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DTGER1012

Der erste Teil dieses Beitrages (Dental TribuneGermanEdition9/12)behandelte systemische Wirkungen unterschied- lichster Art, ihre Diagnostik und The- rapie, die Bedeutung der Verarbeitung derKompositesowieFallbeispiele. Monomere in der Praxis Die signifikanten Besserungen, die innerhalb kürzester Zeit durch Nach- härten erzielt werden können, lassen vermuten, dass ein hoher Polymerisa- tionsgradfürdieBiokompatibilitätauch von Kompositen von größter Bedeu- tung ist – was seit Jahrzehnten bekannt ist: Je höher der Polymerisationsgrad, desto härter und verträglicher ist das Material.8,9,10 ImPrinzipbestehtinfolge- dessen – zumindest theoretisch – ein breiterKonsensüberdieNotwendigkeit, Monomere auf ein Minimum zu redu- zieren. Prothesenkunststoffe betreffend hat diese Erkenntnis längst Eingang in die Zahntechnik und die Praxis gefun- den.Washeißtesaber,diesesWissenauf die lichthärtenden Komposite zu über- tragen,bei denen der materialtechnisch bedingte maximale Polymerisationsgrad mit 65 bis 77 Prozent angegeben wird? EsmüsstezumindestEinigkeitdarinbe- stehen,dass ein Polymerisationsgrad in dieserHöheanzustrebenist.Einesolche Zielvorgabewirdaberbereitsdurcheine Belichtungsempfehlungvon20odergar 10 Sekunden gänzlich ad absurdum geführt,diegemäßderISO-Norm4049 (Prüfung der Durchhärtungstiefe) völ- ligkorrektermitteltwird. Das Problem: Diese Norm ent- spricht in den nachfolgenden drei we- sentlichen Aspekten nicht den klini- schen Gegebenheiten, bildet aber die Grundlage für alle Biokompatibilitäts- prüfungennachISO10993(Biologische Beurteilung von Medizinprodukten) undENISO7405.Folge:SämtlicheBio- kompatibilitätsprüfungen werden mit Prüfkörpern durchgeführt, die einen deutlich höheren Polymerisationsgrad aufweisen dürften als die Komposite im klinischen Alltag – und damit auch einen höheren Biokompatibilitätsgrad. Begründung: 1.DerinderPraxisnahezustetsvor- handene Abstand zwischen Lichtquelle undMaterialbleibtinderISO4049völ- lig unberücksichtigt, spielt aber für den Polymerisationsgrad jeder Komposit- schicht eine immense Rolle – insbeson- dere bei den unteren. Denn die Licht- intensität nimmt mit zunehmendem Abstand signifikant ab: mit dem Qua- dratderEntfernung!BereitsderAbstand zwischen Komposit und Höckern, auf denen die LED aufliegt, spielt hier eine Rolle. Selbstverständlich müssen also Kompositschichten in der Tiefe einer Kavität länger (öfter) belichtet werden als an der Oberfläche, um denselben Polymerisationsgradzuerreichen.11 An- dersformuliert:JetieferdieKavität,desto höher der Monomergehalt bei gleich- bleibenderBelichtungszeit. 2.Nach unseren Ergebnissen lassen sich Kompositrestaurationen in der Regel nur in einen biokompatiblen Zu- stand überführen, wenn sie auch von vestibulär und lingual polymerisiert werden.Mögliche Erklärung: Der Poly- merisationsgrad des Bondings und der untersten Kompositschichten an den senkrechten, unebenen oder unter sich gehenden Kavitätenwänden ist zu ge- ring.DennjeflacherderWinkeldesauf- treffenden Lichtbündels der LED,desto schwächer die Lichtintensität. Schließ- lich erwarten wir bei tief stehender Sonne ja auch nicht denselben Bräu- nungseffektwieumdieMittagszeit. 3.Für ein so wichtiges Material wie das Bonding existiert nicht einmal eine ISO-Norm, nach der die Belichtungs- zeit zu bestimmen ist. Also prüft man zunächst seine physikalischen Eigen- schaften und bestimmt dann die zu empfehlende Belichtungszeit mittels standardisierter Proben auf glattem Trägermaterial. Testen wir nun zum Vergleich ein beliebiges Bonding a) auf einem glatten Probenträger und b) auf Dentin (klinischer Alltag), stellen wir fest, dass die Proben auf Dentin ver- gleichsweise wesentlich längere Ge- samtbelichtungszeiten erfordern.Mög- liche Erklärung: Da das Bonding „weit in die Kollagenstruktur des Dentins eindringt“12 , kann es dort nur unter erheblich erschwerten Bedingungen vom Polymerisationslicht erreicht wer- den – zumal dadurch noch ein zusätz- licherAbstand entsteht.Auf dieseWeise wird in dieser wichtigen Grenzzone, diepersedengrößtenAbstandzurLED hat, die Lichtintensität noch weiter reduziert. Anmerkung: Unterschiedliche Bon- dingsysteme zeigen zusätzlich äußerst unterschiedliches Verhalten: Die geteste- ten einschichtigen All-in-one-Bondings erfordernsovielGesamtpolymerisations- zeit,dassichaufihrenEinsatzinzwischen vollständig verzichte, die zweischichtigen benötigen im Durchschnitt etwas weni- ger;mitderrelativkürzestenBelichtungs- zeit kommen wir bei einem klassischen 3-Flaschen-Systemaus. DieMissachtungdieserdreigrund- legenden, extrem wichtigen Verarbei- tungsfaktorenbeiderErstellungderISO 4049 resp. der Bestimmung der Belich- tungsempfehlungen, ist nach meinem VerständniseingroberVerfahrensfehler, der erheblich zur systemischen Nicht- biokompatibilität von Kompositres- taurationen mit weitreichenden Folgen beiträgt. Auch eine sicherheitshalber darin vorgesehene Verdoppelung der minimal für notwendig befundenen Belichtungszeit löst dieses Problem in keiner Weise. Selbst ein Faktor 5 wäre unzureichend.Insbesonderegiltdiesfür fließfähigeMaterialien–undebensofür Bondings. Interessantes Detail: Alte Kompositfüllungen ohne Bonding und Flow testen in der Regel vergleichsweise signifikantwenigerunverträglich. Fazit: Die Belichtungsempfehlun- gen gehen davon aus, dass in der Praxis 1. zwischen LED und Material kein Abstand besteht,2.stets mit optimalem Belichtungswinkelgearbeitetwird(90°) und3.DentineinglatterProbenträgerist. Polymerisationsbedingungen Werfen wir noch einen kritischen Blick auf die Polymerisationsbedin- gungen im Praxisalltag. Alle Behandler kennen die Schwierigkeiten, im Seiten- zahnbereich eine exakte Positionierung des Lichtaustrittsfensters über die ge- samte Belichtungsdauer zu gewährleis- ten, insbesondere wenn der Krüm- mungswinkel des Lichtleiters bei einge- schränkter Mundöffnung des Patienten nichtoptimalist,sodassdasLichtbündel dannnichtdiegesamteKavitätgleicher- maßen erreicht. Außerdem ist so man- cher Lichtleiterdurchmesser schlicht zu klein,um größere Kavitäten relevant zu belichten.WennzudemimLaufederBe- nutzungsjahredieLampeschwächerge- worden ist,dasAustrittsfenster verklebt oder verkratzt ist oder ein zusätzlicher Abstand eingehalten wird, um genau dieses zu verhindern, außerdem ein Blendschutz die Kontrolle der Position am Zahn behindert und der Behandler hin und wieder doch der Versuchung erliegt,Schichtdickenvonmehrals2mm zu legen (cave diagonale Schichtung!), dann darf man wohl davon ausgehen, dass Kompositfüllungen unter Praxis- normalbedingungen einen höheren Monomergehalt aufweisen als uns lieb seinkann. Befestigungskompositeunterliegen selbstverständlich derselben, gesamten Polymerisationsproblematik. Insbeson- dere erweisen sich die gingivanahen Approximalflächen als die unterbelich- tetsten,dadortdieankommendeLicht- intensität grundsätzlich am geringsten ist – selbst wenn zusätzlich von vestibu- lärundlingualpolymerisiertwurde. Ergänzend möchte ich an dieser Stelle auf den Abschnitt „Cytotoxicity“ in Schmalz et al.5 , S. 111, hinweisen, in dem folgende In-vitro-Ergebnisse an isolierten Zellen zitiert werden: 1.Die Zytotoxizität von Kompositen ist abhängig vom Polymerisationsgrad. 2.Jekürzerpolymerisiert,destozytotoxi- scher(60,30,15Sekunden).3.Flowables sind zytotoxischer als Komposite mit höherem Fülleranteil. 4. Bei Dentinad- häsivenwurdeindenmeistenFälleneine ausgeprägteZytotoxizitätbeobachtet. Der Effekt von unterschiedlichen PolymerisationszeitenaufdieEluierung (Freisetzung) von Monomeren wurde von Polydorou et al.13,14 in zwei Studien untersucht (20, 40 und 80 Sekunden, keinAbstandzwischenLEDundProbe). Ergebnis: Je länger die Komposite poly- merisiertwurden,destogeringerwardie FreisetzungvonMonomeren. Im Bemühen um Minimierung von systemischen Wirkungen kommt dem Parameter „Verarbeitungstechnik und Sorgfalt des Behandlers“ aus den beschriebenenGründeneineSchlüssel- positionzu.AuchimKontextmoderner Komposite hat offenbar das uralte Thema (Rest-)Monomere nichts von seinerAktualitätverloren. Flowables, ein- und zweiphasige Bondingsysteme brauchen länger Besondere Erwähnung verdienen Materialien,die zwar lichthärtend sind, aber so exorbitant viele Belichtungsein- heitenbenötigen,dasseinesehrkritische Bewertung ihrer Indikation unum- gänglich ist – falls man auch den Faktor Biokompatibilitätberücksichtigt:1.Alle nichtfestenKompositewie„Flowables“, Versiegelungen und sämtliche Materia- lien, die laut Hersteller in 4 oder 5 mm Schichtdickeverarbeitetwerdenkönnen, 2. die ein- oder zweiphasigen Bonding- systeme. Sie alle zeigen im kinesiologischen Regulationstest dasselbe Verhalten: Selbst dünnste Schichten am Kavitä- tenboden benötigen extrem viel mehr Belichtungseinheiten als eine 2-mm- SchichteinesfestenKompositsalsDeck- schicht–vgl.auchSchmalzPunkt3und 4 am Ende des letzten Abschnitts. Wir dürfen uns auch nicht wundern, wenn wir „mal eben“ 2 mm Flow o.ä. legen oder eine Milchzahnkavität mit bon- dingintegriertem Komposit füllen oder eine aufgezogene Fissur mit einer Ver- siegelungversorgen,diebiszu2mmein- dringt, dass 40 bis 60 x 40 Sekunden (!) mit MfP vonnöten wären (s.u.) – statt der empfohlenen 20 Sekunden. Ap- plizieren wir eine 4-mm- oder 5-mm- Schichtvoneinemdermodernen,genial verarbeitungsfähigenBulk-Materialien, liegen die Belichtungszeiten zwischen 50 und 80 x 40 Sekunden – die notwen- digen Pausenintervalle einmal außer Acht gelassen. Da nach unseren Ergeb- nissen die Bondings – insbesondere die ein- und zweiphasigen – ebenfalls er- heblichzurUnverträglichkeitvonKom- positrestaurationen beitragen,seien hier die Belichtungszeiten auf einer hori- zontalenDentinflächeeines6mmtiefen approximalenKastenserwähnt–ohneBe- rücksichtigungdersenkrechtenFläche(!): 15 bis 20 x 40 Sekunden. Mein Fazit: Da wir unsere Zeit nicht – im wahrsten SinnediesesWortes–mit„stunden“lan- gem Polymerisieren verbringen wollen, verzichten wir in meiner Praxis lieber auf ihrenEinsatz. Licht-, dual- und chemisch härtende Komposite Kurz erwähnen möchte ich noch die nicht methacrylathaltigen lichthär- tenden Komposite. Die gesamte be- schriebeneProblematikfindetsichauch bei diesen Materialien wieder:Wenn sie nach Herstellerangaben polymerisiert werden,stellen auch sie (starke) Dauer- stressfaktorendar. Ein wichtiger Hinweis gilt den Kompositen,die in der Zahntechnik als Verblendungen, Kleber, Haftvermittler, Opaker oder auch zum „Coating“ Ver- wendungfinden.DadiePolymerisation im„Lichtofen“ grundsätzlich völlig un- zureichend ist – selbst bei fünffacher GPZ – und ihr Bestimmungsort eben- fallsderMunddesPatientenist,können auch sie in sehr relevantem Maß zu BeschwerdenundErkrankungenaußer- halb unseres Fachgebietes beitragen. Wer käme auf die Idee, dass sich seit vielen Jahren bestehende,therapieresis- tenteBeinödemeinnerhalbeinerWoche zurückbilden können und nie mehr auftreten, nachdem „lediglich“ die 10PO-VerblendungeneinerKonusarbeit extrem oft mit einer Praxis-LED nach- gehärtetwurden? Die chemisch härtenden Kompo- site erfreuen sich aus gutem Grund für Aufbauten und als Corematerialien zu- nehmender Beliebtheit.Aber alle bisher getesteten Materialien dieser Art beein- trächtigen die Regulation deutlich, z.T. sogar sehr stark, und wirken damit als (sehr starke) Dauerstressfaktoren.Wer- den chemisch härtende Komposite ent- fernt, berichten manche Patienten von einem „anfallsartigen“, „totalen Power- zustand“amselbenTag:„Ichwusstegar nicht,dassichsovielKrafthabe.“ Dualhärtende Materialien wirken ebenfalls als permanente (starke) Stres- soren, solange sie nicht maximal licht- gehärtet sind: Je weniger lichtgehärtet, desto stärker.5 Alle bisher getesteten kunststoffhaltigen „Schutzlacke“ für Practice DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 10/2012 · 2. Oktober 20128 Therapie der postoperativen Sensitivität durch Mehrfachpolymerisation. Gesundheitsrisiken durch Komposite Hüft- und Knieschmerzen, Hausstauballergie oder Beinödeme – Fälle für den Zahnarzt? Auch wenn Komposite im Allgemeinen als gut verträglich gelten, können sie (Mit-)Ursache von Beschwerden und Erkrankungen außerhalb des zahnärztlichen Fachgebietes sein. Mögliche Gründe beschreibt Dr. Just Neiss, Heidelberg. Teil II.