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Dental Tribune Austrian Edition

die Schriftsteller in Rom nicht schon zu ihrer Zeit über die Dekadenz der Gesellschaft. Unbestritten ist, dass die Trends in früheren Kulturen länger anhiel- ten, und deshalb nicht kurzfristige Modeerscheinungen den Lebensstil einer Gesellschaft beeinflussten. Die Lust nach Neuem war in allen Kul- turen immer in gleicher Form vor- handen, nur erlaubt unsere Medien- gesellschaft eine größere„Rotations- geschwindigkeit“. Auch wenn jedes Jahr neue Modekollektionen auf den Markt kommen, liegt die besondere Verantwortung der Ästhetisch-Plas- tischen Chirurgen dabei darin, nicht auchjedesJahreinanderesImplantat einzubauen. Verbesserte Lebensqualität durch ästhetisch-chirurgische Maßnahmen Geht man davon aus, dass durch die Ästhetische Chirurgie bei vie- len Patienten das Selbstwertgefühl durch einen chirurgischen Eingriff verbessert oder wiederhergestellt werden kann, hat eine seriös durch- geführte Ästhetische Chirurgie ihren Platz in der Medizin absolut ver- dient. So sind hängende Oberlider, die den Eindruck permanenter Mü- digkeitvermitteln,mitkonservativen Maßnahmen nicht zu beheben und psychologisch unterstützende Ge- spräche machen es den betroffenen Patienten in der Regel nicht leichter, in den Spiegel zu schauen und ein Bild zu sehen, dass ihr Gesamtwohl- befinden nicht steigert. Wer möchte einer Mutter übel nehmen, dass sie bei einem Kind mit abstehenden Ohren eine Ohranlege- plastik durchführen lässt, obwohl dies sicher letztlich ein rein ästhe- tisch-chirurgischer Eingriff ist, denn eine Verbesserung der Hörfunktion wird durch Anlegen der Ohren nicht erreicht. Die Ohranlegeplastik ist ein klassisches Beispiel für eine Zwitter- funktionderÄsthetischenChirurgie, denndasAnlegenderOhrenbeiKin- dernwirdallgemeinsozialakzeptiert, weildasKindjanichtSpottausgesetzt werden soll. Bis zum 12. Lebensjahr ist auch die Kostenübernahme durch die Kasse kein wirkliches Problem. Da- nach müssen die betroffenen Pa- tienten „in Würde“ ihr Aussehen ertragen, denn plötzlich kommt die Kasse nicht mehr für die Kosten der Ohranlegeplastik auf. Dies be- deutet, zu Ende gedacht, dass eine psychologische Belastung für die Betroffenen offensichtlich mit Be- endigung des 12. Lebensjahres ab- geschlossen ist und danach in keiner Weise mehr eine solche Belastung darstellt. Wie dünn diese Argumen- tation ist,muss nicht näher erläutert werden. WeitereBeispiele,indenenästhe- tisch-chirurgische Maßnahmen wie Verkleinerung der Brust, Vergröße- rung der Brust, straffende Abdomi- noplastik nach Schwangerschaften etc.dasGesamtwohlbefindenderPa- tienten dramatisch ändert,sind allen bekannt und in weiten Teilen auch akzeptiert. Hier wird auch von kriti- schen Journalisten mittlerweile eine Steigerung der Lebensqualität, eine Verbesserung des Selbstbewusst- seins, in vielen Bereichen auch eine Optimierung der Leistungsfähigkeit nicht mehr negiert. In vielen chirurgischen Diszipli- nen wurden zudem die Verschluss- techniken der Plastischen Chirurgie übernommen, um eine gelungene Operation auch nach außen„schön“ aussehen zu lassen, weil man er- kannte,wievielePatientendenErfolg der Operation auch am Narbenbild festmachten. Nimmt man das Bei- spiel der Brustrekonstruktion, so dient diese Operation der Wieder- herstellung des Körperbildes, nicht der Wiederherstellung der Stillfähig- keit. Die Funktion der wiederher- gestellten Brust dient nur dazu, der betroffenen Frau ihr Körperbild und damit ihr Frausein wiederzugeben. Die Plastischen Chirurgen, die sich dieser Aufgabe widmen, verwenden enorme Anstrengungen darauf, die rekonstruierte Brust so natürlich wie möglich aussehen zu lassen. WeraberwürdeaufdieIdeekom- men, dass es sich hier um einen äs- thetisch-chirurgischen Eingriff oder gar um eine „Lifestyle“-Operation handelt. Sorgfältige Risikobewertung und strenge Indikation Schwierig wird es sicher bei Ein- griffen, die dazu dienen, Menschen nach aktuellen Schönheitsidealen zu formen. Als Beispiel sei hier eine signifikante Zunahme des Wunsches nach Gesäßimplantaten genannt („Jennifer Lopez Po“), weil eine Be- tonung dieser Körperpartie als aus- gesprochen sexy dargestellt galt. Ge- rade in Süd- und Nordamerika galt es plötzlich als nachahmungswertes Schönheitsideal. Hier liegt es in der Hand des ver- antwortungsvollen Ästhetisch-Plas- tischen Chirurgen, diesem Wunsch nicht unkritisch nachzukommen, sondern den Patientinnen klarzu- machen, dass alle Implantate ein ge- wisses Risiko bergen, dass mit ihnen eine bestimmte Komplikationsrate verbunden ist und darauf hinzuwei- sen, dass eine solche Mode auch ab- ebben kann und dann die perma- nente Veränderung mit Implantaten chirurgisch wieder rückgängig ge- macht werden muss. Ähnliches gilt für Waden- oder Pectoralisimplantate. Die Indikation muss streng gestellt werden, denn vieledervondenPatientengewünsch- ten Effekte lassen sich auch durch entsprechendes Training erzielen. Ohne eine sorgfältige Risikobewer- tung sollten diese Eingriffe nicht durchgeführt werden.Leider ist häu- fig gerade in den Institutionen die Schwelle besonders niedrig, deren Protagonisten in Büchern und Ar- tikeln das „Hohe Lied“ der ethisch verantwortungsvollen Ästhetischen Chirurgie singen. An diesen Beispielen lässt sich auchdeutlicherkennen,dassdiekon- servative Ästhetische Medizin mit ihren immer größeren Möglichkei- ten hier eine Zwischenstellung ein- nimmt. Viele Wünsche nach einem bes- seren Aussehen können erfüllt wer- den,ohnedasseinchirurgischerEin- griff notwendig ist, bleibende Ver- änderungen des Körpers und grö- ßere Komplikationsmöglichkeiten bleibenaberaus.Dassesaberauchin diesem Bereich zu„Lifestyle-Pannen“ kommenkann,zeigtsichamBeispiel unerotisch aufgeplusterter Lippen odermaskenhafterBotox-Gesichter, aber wie überall lassen sich Patien- ten und Kollegen nicht immer auf- halten. Verantwortungsvolle Patientenversorgung Seriöse Ästhetische Chirurgie hat einen festen Platz in der Gesell- schaft und der Medizin. Sie kann für Lebensqualität und Selbstwert- gefühl der Patienten bei korrekter Indikation und Patientenselektion mehr leisten als eine falsch ver- standene psychologische Unterstüt- zung. Um eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu erhalten, muss aller- dings um jeden Preis vermieden werden, dass durch wenige Kollegen ein Bild in der Öffentlichkeit ent- steht, dass alles operiert wird, was Patienten wünschen, wenn es nur lukrativ genug ist. Das würde die Bemühungen der breiten Mehrheit der Plastisch-Ästhetischen Chirur- gen um eine verantwortungsvolle Patientenversorgung zum Scheitern verurteilen. Erstveröffentlichung: face 3/10 DT Prof.Dr.med.GünterGermann ETHIANUM Voßstraße 6,69115 Heidelberg Deutschland Tel.: +49 6221 8723313 Guenter.Germann@urz.uni-heidelberg.de Kontakt „Seriöse Ästhetische Chirurgie hat einen festen Platz in der Gesellschaft und der Medizin.“ ANZEIGE DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 7+8/2012 · 1. August 2012 International Science 5