg der 42.InternationaleJahres- kongress der Deutschen Gesellschaft für Zahn- ärztliche Implantologie (DGZI) statt. Georg Isbaner, Redaktionsleiter Implantologie Journal, nutzte diesen Anlass, um mit Professor Dr. Dr. Frank Palm, Experte im Bereich von Knochen- ersatzmaterialien, resor- bierbaren Membranen und Osteosyn- thesesystemen,überdenheutigenStand und die Perspektiven beim Einsatz von Knochenersatzmaterialienzusprechen. GeorgIsbaner:HerrProf.Dr.Dr.Palm, die Implantologie stößt heute in im- merneueBereichevor.Selbsteinstark reduziertes Knochenangebot stellt heute keinen limitierenden Faktor für die Insertion von Implantaten dar. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Knochenersatz- materialien, auch im Hinblick auf autogeneKnochentransplantate? Prof.Dr.Dr.FrankPalm:Knochen- ersatzmaterialien sind aus der moder- nen Zahnmedizin nicht mehr weg- zudenken. Sei es als präventive Maß- nahme zum Erhalt des Knochens nach Extraktionen oder bei der Wiederher- stellung optimaler Knochen- und Ge- webeverhältnisse alsVoraussetzung für die Insertion von Implantaten. Wenn ein Zahn verloren geht – auch im Falle einesSofortimplantates–,gehtdiesim- mermiteinemKnochen-undWeichge- webeverlusteinher.AusdiesemGrunde kommt den Knochenersatzmaterialien imBereichderImplantologieeineganz entscheidende Rolle zu. Insbesondere im Bereich des Sinusliftes haben sich die Beta-Tricalciumphosphate (ß-TCP) durchgesetzt.Durch diese Rekonstruk- tionsmöglichkeiten können wir heute unseren Patienten wieder ein natürli- ches Erscheinungsbild ihrer Zähne im Sinne einer Restitutio ad Integrum ge- ben.Auch wenn es Fälle gibt,bei denen dafüreinmehrzeitigerEingriffnötigist. Welche biologisch-physiologischen Prozesse vollziehen sich im mensch- lichen Körper beim Einsatz von Kno- chenersatzmaterialien mit dem Ziel der Schaffung von neuem, ortsstän- digemKnochen? Dieses Thema ist für Implantolo- geneinganzentscheidendes.InderIm- plantologie dreht es sich in erster Linie darum, nicht nur Volumen zu rekons- truieren, sondern mit dem Knochen- ersatzmaterialdemortsständigenKno- chen die Möglichkeit zu geben, neuen biologisch aktiven Knochen zu gene- rieren. Dieser Knochen wird benötigt, um später eine Osseointegration des Implantateszuermöglichen.Unterdie- sem Gesichtspunkt macht es sicherlich Sinn, mit resorbierbaren Knochener- satzmaterialien zu arbei- ten, da diese Materialien peu à peu durch eigenen Knochen im Sinne einer Creeping Substitution (schleichender Ersatz) er- setztwerden. Nungibtesheuteaufdem Markt eine Vielzahl von Materialienunterschied- lichster Provenienz. Was unterscheidet die Mate- rialienimWesentlichen? Dem Behandler steht heute ein breites wissen- schaftlich dokumentier- tes sowie praktisch er- probtes Spektrum an Knochenersatz- materialienzurVerfügung.Unterschei- det man die Knochenersatzmaterialien nach ihrer Herkunft, so lassen sich vier Artenbeschreiben: 1.Autogene Knochentransplantate, die sowohlintra-alsauchextraoralvom selben Individuum gewonnen wer- den. 2.Allogene Knochenersatzmaterialien, d.h. durch verschiedene Verfahren aufbereiteter Knochen derselben Spezies, in unserem Fall also vom Menschen. 3.Xenogene Knochenersatzmaterialien, dietierischenUrsprungssind,und 4.Künstlich hergestellte alloplastische Materialien, die somit rein syntheti- scherProvenienzsind. MeinerAuffassungnachspieltauch nach wie vor der autogene Knochen während der Implantation eine wich- tige Rolle, da er eine osseoinduktive Potenz hat. Die Probleme bei der Ver- wendung von autogenem Knochen kennen wir aber auch alle: Er ist eben nur begrenzt verfügbar und bei einer zusätzlichen Entnahme entsteht ein Entnahmedefekt. Wenn wir aber über die Einteilung von Knochenersatzmaterialien reden, meine ich, sollte man auch noch den AspektderResorptionberücksichtigen, nämlichdieEinteilunginresorbierbare und nicht resorbierbare Materialien. Wichtigster Vertreter der nicht resor- bierbaren Knochenersatzmaterialien ist Bio-Oss, das auch nach wie vor der Marktführer in diesem Bereich ist. Ein wichtiger Vertreter im Bereich der re- sorbierbaren Materialien wäre das rein synthetischhergestellteCerasorbM. Meiner Auffassung nach sollte man die Knochenersatzmaterialien auch nach ihrem Ursprung einteilen. Unter diesem Gesichtspunkt hätten wir zwei große Gruppen, nämlich die biologischen und die synthetischen Knochenersatzmaterialien. Bei den synthetischenMaterialienistCerasorb MeinwichtigerVertreter. Welche Orientierungshilfe kann man im Hinblick auf den „Goldstandard“ geben? Mittlerweile ist die Meinungsviel- falt darüber, welche Materialien im Einzelnen als der „Goldstandard“ an- zusehensind,sobreitwiedasSpektrum derangebotenenMaterialien. Früher dachte man, der autologe KnochenseiGoldstandardauchbeider Sinusbodenaugmentation. Für mich istesallerdingsnichtmehrderautologe Knochen,sonderndefinitivdasß-TCP. InmeinerKlinikwirdvonmeinen Kollegen und mir bei Sinusliftope- rationen ausschließlich Cerasorb M verwendet. Mit diesem Material sind immer gute und reproduzierbare Er- gebnisse möglich. Dies ist ein Segen für den Patienten, da diesem kein Knochen entnommen werden muss. Es ist jedoch ß-TCP nicht gleich ß- TCP. Die Gruppe der ß-TCP ist zwar unter chemischen Gesichtspunkten gleich, jedoch gibt es bei den anderen Eigenschaften erhebliche Unter- schiede. Einen wichtigen Gesichts- punkt nehmen dabei die Makroporen ein, die bei Cerasorb M eine für die Knochenregeneration ideale Konfi- gurationhaben. DesWeiterenspieltauchdieGröße des Primärkorns eine entscheidende Rolle. Die Größe des Primärkorns hat eine wichtige Funktion bei der Degra- dationdesMaterials.Wennderpartiku- läreZerfalldesKnochenersatzmaterials beginnt und das Knochenersatzma- terial in seine „kleinsten Bestandteile“ abgebaut wird, entscheidet die Größe des Primärkorns unter anderem mit, ob ein anderer entzündungsfreier Hei- lungsverlauf möglich ist oder nicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Cerasorb M für mich persönlich definitivder„Goldstandard“imBereich des Sinusliftes ist. Im Bereich der verti- kalen oder gar der horizontalen Aug- mentationen spielt meiner Auffassung nach der autologe Knochen nach wie vordiewichtigeRolle. WelcheRollespielenwissenschaftliche StudienundLangzeiterfahrungen? FürdenAnwenderistesganzwich- tig, dass die eingesetzten Materialien aufdereinenSeiteeinewissenschaftlich abgesicherte, langfristig positive Pro- gnose haben und dass sie sich auf der anderen Seite im täglichen praktischen Einsatz bewährt haben. Cerasorb M ist ein Material, das schon lange auf demMarktistundzudemeszahlreiche Langzeitstudiengibt. GleichwohlgibtesbeiderNeu-und Weiterentwicklung von Knochenersatz- materialienbishinzubiologischaktiven MaterialienkeinenStillstand.Sowerden künftige Innovationen die Optionen in der Rekonstruktion von kompromit- tiertenPatientendeutlicherweitern.Der Einsatz des autogenen Knochens wird hoffentlich mehr und mehr zurück- gedrängt, sodass bei den Patienten kei- negrößerenKnochenentnahmenmehr gemacht werden müssen. Dies wird natürlich die Einsatzmöglichkeiten für Implantate erweitern und letztendlich zu einer Verbesserung der Lebensqua- litätunsererPatientenführen. So tragen Sie als Chirurg gegenüber dem Patienten die Verantwortung, übergewisseRisikenderangewandten Augmentationstechnikaufzuklären? Das ist sicherlich richtig, aber man muss nicht nur über die angewandte Augmentationstechnik aufklären, son- dern den Patienten auch die unter- schiedlichen Möglichkeiten erklären, sodass der Patient im Entscheidungs- findungsprozess mit aktiv einbezogen werdenkann.InsofernmussderPatient überwissenschaftlichbelegteTherapie- optionen im Kontext seiner individu- ellen Situationen und über die Risiken informiertwerden. Bei den Kollegen, die aufbereite- ten Rinderknochen einsetzen, wie z. B Bio-Oss, muss der Patient nochmals gesondert darüber aufgeklärt werden, dass bei ihm aufbereiteter Rinderkno- chen eingesetzt wird. Bei der Verwen- dung von synthetischen Materialien ist eine Aufklärung dahingehend nicht erforderlich.BeidensynthetischenMa- terialien ist also in dem Sinne nur eine Aufklärung über die einzelnen Thera- pieschritte erforderlich, nicht jedoch überdieHerkunftdesMaterials. Als MKG-Chirurg sind Sie in Ihrer Arbeit nahezu täglich auch mit der Problematik des Knochenaufbaus konfrontiert. Welche Materialien be- vorzugenSieundwarum? Mein Team und ich bevorzugen ausschließlichsynthetischeMaterialien, weil ich meine Patienten, auch wenn es nur theoretisch ist, keinem Infektions- risiko, das durch den biologischen Ursprung bedingt ist, aussetzen möch- te. Wenn die „regenerative Potenz“ des synthetischenMaterialsnichtmehraus- reicht, verwende ich autogene Materia- lien, also körpereigene Materialien. Ich persönlichsehekeinenVorteilvonKno- chenersatzmaterialienbiologischenUr- sprungsimVergleichzudenMaterialien mitsynthetischemUrsprung. EsgibtAnwender,diesagen,dassbei bestimmten nicht resorbierbaren Kera- mikenbeimImplantiereneinsehrfestes GefühlbeimEinbringendesImplantates vorhanden ist. Dies ist jedoch nur eine scheinbare Festigkeit, da das Implantat nicht in biologisch aktiven festen Kno- chen eingebracht wird,sondern eben in eine nicht resorbierbare Keramik, die wiederum an sich nicht in der Lage ist, dasImplantataktivzuosseointegrieren. Soistfürmich,wieichschonbereits erwähnte, Cerasorb M im Bereich des Sinusliftes das perfekte Material. Ich mische das Material auch nicht mit autologem Knochen, weil im Bereich des Sinusliftes die osteokonduktive Po- tenz des Materials komplett ausrei- chend ist. Bei der Diskussion, ob man Knochenersatzmaterialien syntheti- schenoderbiologischenUrsprungsver- wenden sollte, gibt es viele Argumente. Ichpersönlichdenke,wirkönnenKno- chenersatzmaterialienmittlerweilesyn- thetisch herstellen, und das sollten wir auchtun.MeinerAuffassungnachwird darin auch die Zukunft liegen. Indem Behandler synthetische Materialien verwenden, unterstützen sie nicht nur die Industrie, sondern stärken auch gleichzeitig die Forschung, in diese Richtungweiterzuarbeiten. Was ist möglich bei der Arbeit mit Knochenersatzmaterialien? Sind die Erwartungen der Zuweiser an den Chirurgen womöglich zu hoch? Ist allesumsetzbar? Die Frage kann man so pauschal nicht beantworten. Durch die Weiter- entwicklung der Materialien können wir sicherlich sehr vielen Patienten wei- terhelfen. Es ist aber letztendlich eine FragedesAufwandes. Durch die Kombination von auto- genenMaterialienundKnochenersatz- materialien sind wir heute schon in der Lage, hochatrophe Situationen zu be- handeln. Patienten, die jahrzehntelang Vollprothesen getragen haben und bei denen durch die Kieferatrophie keine Prothese mehr hält, können implan- tologisch versorgt werden und unter funktionellen, aber auch unter ästhe- tischen Gesichtspunkten rehabilitiert werden.Das ist sicherlich ein Segen für die Patienten. Aber ich bin mir sicher, dass wir bei diesem Thema noch lange nichtamEndesind. VielenDankfürdasGespräch! DT International Interview DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 1+2/2013 · 30. Januar 20138 „Die Zukunft wird in der Herstellung von synthetischen Knochenersatzmaterialien liegen“ Der Einsatz von biologischem oder synthetischem Knochenersatzmaterial: Welche Bedeutung hat dieser heute für die Zahnmedizin und welche Materialien stehen dem Behandler derzeit zur Verfügung? Prof. Dr. Dr. Frank Palm, MKG-Chirurg am Klinikum Konstanz, gibt Antworten. Von Georg Isbaner. Prof. Dr. Dr. Frank Palm, Chefarzt Abteilung MKG- ChirurgieKlinikumKonstanz. Abb. links: Zustand nach Implantation mit Sinus-Lift (Cerasorb M) im Oberkiefer beidseitig. Implantation im UK regio 44 und 45. – Abb.rechts:9-Jahres-Kontrolle.Esistzuerkennen,dassdasKnochenregenerationsmaterialweitgehendzueigenemKnochenumgebautwurde.