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Dental Tribune German Edition

BERN – Ende letzten Jahres luden die drei größten Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz unter dem Kongressthema „back to the roots“ zum zweiten Mal nach Bern ein, brisante Themen aus dem Bereich der Implantologie vor dem Hintergrund stetiger technolo- gischer Weiterentwicklungen zu dis- kutieren. So diente das Tagungs- motto mit mehr als 1.400 Teilneh- mern und international renommier- terReferentendazu,eineklareGrenze zwischen bewährten, Erfolg verspre- chenden Verfahren – „back to the roots“ – sowie neuen Techniken, die klinischnochnichtausreichendveri- fiziertsind,zuziehen.Wirdesauchin Zukunft angesichts rasanter techni- scher Neuerungen möglich sein, aus einerVielzahlvonOptionendierich- tige therapeutische Entscheidung zu treffen? Dental Tribune sprach mit den drei Präsidenten, Dr. Claude Andre- oni, Schweizerische Gesellschaft für oraleImplantologie(SGI),Prof.DDr. Werner Zechner, Österreichische Gesellschaft für Implantologie (ÖGI),undProf.Dr.Dr.HendrikTer- heyden, Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI), über aktuelle Behandlungskonzepte, Risiken und zukünftige Forschungsfelder der Im- plantologie. Dental Tribune: Ist es an der Zeit, aktuelle Behandlungsstrategien zu überdenken und sich wieder ver- mehrtdemZahnerhaltzuwidmen? Dr. Claude Andreoni: Es ist wichtig, primär den Zahn zu erhal- ten, und erst, wenn Kosten und Nut- zen aus dem Gleichgewicht geraten, dem Patienten ein Implantat als sicheres Hilfsmittel einzusetzen. In letzter Zeit wurde zu viel implantiert und falsche Indikationen gesetzt. Ich glaube, man muss den Zähnen mehr Vertrauen schenken. Gemäß dem Thema des Kongresses „back to the roots“solltemandiesenAnsatzheute wieder stärker vertreten. Prof. DDr. Zechner: Viele Vor- träge bei der Gemeinschaftstagung 2012 haben gezeigt, dass es nicht ei- nenrichtigen,sondernmehreresinn- volle Behandlungswege bei vielen Indikationen gibt. Aufgabe des Be- handlers ist es, in der individuellen Situation eine maßgeschneiderte Therapie zu wählen, deren Grund- lage evidenzbasierte Daten sind.Dies wurde in vielen Vorträgen bei dieser Tagung betont. Prof. Dr. Dr. Terheyden: Nein, seit jeher hat in der Zahnheilkunde die Erhaltung der Zähne und die Vorbeugung von Erkrankungen die höchste Priorität und steht vor dem Zahnersatz. Welches sind die zentralen Risiko- faktoreninderaktuellenImplanto- logie und welche Lösungsansätze gibtes? Andreoni:EinsehrgroßesRisiko in der Implantologie sehe ich darin, dasszuvieleZahnärzteimplantieren, die keine fundierte implantologische Ausbildung haben. Zudem ist die Indikationspalette riesig. Es wird vom Einzelzahn bis zum totalen Kiefer implantiert. Die Selbstüber- schätzung einzelner Zahnärzte ist hierbei sehr groß. Jeder Behandler sollte das machen, was er selber be- herrscht und gelernt hat, und Ein- griffe, die man nicht erledigen kann, anderen Kollegen überlassen. Erst dadurch kann das Risiko von Misser- folgen und Komplikationen vermin- dert werden. Zechner: Die Anforderungen an den implantatchirurgischen und/ oder implantatprothetischen Be- handler sind nicht nur medizinisch, sondern auch im Bereich der Doku- mentation, der Aufklärung und der Behandlungsplanung stark gestie- gen. Die Rückkehr auf langzeit- kontrollierte Studien, der Einsatz evidenzgestützter Medizinprodukte und die Verwendung genauer Pla- nungen und Planungssysteme sind dabeihilfreich.Einfürmichzentraler Risikofaktor stellt themenübergrei- fend zunehmend auch der Faktor Zeit dar,der nicht nur in der Implan- tatchirurgie,sondernvoralleminder Implantataufklärung und bei der WahlvonBelastungsprotokollenver- mehrt an Bedeutung gewonnen hat. Terheyden: Erwiesene systemi- sche Risikofaktoren sind unter ande- rem eine Parodontitis in der Vor- geschichte, Rauchen, ein schlecht eingestellterDiabetesmellitus,Medi- kationen wie bestimmte Rheuma- medikamente oder Bisphosphonate. Lokale Risikofaktoren sind Mangel an Knochenmenge und -qualität. Es ist wichtig, dass der erstversorgende Zahnarzt diese Probleme kennt und erkennt und im Sinne eines Teaman- satzes beispielsweise zum Knochen- aufbauSpezialisteneinbindet.Dieses Risikomanagement wird beispiels- weise durch die SAC-Klassifikation des ITI erleichtert. Die derzeitige Fülle an Behand- lungskonzepten, Materialien und Komponenten macht es dem Be- handleroftschwierig,diefürihnge- eignete Vorgehensweise auszuwäh- len. Etliche der neuen Techniken wiederum weisen kaum die wissen- schaftlicheEvidenzzurAnwendung in der täglichen Praxis vor. Sollte man die Diskussion zukünftig wie- der mehr auf die zentralen, Erfolg versprechendenAspektelenken? Andreoni: Ja, das finde ich abso- lut richtig, da viele Nischenprodukte oder-technikenangepriesenwerden, die nur in wenigen Fällen Anwen- dungfinden.HierbeispieltdieIndus- trie eine nicht zu unterschätzende Rolle, da sie neue Materialien und Techniken vorantreibt, die nicht für alle anwendbar sind und die vor allem keinen Langzeituntersuchun- gen unterstellt wurden. An dieser Stelle ist die Eigenverantwortung des Zahnarztesgefragt.SosolltenTechni- kenausgewähltwerden,dieüberviele Jahre hinweg Erfolg versprechende Resultate gebracht haben. Den Um- gangmitneuenTechnikenundMate- rialien sollte sich der Anwender hin- gegen Step-by-Step an kleinen Fällen aneignen und für die Praxis kritisch prüfen. Zechner: Grundlage einer pra- xistauglichen und in der Praxis angewandten Therapieform sollten in jedem Fall evidenzbasierte Thera- pien sein. Aufgabe von Universitäts- kliniken und wissenschaftlichen Zentrenisteszudem,beineuenTech- nikenoderMedizinproduktenDaten zu sammeln, in Studien zu belegen und zu publizieren: OhneWeiterent- wicklung wird die Schaffung von Langzeitdaten nicht möglich sein. DiesistwiederumdieVoraussetzung, unterdenzahlreichenneuenTechno- logien diejenigen herauszuarbeiten und zu dokumentieren, die in weite- rer Folge im niedergelassenen Be- reichEinzughaltenwerden.Hiersind auch die drei wissenschaftlichen Schwestergesellschaften SGI, DGI und ÖGI gefragt, noch mehr Aufklä- rungsarbeit zu leisten. Terheyden: Die Behandlungs- konzepte sind im Grunde übersicht- lich, wenn man sich an die Evidenz- basierung hält. Die sehr reiche Aus- wahlanMaterialienundKomponen- ten wird auch überschaubarer, wenn man darauf achtet, welche Materia- lien sich langfristig bewährt und ei- ner wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten haben. Der Einsatz von neuen Materialien ist ein Balan- ceakt. Einerseits möchte man Inno- vationen aus der Industrie fördern und nutzen. Die Zulassungshürden liegen bei Materialien nicht ohne Grund niedriger als bei Medikamen- ten.Andererseitskannsichunterdem Stichwort „Innovation“ auch man- ches weniger effiziente Produkt oder ein „Me-too-Produkt“ verbergen, das unter Umständen in der Qualität dem Original nachsteht. Als Prakti- keristmangutberaten,wennmanauf bewährte Qualität setzt und nicht je- demTrendsofortohnekritischePrü- fungfolgt.Keinesfallssollteman–wie der Schweizer Kongresspräsident Dr. Claude Andreoni in seiner Eröff- nungsrede auch betont hat – in der derzeitigen gesamtwirtschaftlichen Lage auf Billigprodukte setzen.Denn Implantate können lebenslang im Körperbleibenundsolltendemauch standhalten. Können Sie einen Ausblick geben, was experimentell in Grenzberei- chenheutemöglichist? Andreoni: Das ist schwierig zu sagen.Was ich mir wünschen würde, wäre ein Implantat, das man sofort belasten könnte.Das wäre etwas,von dem ich sehr stark in meiner Privat- praxis profitieren würde. Ich könnte dasImplantateinbringenundmitei- ner provisorischen Krone versorgen, ohne Angst haben zu müssen, dass das Implantat nicht osseointegriert. Das wäre eigentlich dieser Grenzbe- reich, den ich mir wünschen würde, aber das steht natürlich noch in den Sternen geschrieben. Zechner: In mehrerenVorträgen der Gemeinschaftstagung waren auch thematische Ausblicke auf Weiterentwicklungenzufinden.Dies betrifft unter anderen die Weiterent- wicklung von minimalinvasiven Im- plantationsprotokollen, Modifika- tionen von Implantatoberflächen undnichtzuletztdenEinsatzmodifi- zierterAugmentationsmaterialien. Terheyden: Ein großer Fort- schritt ist im Bereich des Tissue Engi- neering von Knochen festzustellen, sowohldurchWachstumsfaktorenals auch durch Gentechnik. Bislang scheitern diese Therapien jedoch noch an den enormen Kosten bezie- hungsweise an Zulassungshürden und einem nicht endgültig geklärten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Ein eben- falls experimentell sehr innovatives FeldistdiekomplettedigitaleProzess- kette zur Herstellung von implantat- verankertemZahnersatz.Jedochauch hierstehenKostenundNutzenfürdie Praxisderzeitnochineinemunklaren Verhältnis, eine Weiterentwicklung ist aber zu erwarten. Was sind die wichtigsten Botschaf- ten,diedieZahnärzteinihrePraxen mitnehmensollten? Andreoni: Gemäß des Titels „back to the roots“ glaube ich,dass es die Botschaft des Kongresses war, demZahnarzteinweniginsGewissen zu reden. Zusätzlich wurden viele sinnvolle Alternativen für die Im- plantologie aufgezeigt. Aus Behand- lungssicht sollten zuerst die Thera- piezweigederkonventionellenZahn- Brisante Zukunftsfragen moderner Implantologie auf Gemeinschaftstagung in Bern diskutiert„Zurück zu den Wurzeln“ führte die 6. Internationale Gemeinschaftstagung der Schweizerischen, Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Implantologie vom 29.11. bis 1.12.2012 in Bern. Die Präsidenten der drei größten implantologischen Fachgesellschaften Dr. Claude Andreoni (SGI), Prof. DDr. Werner Zechner (ÖGI) und Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden (DGI) ziehen Bilanz. Von Tina Schneider und Jeannette Enders , Dental Tribune. International Events DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 1+2/2013 · 30. Januar 201310 Mit 1.400Teilnehmern erfreuten sich die Referenten einer großen Zuhörerschaft. Dr.ClaudeAndreoni,PräsidentderSchwei- zerischen Gesellschaft für orale Implanto- logie (SGI). Prof. DDr. Werner Zechner, Präsident der ÖsterreichischenGesellschaftfürImplanto- logie (ÖGI). Prof.Dr.Dr.HendrikTerheyden,Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implanto- logie (DGI).